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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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Eben dahin gehört der Ritter B n n se n, dessen gewissenhafte und großartige Thätigkeit
für die Ehre Deutschlands leider zum großen Theil in der Heimlichkeit des alten
Polizeistaats begraben ist. Ende gut, Alles gut: General Radowitz. Die
Vergangenheit dieses Mannes ist unklar, wie seine augenblickliche Stellung; wer
aber -den wunderbaren Eindruck, den sein jedesmaliges Auftreten in der Pauls-
kirche gemacht, aufmerksam verfolgt hat, muß zu der Ueberzeugung kommen, daß
es für Preußen wie für die constitutionelle Sache vou der höchsten Wichtigkeit
sein muß, einen solchen Mann nicht außer sich zu haben. Das parlamentarische
Leben einer Nation beruht darin, daß alle bedeutenden Kräfte, nach welcher Rich¬
tung sie auch auseinandergehen, in ihm vertreten sein müssen. Wir würden es
eben so für einen wesentlichen Mangel gehalten haben, wenn z. B. Waldeck
nicht gewählt worden wäre.

Was die alten Generale und die eigentliche Aristokratie betrifft, so gehören
beide, soweit sich nicht parlamentarische Talente von größerem Umfange unter ihnen
finden, besser in die erste Kammer. Was diese für die conservative Sache leisten
wird, kann nur durch eignes Gewicht geschehn; eine Stütze in der öffentlichen
Meinung wird sie schwerlich finden.

Die Physiognomie der zweiten Kammer hat trotz dieser Fehler einen viel
erfreulicheren Anstrich, als die der alten Constituante. Es sind nicht soviel Wasser-
polacken und kleine Leute darin, auch die lichtfreundlichcn Pastoren sind zusam¬
mengeschmolzen. Entschieden dominirt das Beamtenthum, es ist auf deu Oppo¬
sitionsbänken eben so stark vertreten als auf der rechten Seite. Assessoren, Stadt¬
richter und Justizcommissarien bilden die Mehrzahl. Professoren finde ich nur
drei bis vier, desto mehr Lehrer, namentlich vom Lande. Die Aristokratie ist
nicht im Uebermaß vertreten; ich nenne Freiherr v. Vincke, Graf Aruim-
Boitzenburg, v. Bismark-Schönhausen, Graf Ziethen, Fürst Hatz-
feld, Graf Poninsky, Graf Renard, einige märkische und pommersche Land-
räthe, an ihrer Spitze Graf Schwerin - Putzar (B ü low - Cu um crow ist nicht
gewählt): in Preußen Auerswald-Plauthen, Säulen-Julienfelde und
Dohna-Wesselhöser; in Posen natürlich fast nur Edelleute, am Rhein fast
gar keine.

Von der alten Constituante sind etwa 100 wieder gewählt. Hier überwiegt
die linke Seite sehr stark, weil sie auch in der That die bessern Talente zählte.
Waldeck, Nodbertus, Jacoby, Temme, v. Kirchmann, v. Unruh,
Kosch, v. Berg werden nicht verfehlen, auch in der neuen Kammer eine be¬
deutende Rolle zu spielen. Leider siud auch viele andere vou derselben Farbe,
aber einem ruppigeren Anstrich, wieder gewählt. Auch Freund Dierschke ist wieder
da; für die Unterhaltung der Journalisten und Tribune ist also gesorgt. Die
Polen fehlen auch nicht. Auf der rechten Seite ist namentlich die Wiederwahl
Grabow's und Harkort's erfreulich,


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Eben dahin gehört der Ritter B n n se n, dessen gewissenhafte und großartige Thätigkeit
für die Ehre Deutschlands leider zum großen Theil in der Heimlichkeit des alten
Polizeistaats begraben ist. Ende gut, Alles gut: General Radowitz. Die
Vergangenheit dieses Mannes ist unklar, wie seine augenblickliche Stellung; wer
aber -den wunderbaren Eindruck, den sein jedesmaliges Auftreten in der Pauls-
kirche gemacht, aufmerksam verfolgt hat, muß zu der Ueberzeugung kommen, daß
es für Preußen wie für die constitutionelle Sache vou der höchsten Wichtigkeit
sein muß, einen solchen Mann nicht außer sich zu haben. Das parlamentarische
Leben einer Nation beruht darin, daß alle bedeutenden Kräfte, nach welcher Rich¬
tung sie auch auseinandergehen, in ihm vertreten sein müssen. Wir würden es
eben so für einen wesentlichen Mangel gehalten haben, wenn z. B. Waldeck
nicht gewählt worden wäre.

Was die alten Generale und die eigentliche Aristokratie betrifft, so gehören
beide, soweit sich nicht parlamentarische Talente von größerem Umfange unter ihnen
finden, besser in die erste Kammer. Was diese für die conservative Sache leisten
wird, kann nur durch eignes Gewicht geschehn; eine Stütze in der öffentlichen
Meinung wird sie schwerlich finden.

