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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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Theils des Volks unnöthigerweise Trotz bieten, aber man wird ihm Decharge
ertheilen, und dann wird es seine Mission vollendet haben. Preußen bedarf in
seiner jetzigen Lage einer sehr kräftigen Regierung, die in zweifelhaften Fällen
etwas wagt, was der gewöhnliche Lauf der Dinge nicht mit sich bringt. Dazu
gehört aber Credit. Das jetzige Ministerium wird auch bei dem besten Willen
ein so starkes Vertrauen von Seiten des Volks und seiner Vertreter nicht gewin¬
nen. Jetzt, wo die Kammern den größten Theil unserer politischen Kapacitäten
in sich vereinigen werden, wird es möglich sein, aus ihnen eine von einem be¬
stimmten Princip geleitete und dem Volk bewährte Negierung zu bilden; bei dem
fortwährenden Ministcrwcchsel des vorigen Jahres war der große Uebelstand, daß
man die Negierung zum größten Theil außerhalb der Volksvertreter zusammen¬
setzen mußte und sie ihnen gleichsam wie ein fremdes Wesen gegenüberstellte.
Das ist unter den gegenwärtigen Umständen nicht mehr zu erwarten. Camp¬
hausen als Ministerpräsident, Bunsen mit dem Portefeuille des Auswärtigen
betraut, würden schon im Stande sein, ein Cabinet zu bilden, das uicht nur die
Parteien in Preußen -- mit Ausschluß der Absolutisten und der Republikaner --
zu versöhnen, sondern anch dem gesammten deutschen Vaterlande eine gedeihliche
Zukunft zu versprechen geeignet wäre. Nur darf die neue Regierung nicht eher
eintreten, bis der Schlund der Revolution geschlossen ist, sonst wiederholt sich das
alte, häßliche Spiel.

Die schwierigste Klippe der preußischen Politik, die deutsche Frage, in welcher
die bisherige Stellung der Parteien sich vollständig umgestalten wird, sparen wir
I'l-. einem eigenen Artikel auf.




Das preußische Ministerium und die erste Kammer.
Nachtrag zu dem Vorigen.



Wie die bisherigen Nachrichten von den Wahlen zur ersten Kammer sich Her¬
ansstellen, könnte das Ministerium leicht verleitet finden, die gegenwärtige Krisis
überstehen zu wollen. Es sind schon in den 52 bis jetzt bekannten Wahlen sämmt¬
liche Minister gewählt -- mit Ansnahme von Rintelen, den doch wahrschein¬
lich in den noch nicht bekannten Kreisen irgend eine Wahl getroffen haben wird.
In der zweiten Kammer sitzen Man te uffe l, v. d. Heydt und der Unterstaats-
Secretair Müller; in der ersten Brandenburg, Strotha, Ladenberg,
Bülow, Kühne, Po in mer - Esche und der General-Postdirector S es in unter t.
Graf Brandenburg ist dreimal, Ladenberg zweimal gewählt. Im Uebrigen ist
ebenso bemerkenswerth als erfreulich die Wahl des Prinzen von Preußen


Theils des Volks unnöthigerweise Trotz bieten, aber man wird ihm Decharge
ertheilen, und dann wird es seine Mission vollendet haben. Preußen bedarf in
seiner jetzigen Lage einer sehr kräftigen Regierung, die in zweifelhaften Fällen
etwas wagt, was der gewöhnliche Lauf der Dinge nicht mit sich bringt. Dazu
gehört aber Credit. Das jetzige Ministerium wird auch bei dem besten Willen
ein so starkes Vertrauen von Seiten des Volks und seiner Vertreter nicht gewin¬
nen. Jetzt, wo die Kammern den größten Theil unserer politischen Kapacitäten
in sich vereinigen werden, wird es möglich sein, aus ihnen eine von einem be¬
stimmten Princip geleitete und dem Volk bewährte Negierung zu bilden; bei dem
fortwährenden Ministcrwcchsel des vorigen Jahres war der große Uebelstand, daß
man die Negierung zum größten Theil außerhalb der Volksvertreter zusammen¬
setzen mußte und sie ihnen gleichsam wie ein fremdes Wesen gegenüberstellte.
Das ist unter den gegenwärtigen Umständen nicht mehr zu erwarten. Camp¬
hausen als Ministerpräsident, Bunsen mit dem Portefeuille des Auswärtigen
betraut, würden schon im Stande sein, ein Cabinet zu bilden, das uicht nur die
Parteien in Preußen — mit Ausschluß der Absolutisten und der Republikaner —
zu versöhnen, sondern anch dem gesammten deutschen Vaterlande eine gedeihliche
Zukunft zu versprechen geeignet wäre. Nur darf die neue Regierung nicht eher
eintreten, bis der Schlund der Revolution geschlossen ist, sonst wiederholt sich das
alte, häßliche Spiel.

Die schwierigste Klippe der preußischen Politik, die deutsche Frage, in welcher
die bisherige Stellung der Parteien sich vollständig umgestalten wird, sparen wir
I'l-. einem eigenen Artikel auf.




Das preußische Ministerium und die erste Kammer.
Nachtrag zu dem Vorigen.



Wie die bisherigen Nachrichten von den Wahlen zur ersten Kammer sich Her¬
ansstellen, könnte das Ministerium leicht verleitet finden, die gegenwärtige Krisis
überstehen zu wollen. Es sind schon in den 52 bis jetzt bekannten Wahlen sämmt¬
liche Minister gewählt — mit Ansnahme von Rintelen, den doch wahrschein¬
lich in den noch nicht bekannten Kreisen irgend eine Wahl getroffen haben wird.
In der zweiten Kammer sitzen Man te uffe l, v. d. Heydt und der Unterstaats-
Secretair Müller; in der ersten Brandenburg, Strotha, Ladenberg,
Bülow, Kühne, Po in mer - Esche und der General-Postdirector S es in unter t.
Graf Brandenburg ist dreimal, Ladenberg zweimal gewählt. Im Uebrigen ist
ebenso bemerkenswerth als erfreulich die Wahl des Prinzen von Preußen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/319>, abgerufen am 03.07.2024.