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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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land wird in den östreichischen Völkern das Verlangen nach einem politischen Le¬
ben nähren, dessen höchste Form jetzt absolut für sie nicht langt. Oestreich hat
jetzt die Aufgaben wie vordem Preußen, musterhafte Einrichtungen der Verwal¬
tung , der Finanzen, der Justiz, der Schule, des Heerwesens aufzustellen, um
den nächsten Bedürfnissen seiner Völker zu genügen, und sie für eine höhere Ent¬
wickelung reif zu machen. Dabei braucht es, Dank den vorgeschrittenen Ideen,
nicht mehr bureaukratisch, mechanisch zu verfahren, es kann überall in den engern
Kreisen freie Blüthen hervorrufen. Aber die Leitung der Gesammtpolitik muß
sich für die nächste Zukunft das Cabinet allein vorbehalten. Oestreich hat um
die fruchtbarste Weltstellung mit den gefährlichsten Rivalen zu kämpfen. Dazu
gehört Kühnheit, Freiheit der Disposition, Beharrlichkeit und die abgemessenste
Klugheit. Einer solchen Aufgabe sind die parlamentarischen Kräfte Oestreichs noch
nicht gewachsen. Dazu bedarf es einer andern Vorschule. Man darf Oestreich
nicht mit England verwechseln, wo durch lange, feste Gewohnheit die Zr-linke po-
litnju" das ausschließliche Eigenthum einer Optimatie ist, welche alle großen Ta¬
lente in sich vereinigt.

Weil Oestreich seinen Völkern das volle Maß der höchsten Freiheit noch nicht
gewähren kann, wird sein Einfluß für Deutschland reactionär sein, wenn er in
die innern Angelegenheiten hineingezogen wird. Das ist ein neues Unglück für
beide Theile. Denn um diesen Einfluß zu Paralysiren, muß sich der deutsche Li¬
beralismus Verbündete in Oestreich suchen. So wird die Kraft Oestreichs durch
ein solches Verhältniß, wie es kurzsichtige Politiker einfädeln möchten, überall ge¬
hemmt und erschüttert. Das Gesammtinteresse des mitteleuropäischen Staatenbun-
des aber leidet, weil die Pole seiner Kraft durch eine ungeschickte Verwickelung
sich entgegenwirken, anstatt nach außen zur Abwehr, wie zur Ausbreitung.

Wer etwa den Verdacht hegt, nur der Eiser für die preußische Hegemonie
lasse den Austritt Oestreichs wünschen, der bedenke, daß auch unter einer par¬
lamentarischen Negierung Deutschland sich nicht concentriren kann, wenn Oestreich
betheiligt bleibt; also ein Staat, dessen Hauptkraft von dem parlamentarischen
Einfluß Deutschlands unabhängig ist. Sollen wir auch für diese Voraussetzung
alle Unmöglichkeiten noch einmal aufzählen? Also wenn Oestreich der parlamentari¬
schen Regierung Deutschlands, einen ihm fremden Einfluß folgen soll, muß Oest¬
reich getheilt werden, die alten Anflösungs-Jntriguen dauern fort und die Gegen¬
wirkung sind reaktionäre Intriguen in Deutschland u. s. w. u. s. w. Dieser gegen¬
seitige Einfluß ist wie ein Splitter, den beide Organismen auszustoßen so lange
unermüdlich arbeiten werden, als noch ein Funke gesunder Lebenskraft in ihnen
ist. Nichts würde dadurch genährt, als der auf die Desorganisation spekulirende
Radikalismus.

Die Entscheidung der wichtigen Frage wird in diesen Tagen gesällt werden.


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land wird in den östreichischen Völkern das Verlangen nach einem politischen Le¬
ben nähren, dessen höchste Form jetzt absolut für sie nicht langt. Oestreich hat
jetzt die Aufgaben wie vordem Preußen, musterhafte Einrichtungen der Verwal¬
tung , der Finanzen, der Justiz, der Schule, des Heerwesens aufzustellen, um
den nächsten Bedürfnissen seiner Völker zu genügen, und sie für eine höhere Ent¬
wickelung reif zu machen. Dabei braucht es, Dank den vorgeschrittenen Ideen,
nicht mehr bureaukratisch, mechanisch zu verfahren, es kann überall in den engern
Kreisen freie Blüthen hervorrufen. Aber die Leitung der Gesammtpolitik muß
sich für die nächste Zukunft das Cabinet allein vorbehalten. Oestreich hat um
die fruchtbarste Weltstellung mit den gefährlichsten Rivalen zu kämpfen. Dazu
gehört Kühnheit, Freiheit der Disposition, Beharrlichkeit und die abgemessenste
Klugheit. Einer solchen Aufgabe sind die parlamentarischen Kräfte Oestreichs noch
nicht gewachsen. Dazu bedarf es einer andern Vorschule. Man darf Oestreich
nicht mit England verwechseln, wo durch lange, feste Gewohnheit die Zr-linke po-
litnju« das ausschließliche Eigenthum einer Optimatie ist, welche alle großen Ta¬
lente in sich vereinigt.

