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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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Sie mich in diesem Augenblick halten, ein herzloser Bösewicht, wenn ich darauf
bestünde, ihn aus einer solchen Heimath zu reißen.


Gertr.

Wie? Sie nehmen uns den Hans nicht? Sie lassen ihn in

meiner Pflege? O das ist gut, das ist edel, ich danke Ihnen, Herr Graf, (will
ihm die Hand küssen)


Wald.

Nicht so, um Gotteswillen, das wäre eine Demüthigung für mich.

-- Hören Sie mich an, Gertrud. Ich habe durch meinen Secretair die nöthigen
polizeilichen Notizen gesammelt, und in meinem Gedächtniß das Wenige, was sich
darin vorfindet, zusammengesucht. Ich habe die Ansicht genommen, daß Ihr Pfle¬
gesohn allerdings einige Rechte an mich haben mag. In Ihre Hände leg' ich diese
Rechte nieder, mit Ihrem Vater will ich das etwa Nöthige besprechen, Ihrem
Rath, Ihrer Leitung vertraue ich die Zukunft des Knaben, ich werde mich in
Allem durch Ihr Urtheil bestimmen lassen.

So ist es recht; das ist wohlwollend und ehrlich, und ich bitte,


Gertr.

Sie herzlich, mir zu verzeihen, daß ich Sie lange Zeit ungerecht beurtheilt habe.


Wald,

Gutes Mädchen, sie bittet mich um Verzeihung. --

(bei Seite).

Noch eine Frage. Die Fürstin interessirte sich für dies Kind, glauben Sie, daß
irgend ein Gerücht über meine Stellung zu dem Knaben ihr Ohr erreicht hat.

Das glaube ich nicht. Nie hat mein Vater, nie habe ich ein Wort


Gertr.

gegen die Nachbarn geäußert; ich weiß nur, daß sich vor einigen Jahren ein hä߬
liches Geschwätz verbreitet hatte, aber es verschwand wieder.


Wald.

Und was war das?

Es war Nichts, es traf nicht Sie, nur mich ging es an. Es war


Gertr.

eine Verleumdung, die mir damals Thränen gekostet hat. Aber ich konnte mich
rechtfertigen; es wohnen noch Leute hier, welche die Mutter des Kindes gekannt
haben.

Von dieser ein andermal. Ich mühe mich vergebens ihre Person,


Wald.

ihr Wesen mir lebhast vorzustellen, aber das Bild der Armen verschwimmt mir ans
seltsame Weise mit dem Gesicht und Wesen einer andern Dame, mit der ich be¬
freundet bin. -- Doch es wird spät, und mich ruft ein Versprechen ab. Ich kam
her mit kalter Gleichgiltigkeit gegen die neue Beziehung meines Lebens, und ich
scheide voll Bewunderung von dem, was ich hier gefunden. Gertrud, es ist mei¬
nem Stolz peinlich, Ihnen gegenüber klein und herzlos dnzustchn. Ich möchte
gegen Sie, die Ehrliche, wenigstens das Selbstgefühl der Aufrichtigkeit behaupten,
und deshalb gestehe ich ihnen, daß ich noch jetzt für den Knaben wenig Pflicht¬
gefühl in mir trage, was ich thue, geschieht, weil ich für Sie Hochachtung em¬
pfinde und Ihnen gefallen will.


Gertr.

Wie können Sie dem Hans gut sein? Sie sind ihm ja fremd.

O sie werden ihn einst lieben.


Wald,

Ich will mich mühen, da es Ihnen Freude macht. Des-

(lächelnd).

Sie mich in diesem Augenblick halten, ein herzloser Bösewicht, wenn ich darauf
bestünde, ihn aus einer solchen Heimath zu reißen.


Gertr.

Wie? Sie nehmen uns den Hans nicht? Sie lassen ihn in

meiner Pflege? O das ist gut, das ist edel, ich danke Ihnen, Herr Graf, (will
ihm die Hand küssen)


Wald.

Nicht so, um Gotteswillen, das wäre eine Demüthigung für mich.

— Hören Sie mich an, Gertrud. Ich habe durch meinen Secretair die nöthigen
polizeilichen Notizen gesammelt, und in meinem Gedächtniß das Wenige, was sich
darin vorfindet, zusammengesucht. Ich habe die Ansicht genommen, daß Ihr Pfle¬
gesohn allerdings einige Rechte an mich haben mag. In Ihre Hände leg' ich diese
Rechte nieder, mit Ihrem Vater will ich das etwa Nöthige besprechen, Ihrem
Rath, Ihrer Leitung vertraue ich die Zukunft des Knaben, ich werde mich in
Allem durch Ihr Urtheil bestimmen lassen.

So ist es recht; das ist wohlwollend und ehrlich, und ich bitte,


Gertr.

