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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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überall mit Ehre, die Interessen des freien Preußen vertreten. Camphausen'und
Hansemann sind in dieser Kammer um so unentbehrlicher, da ein wesentlicher Ge¬
genstand ihrer Berathungen der Geldpunkt sein wird, und da sich herzlich wenig
in derselben finden, die etwas davon versteh". Als dritten rechne ich Milde
Hieher, obgleich dieser es vielleicht vorziehn wird, in der ersten Kammer eine
mäßige Opposition gegen allzu reactionäre Tendenzen zu leiten. Von den Ka¬
pacitäten des vereinigten Landtags schien Mevissen und der Bürgermeister Sper¬
ling ans Königsberg. Eigentlich wäre es wünschenswerth, daß auch die frühern
Minister, die jedenfalls einen tiefern Blick in die factischen Staatsverhältnisse ge¬
than, der Berathung nicht entzogen würden, doch mochten sie zum größten Theil
mehr in die erste Kammer gehören. Ich nenne hier zuerst Herrn v. Arnim, wel¬
cher der auswärtigen Politik Preußens zuerst jenen kühnerem Schwung gab, die
sie vielleicht etwas zu weit aus dem alten Gleise trieb. Ferner die von allen Par¬
teien gewürdigten Justizminister Märker, Kister und Bornemann für letz¬
teren habe ich noch einige Hoffnung, daß er bei einer der Berliner Doppelwahlen
gewählt wird, wenn sich der demokratische Zorn der Hauptstadt, der eigentlich nur
dem Belagerungszustand gilt, etwas gelegt haben wird. -- Ungern vermissen wir
ferner den ehemaligen Minister-Präsidenten v. Auerswald (den jüngern Bruder),
Kühlwetter, Kühne, Eichmann und v. Bonin.

Wichtiger aber noch als diese Wahlen wäre für Preußens Entwicklung der
Hinzutritt jener Männer gewesen, die bisher in Frankfurt mit rühmlicher Aus¬
dauer und bedeutendem Talent für unsere Sache gekämpft haben. Sie würden
in den engen politischen Horizont des specifischen Bcrlinerthums den weitern deut¬
schen Blick eingeführt haben. Sollte ihre Thätigkeit in Frankfurt noch einige
Wochen nothwendig sein, so ertheilt ja in solchen Fällen ein jedes Parlament
Urlaub. Es sind folgende Männer. Dahlmann, der von den unreifen So¬
phisten der Volkssouveränität so häusig angefochtene Doctrinär, dem wir zwar nicht
in alle Wendungen seiner Theorie zu folge" vermögen, der aber Inhalt genug
hat, um in jeder politischen Versammlung ein wesentliches Moment zu bilden,
und dem namentlich einen Vorzug Niemand abstreiten wird, der heut zu Tage
immer seltner wird: politisches Gewissen und politische Ehre. Ferner: Beseler
aus Greifswald, der gründliche Berichterstatter des Verfassuugö-Ausschusses;
Eduard Simson, der Präsident der Nationalversammlung; E. M. Arndt,
der gewissermassen ein historisches Anrecht aufweisen kann, und der in seiner letzten
parlamentarischen Wirksamkeit gezeigt hat, daß ihm über seinem Deutschthum das
engere Vaterland nicht aus deu Augen gekommen ist; die Reichsminister Becke¬
rath und v. Peuker, deren officielle Stellung von Tage zu Tage fraglicher
wird; Otto Plathner aus Halberstadt; Oberst Stavenhagen; v. Säu-
len-Tarpntschen und Stedtmann, beide in gutem Andenken vom vereinigten
Landtag her; auch Raveaux, obgleich ich seine politischen Ansichten nicht theile.


überall mit Ehre, die Interessen des freien Preußen vertreten. Camphausen'und
Hansemann sind in dieser Kammer um so unentbehrlicher, da ein wesentlicher Ge¬
genstand ihrer Berathungen der Geldpunkt sein wird, und da sich herzlich wenig
in derselben finden, die etwas davon versteh«. Als dritten rechne ich Milde
Hieher, obgleich dieser es vielleicht vorziehn wird, in der ersten Kammer eine
mäßige Opposition gegen allzu reactionäre Tendenzen zu leiten. Von den Ka¬
pacitäten des vereinigten Landtags schien Mevissen und der Bürgermeister Sper¬
ling ans Königsberg. Eigentlich wäre es wünschenswerth, daß auch die frühern
Minister, die jedenfalls einen tiefern Blick in die factischen Staatsverhältnisse ge¬
than, der Berathung nicht entzogen würden, doch mochten sie zum größten Theil
mehr in die erste Kammer gehören. Ich nenne hier zuerst Herrn v. Arnim, wel¬
cher der auswärtigen Politik Preußens zuerst jenen kühnerem Schwung gab, die
sie vielleicht etwas zu weit aus dem alten Gleise trieb. Ferner die von allen Par¬
teien gewürdigten Justizminister Märker, Kister und Bornemann für letz¬
teren habe ich noch einige Hoffnung, daß er bei einer der Berliner Doppelwahlen
gewählt wird, wenn sich der demokratische Zorn der Hauptstadt, der eigentlich nur
dem Belagerungszustand gilt, etwas gelegt haben wird. — Ungern vermissen wir
ferner den ehemaligen Minister-Präsidenten v. Auerswald (den jüngern Bruder),
Kühlwetter, Kühne, Eichmann und v. Bonin.

Wichtiger aber noch als diese Wahlen wäre für Preußens Entwicklung der
Hinzutritt jener Männer gewesen, die bisher in Frankfurt mit rühmlicher Aus¬
dauer und bedeutendem Talent für unsere Sache gekämpft haben. Sie würden
in den engen politischen Horizont des specifischen Bcrlinerthums den weitern deut¬
schen Blick eingeführt haben. Sollte ihre Thätigkeit in Frankfurt noch einige
Wochen nothwendig sein, so ertheilt ja in solchen Fällen ein jedes Parlament
Urlaub. Es sind folgende Männer. Dahlmann, der von den unreifen So¬
phisten der Volkssouveränität so häusig angefochtene Doctrinär, dem wir zwar nicht
in alle Wendungen seiner Theorie zu folge» vermögen, der aber Inhalt genug
hat, um in jeder politischen Versammlung ein wesentliches Moment zu bilden,
und dem namentlich einen Vorzug Niemand abstreiten wird, der heut zu Tage
immer seltner wird: politisches Gewissen und politische Ehre. Ferner: Beseler
aus Greifswald, der gründliche Berichterstatter des Verfassuugö-Ausschusses;
Eduard Simson, der Präsident der Nationalversammlung; E. M. Arndt,
der gewissermassen ein historisches Anrecht aufweisen kann, und der in seiner letzten
parlamentarischen Wirksamkeit gezeigt hat, daß ihm über seinem Deutschthum das
engere Vaterland nicht aus deu Augen gekommen ist; die Reichsminister Becke¬
rath und v. Peuker, deren officielle Stellung von Tage zu Tage fraglicher
wird; Otto Plathner aus Halberstadt; Oberst Stavenhagen; v. Säu-
len-Tarpntschen und Stedtmann, beide in gutem Andenken vom vereinigten
Landtag her; auch Raveaux, obgleich ich seine politischen Ansichten nicht theile.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/314>, abgerufen am 23.07.2024.