Weil Oestreich seinen Völkern das volle Maß der höchsten Freiheit noch nicht
gewähren kann, wird sein Einfluß für Deutschland reactionär sein, wenn er in
die innern Angelegenheiten hineingezogen wird. Das ist ein neues Unglück für
beide Theile. Denn um diesen Einfluß zu Paralysiren, muß sich der deutsche Li¬
beralismus Verbündete in Oestreich suchen. So wird die Kraft Oestreichs durch
ein solches Verhältniß, wie es kurzsichtige Politiker einfädeln möchten, überall ge¬
hemmt und erschüttert. Das Gesammtinteresse des mitteleuropäischen Staatenbun-
des aber leidet, weil die Pole seiner Kraft durch eine ungeschickte Verwickelung
sich entgegenwirken, anstatt nach außen zur Abwehr, wie zur Ausbreitung.

Wer etwa den Verdacht hegt, nur der Eiser für die preußische Hegemonie
lasse den Austritt Oestreichs wünschen, der bedenke, daß auch unter einer par¬
lamentarischen Negierung Deutschland sich nicht concentriren kann, wenn Oestreich
betheiligt bleibt; also ein Staat, dessen Hauptkraft von dem parlamentarischen
Einfluß Deutschlands unabhängig ist. Sollen wir auch für diese Voraussetzung
alle Unmöglichkeiten noch einmal aufzählen? Also wenn Oestreich der parlamentari¬
schen Regierung Deutschlands, einen ihm fremden Einfluß folgen soll, muß Oest¬
reich getheilt werden, die alten Anflösungs-Jntriguen dauern fort und die Gegen¬
wirkung sind reaktionäre Intriguen in Deutschland u. s. w. u. s. w. Dieser gegen¬
seitige Einfluß ist wie ein Splitter, den beide Organismen auszustoßen so lange
unermüdlich arbeiten werden, als noch ein Funke gesunder Lebenskraft in ihnen
ist. Nichts würde dadurch genährt, als der auf die Desorganisation spekulirende
Radikalismus.

Die Entscheidung der wichtigen Frage wird in diesen Tagen gesällt werden.


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[0033] land wird in den östreichischen Völkern das Verlangen nach einem politischen Le¬ ben nähren, dessen höchste Form jetzt absolut für sie nicht langt. Oestreich hat jetzt die Aufgaben wie vordem Preußen, musterhafte Einrichtungen der Verwal¬ tung , der Finanzen, der Justiz, der Schule, des Heerwesens aufzustellen, um den nächsten Bedürfnissen seiner Völker zu genügen, und sie für eine höhere Ent¬ wickelung reif zu machen. Dabei braucht es, Dank den vorgeschrittenen Ideen, nicht mehr bureaukratisch, mechanisch zu verfahren, es kann überall in den engern Kreisen freie Blüthen hervorrufen. Aber die Leitung der Gesammtpolitik muß sich für die nächste Zukunft das Cabinet allein vorbehalten. Oestreich hat um die fruchtbarste Weltstellung mit den gefährlichsten Rivalen zu kämpfen. Dazu gehört Kühnheit, Freiheit der Disposition, Beharrlichkeit und die abgemessenste Klugheit. Einer solchen Aufgabe sind die parlamentarischen Kräfte Oestreichs noch nicht gewachsen. Dazu bedarf es einer andern Vorschule. Man darf Oestreich nicht mit England verwechseln, wo durch lange, feste Gewohnheit die Zr-linke po- litnju« das ausschließliche Eigenthum einer Optimatie ist, welche alle großen Ta¬ lente in sich vereinigt. Weil Oestreich seinen Völkern das volle Maß der höchsten Freiheit noch nicht gewähren kann, wird sein Einfluß für Deutschland reactionär sein, wenn er in die innern Angelegenheiten hineingezogen wird. Das ist ein neues Unglück für beide Theile. Denn um diesen Einfluß zu Paralysiren, muß sich der deutsche Li¬ beralismus Verbündete in Oestreich suchen. So wird die Kraft Oestreichs durch ein solches Verhältniß, wie es kurzsichtige Politiker einfädeln möchten, überall ge¬ hemmt und erschüttert. Das Gesammtinteresse des mitteleuropäischen Staatenbun- des aber leidet, weil die Pole seiner Kraft durch eine ungeschickte Verwickelung sich entgegenwirken, anstatt nach außen zur Abwehr, wie zur Ausbreitung. Wer etwa den Verdacht hegt, nur der Eiser für die preußische Hegemonie lasse den Austritt Oestreichs wünschen, der bedenke, daß auch unter einer par¬ lamentarischen Negierung Deutschland sich nicht concentriren kann, wenn Oestreich betheiligt bleibt; also ein Staat, dessen Hauptkraft von dem parlamentarischen Einfluß Deutschlands unabhängig ist. Sollen wir auch für diese Voraussetzung alle Unmöglichkeiten noch einmal aufzählen? Also wenn Oestreich der parlamentari¬ schen Regierung Deutschlands, einen ihm fremden Einfluß folgen soll, muß Oest¬ reich getheilt werden, die alten Anflösungs-Jntriguen dauern fort und die Gegen¬ wirkung sind reaktionäre Intriguen in Deutschland u. s. w. u. s. w. Dieser gegen¬ seitige Einfluß ist wie ein Splitter, den beide Organismen auszustoßen so lange unermüdlich arbeiten werden, als noch ein Funke gesunder Lebenskraft in ihnen ist. Nichts würde dadurch genährt, als der auf die Desorganisation spekulirende Radikalismus. Die Entscheidung der wichtigen Frage wird in diesen Tagen gesällt werden. Vrenzbotcn. i»lo. 4

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/33>, abgerufen am 23.12.2024.