Die Physiognomie der zweiten Kammer hat trotz dieser Fehler einen viel
erfreulicheren Anstrich, als die der alten Constituante. Es sind nicht soviel Wasser-
polacken und kleine Leute darin, auch die lichtfreundlichcn Pastoren sind zusam¬
mengeschmolzen. Entschieden dominirt das Beamtenthum, es ist auf deu Oppo¬
sitionsbänken eben so stark vertreten als auf der rechten Seite. Assessoren, Stadt¬
richter und Justizcommissarien bilden die Mehrzahl. Professoren finde ich nur
drei bis vier, desto mehr Lehrer, namentlich vom Lande. Die Aristokratie ist
nicht im Uebermaß vertreten; ich nenne Freiherr v. Vincke, Graf Aruim-
Boitzenburg, v. Bismark-Schönhausen, Graf Ziethen, Fürst Hatz-
feld, Graf Poninsky, Graf Renard, einige märkische und pommersche Land-
räthe, an ihrer Spitze Graf Schwerin - Putzar (B ü low - Cu um crow ist nicht
gewählt): in Preußen Auerswald-Plauthen, Säulen-Julienfelde und
Dohna-Wesselhöser; in Posen natürlich fast nur Edelleute, am Rhein fast
gar keine.

Von der alten Constituante sind etwa 100 wieder gewählt. Hier überwiegt
die linke Seite sehr stark, weil sie auch in der That die bessern Talente zählte.
Waldeck, Nodbertus, Jacoby, Temme, v. Kirchmann, v. Unruh,
Kosch, v. Berg werden nicht verfehlen, auch in der neuen Kammer eine be¬
deutende Rolle zu spielen. Leider siud auch viele andere vou derselben Farbe,
aber einem ruppigeren Anstrich, wieder gewählt. Auch Freund Dierschke ist wieder
da; für die Unterhaltung der Journalisten und Tribune ist also gesorgt. Die
Polen fehlen auch nicht. Auf der rechten Seite ist namentlich die Wiederwahl
Grabow's und Harkort's erfreulich,


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[0315] Eben dahin gehört der Ritter B n n se n, dessen gewissenhafte und großartige Thätigkeit für die Ehre Deutschlands leider zum großen Theil in der Heimlichkeit des alten Polizeistaats begraben ist. Ende gut, Alles gut: General Radowitz. Die Vergangenheit dieses Mannes ist unklar, wie seine augenblickliche Stellung; wer aber -den wunderbaren Eindruck, den sein jedesmaliges Auftreten in der Pauls- kirche gemacht, aufmerksam verfolgt hat, muß zu der Ueberzeugung kommen, daß es für Preußen wie für die constitutionelle Sache vou der höchsten Wichtigkeit sein muß, einen solchen Mann nicht außer sich zu haben. Das parlamentarische Leben einer Nation beruht darin, daß alle bedeutenden Kräfte, nach welcher Rich¬ tung sie auch auseinandergehen, in ihm vertreten sein müssen. Wir würden es eben so für einen wesentlichen Mangel gehalten haben, wenn z. B. Waldeck nicht gewählt worden wäre. Was die alten Generale und die eigentliche Aristokratie betrifft, so gehören beide, soweit sich nicht parlamentarische Talente von größerem Umfange unter ihnen finden, besser in die erste Kammer. Was diese für die conservative Sache leisten wird, kann nur durch eignes Gewicht geschehn; eine Stütze in der öffentlichen Meinung wird sie schwerlich finden. Die Physiognomie der zweiten Kammer hat trotz dieser Fehler einen viel erfreulicheren Anstrich, als die der alten Constituante. Es sind nicht soviel Wasser- polacken und kleine Leute darin, auch die lichtfreundlichcn Pastoren sind zusam¬ mengeschmolzen. Entschieden dominirt das Beamtenthum, es ist auf deu Oppo¬ sitionsbänken eben so stark vertreten als auf der rechten Seite. Assessoren, Stadt¬ richter und Justizcommissarien bilden die Mehrzahl. Professoren finde ich nur drei bis vier, desto mehr Lehrer, namentlich vom Lande. Die Aristokratie ist nicht im Uebermaß vertreten; ich nenne Freiherr v. Vincke, Graf Aruim- Boitzenburg, v. Bismark-Schönhausen, Graf Ziethen, Fürst Hatz- feld, Graf Poninsky, Graf Renard, einige märkische und pommersche Land- räthe, an ihrer Spitze Graf Schwerin - Putzar (B ü low - Cu um crow ist nicht gewählt): in Preußen Auerswald-Plauthen, Säulen-Julienfelde und Dohna-Wesselhöser; in Posen natürlich fast nur Edelleute, am Rhein fast gar keine. Von der alten Constituante sind etwa 100 wieder gewählt. Hier überwiegt die linke Seite sehr stark, weil sie auch in der That die bessern Talente zählte. Waldeck, Nodbertus, Jacoby, Temme, v. Kirchmann, v. Unruh, Kosch, v. Berg werden nicht verfehlen, auch in der neuen Kammer eine be¬ deutende Rolle zu spielen. Leider siud auch viele andere vou derselben Farbe, aber einem ruppigeren Anstrich, wieder gewählt. Auch Freund Dierschke ist wieder da; für die Unterhaltung der Journalisten und Tribune ist also gesorgt. Die Polen fehlen auch nicht. Auf der rechten Seite ist namentlich die Wiederwahl Grabow's und Harkort's erfreulich, 39*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/315>, abgerufen am 23.07.2024.