Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.gnug lebhast ergriffen waren, wählten den weitbrustigen Mann, der am lautesten Und nun noch die particulären Wünsche und Leidenschaften, die geradezu Sondern wir die Fractionen, ohne ängstlich auf die zufällige Verbindung der Links saßen die ungezogenen Lieblinge der Revolution. Ich glaube nicht, Im rechten Centrum saßen die Wohlwollenden, denen es mit den "Errun¬ gnug lebhast ergriffen waren, wählten den weitbrustigen Mann, der am lautesten Und nun noch die particulären Wünsche und Leidenschaften, die geradezu Sondern wir die Fractionen, ohne ängstlich auf die zufällige Verbindung der Links saßen die ungezogenen Lieblinge der Revolution. Ich glaube nicht, Im rechten Centrum saßen die Wohlwollenden, denen es mit den „Errun¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0312" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278300"/> <p xml:id="ID_1566" prev="#ID_1565"> gnug lebhast ergriffen waren, wählten den weitbrustigen Mann, der am lautesten<lb/> gegen die Negierung polemisirt hatte; die „Heuler," die in der Revolution den<lb/> Untergang aller Geschäfte sahen, wählten den ehrsamen Spießbürger, der „Ruhe<lb/> um jeden Preis" verhieß: die Bauern schickten einen ihres Gleichen ins Parla¬<lb/> ment, der ihnen Abgabeufreiheit verschaffen sollte; die Gesellen wollten Zulage<lb/> des Tagelohns — und nun mochte diese so bunt zusammengesetzte Gesellschaft zu¬<lb/> sehen, wie sie mit einander fertig würde!</p><lb/> <p xml:id="ID_1567"> Und nun noch die particulären Wünsche und Leidenschaften, die geradezu<lb/> gegen die Existenz des Gebäudes, in welchem man sich einrichten sollte, protestir-<lb/> ten! Die Deutschthümler — es war freilich keine große Zahl — wollten ein<lb/> einiges freies Deutschland, die Polen ein einiges freies Polen, die Demokraten<lb/> eine einige Republik von möglichst ungeheurem Umfang, und alle drei konnten<lb/> ihren Zweck nur durch den Ruin des preußischen Staats erreichen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1568"> Sondern wir die Fractionen, ohne ängstlich auf die zufällige Verbindung der<lb/> einzelnen Coterien Rücksicht zu nehmen, so sehen wir rechts die Fanatiker der<lb/> Ruhe. Sie wollen regiert sein, und unterstützten daher jede Regung, Hanse¬<lb/> mann wie Arnim, sie hätten auch Waldeck gestützt, wenn er ihnen vor den<lb/> Berliner Straßenjungen Ruhe verschafft hätte. Von einem Princip war bei ihnen<lb/> keine Rede, von Talenten eigentlich auch uicht, was davon vorhanden war, kam<lb/> erst durch aufgegebene Portefeuilles nachträglich hinein. Einen sittlichen Halt<lb/> konnte diese Partei, in welcher die einzelnen Kräfte sich wirkungslos verloren,<lb/> dem Staat nicht geben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1569"> Links saßen die ungezogenen Lieblinge der Revolution. Ich glaube nicht,<lb/> daß viel Republikaner darunter waren, wenn man sich überhaupt mit diesem höchst<lb/> unbestimmten Namen eine concrete Vorstellung zu verbinden getraut; man ist noch<lb/> nicht Republikaner, wenn man die Könige haßt. Aber theils verbitterte Gemüther,<lb/> die von dem alten System gelitten hatten und es nun wollten entgelten lassen,<lb/> theils übermüthige junge Gesellen, die es kitzelte, den Tiger im Käfig zu ver¬<lb/> höhnen, gab es hier in Menge. „Wir wollen doch sehen, wer uns etwas zu<lb/> befehlen hat!" Sie hatten den Vortheil, daß Fragen bequemer sind als Ant¬<lb/> worten, Vorwürfe einfacher als Ausführungen. Ihre Angriffe waren mehr Plän¬<lb/> keleien als ernsthafte Gefechte, aber wo keine geschlossene Truppenmacht ist, fällt<lb/> auch ein fortgesetztes Geplänkel schwer. Sie lebten von der Schwäche ihrer Geg¬<lb/> ner. Wenn sich ein positiver Schwärmer, wie Waldeck, unter sie verirrte, so war<lb/> das ein gutes Aushängeschild; man hatte nun Manifeste in Vorrath; sie wirklich<lb/> ausführen zu wollen, überhob man sich leicht, als Partei der Zukunft. Für die<lb/> Gegenwart war die Lust der „Unruhe um jeden Preis."</p><lb/> <p xml:id="ID_1570" next="#ID_1571"> Im rechten Centrum saßen die Wohlwollenden, denen es mit den „Errun¬<lb/> genschaften" des Liberalismus ernst war und die mit dem traditionellen Mißtrauen<lb/> der alten Zeit auf die Regierung wie auf das Volk blickten. Wer am lautesten</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0312]
gnug lebhast ergriffen waren, wählten den weitbrustigen Mann, der am lautesten
gegen die Negierung polemisirt hatte; die „Heuler," die in der Revolution den
Untergang aller Geschäfte sahen, wählten den ehrsamen Spießbürger, der „Ruhe
um jeden Preis" verhieß: die Bauern schickten einen ihres Gleichen ins Parla¬
ment, der ihnen Abgabeufreiheit verschaffen sollte; die Gesellen wollten Zulage
des Tagelohns — und nun mochte diese so bunt zusammengesetzte Gesellschaft zu¬
sehen, wie sie mit einander fertig würde!
Und nun noch die particulären Wünsche und Leidenschaften, die geradezu
gegen die Existenz des Gebäudes, in welchem man sich einrichten sollte, protestir-
ten! Die Deutschthümler — es war freilich keine große Zahl — wollten ein
einiges freies Deutschland, die Polen ein einiges freies Polen, die Demokraten
eine einige Republik von möglichst ungeheurem Umfang, und alle drei konnten
ihren Zweck nur durch den Ruin des preußischen Staats erreichen.
Sondern wir die Fractionen, ohne ängstlich auf die zufällige Verbindung der
einzelnen Coterien Rücksicht zu nehmen, so sehen wir rechts die Fanatiker der
Ruhe. Sie wollen regiert sein, und unterstützten daher jede Regung, Hanse¬
mann wie Arnim, sie hätten auch Waldeck gestützt, wenn er ihnen vor den
Berliner Straßenjungen Ruhe verschafft hätte. Von einem Princip war bei ihnen
keine Rede, von Talenten eigentlich auch uicht, was davon vorhanden war, kam
erst durch aufgegebene Portefeuilles nachträglich hinein. Einen sittlichen Halt
konnte diese Partei, in welcher die einzelnen Kräfte sich wirkungslos verloren,
dem Staat nicht geben.
Links saßen die ungezogenen Lieblinge der Revolution. Ich glaube nicht,
daß viel Republikaner darunter waren, wenn man sich überhaupt mit diesem höchst
unbestimmten Namen eine concrete Vorstellung zu verbinden getraut; man ist noch
nicht Republikaner, wenn man die Könige haßt. Aber theils verbitterte Gemüther,
die von dem alten System gelitten hatten und es nun wollten entgelten lassen,
theils übermüthige junge Gesellen, die es kitzelte, den Tiger im Käfig zu ver¬
höhnen, gab es hier in Menge. „Wir wollen doch sehen, wer uns etwas zu
befehlen hat!" Sie hatten den Vortheil, daß Fragen bequemer sind als Ant¬
worten, Vorwürfe einfacher als Ausführungen. Ihre Angriffe waren mehr Plän¬
keleien als ernsthafte Gefechte, aber wo keine geschlossene Truppenmacht ist, fällt
auch ein fortgesetztes Geplänkel schwer. Sie lebten von der Schwäche ihrer Geg¬
ner. Wenn sich ein positiver Schwärmer, wie Waldeck, unter sie verirrte, so war
das ein gutes Aushängeschild; man hatte nun Manifeste in Vorrath; sie wirklich
ausführen zu wollen, überhob man sich leicht, als Partei der Zukunft. Für die
Gegenwart war die Lust der „Unruhe um jeden Preis."
Im rechten Centrum saßen die Wohlwollenden, denen es mit den „Errun¬
genschaften" des Liberalismus ernst war und die mit dem traditionellen Mißtrauen
der alten Zeit auf die Regierung wie auf das Volk blickten. Wer am lautesten
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