Sie herzlich, mir zu verzeihen, daß ich Sie lange Zeit ungerecht beurtheilt habe.


Wald,

Gutes Mädchen, sie bittet mich um Verzeihung. —

(bei Seite).

Noch eine Frage. Die Fürstin interessirte sich für dies Kind, glauben Sie, daß
irgend ein Gerücht über meine Stellung zu dem Knaben ihr Ohr erreicht hat.

Das glaube ich nicht. Nie hat mein Vater, nie habe ich ein Wort


Gertr.

gegen die Nachbarn geäußert; ich weiß nur, daß sich vor einigen Jahren ein hä߬
liches Geschwätz verbreitet hatte, aber es verschwand wieder.


Wald.

Und was war das?

Es war Nichts, es traf nicht Sie, nur mich ging es an. Es war


Gertr.

eine Verleumdung, die mir damals Thränen gekostet hat. Aber ich konnte mich
rechtfertigen; es wohnen noch Leute hier, welche die Mutter des Kindes gekannt
haben.

Von dieser ein andermal. Ich mühe mich vergebens ihre Person,


Wald.

ihr Wesen mir lebhast vorzustellen, aber das Bild der Armen verschwimmt mir ans
seltsame Weise mit dem Gesicht und Wesen einer andern Dame, mit der ich be¬
freundet bin. — Doch es wird spät, und mich ruft ein Versprechen ab. Ich kam
her mit kalter Gleichgiltigkeit gegen die neue Beziehung meines Lebens, und ich
scheide voll Bewunderung von dem, was ich hier gefunden. Gertrud, es ist mei¬
nem Stolz peinlich, Ihnen gegenüber klein und herzlos dnzustchn. Ich möchte
gegen Sie, die Ehrliche, wenigstens das Selbstgefühl der Aufrichtigkeit behaupten,
und deshalb gestehe ich ihnen, daß ich noch jetzt für den Knaben wenig Pflicht¬
gefühl in mir trage, was ich thue, geschieht, weil ich für Sie Hochachtung em¬
pfinde und Ihnen gefallen will.


Gertr.

Wie können Sie dem Hans gut sein? Sie sind ihm ja fremd.

O sie werden ihn einst lieben.


Wald,

Ich will mich mühen, da es Ihnen Freude macht. Des-

(lächelnd).

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[0300] Sie mich in diesem Augenblick halten, ein herzloser Bösewicht, wenn ich darauf bestünde, ihn aus einer solchen Heimath zu reißen. Gertr. Wie? Sie nehmen uns den Hans nicht? Sie lassen ihn in meiner Pflege? O das ist gut, das ist edel, ich danke Ihnen, Herr Graf, (will ihm die Hand küssen) Wald. Nicht so, um Gotteswillen, das wäre eine Demüthigung für mich. — Hören Sie mich an, Gertrud. Ich habe durch meinen Secretair die nöthigen polizeilichen Notizen gesammelt, und in meinem Gedächtniß das Wenige, was sich darin vorfindet, zusammengesucht. Ich habe die Ansicht genommen, daß Ihr Pfle¬ gesohn allerdings einige Rechte an mich haben mag. In Ihre Hände leg' ich diese Rechte nieder, mit Ihrem Vater will ich das etwa Nöthige besprechen, Ihrem Rath, Ihrer Leitung vertraue ich die Zukunft des Knaben, ich werde mich in Allem durch Ihr Urtheil bestimmen lassen. So ist es recht; das ist wohlwollend und ehrlich, und ich bitte, Gertr. Sie herzlich, mir zu verzeihen, daß ich Sie lange Zeit ungerecht beurtheilt habe. Wald, Gutes Mädchen, sie bittet mich um Verzeihung. — (bei Seite). Noch eine Frage. Die Fürstin interessirte sich für dies Kind, glauben Sie, daß irgend ein Gerücht über meine Stellung zu dem Knaben ihr Ohr erreicht hat. Das glaube ich nicht. Nie hat mein Vater, nie habe ich ein Wort Gertr. gegen die Nachbarn geäußert; ich weiß nur, daß sich vor einigen Jahren ein hä߬ liches Geschwätz verbreitet hatte, aber es verschwand wieder. Wald. Und was war das? Es war Nichts, es traf nicht Sie, nur mich ging es an. Es war Gertr. eine Verleumdung, die mir damals Thränen gekostet hat. Aber ich konnte mich rechtfertigen; es wohnen noch Leute hier, welche die Mutter des Kindes gekannt haben. Von dieser ein andermal. Ich mühe mich vergebens ihre Person, Wald. ihr Wesen mir lebhast vorzustellen, aber das Bild der Armen verschwimmt mir ans seltsame Weise mit dem Gesicht und Wesen einer andern Dame, mit der ich be¬ freundet bin. — Doch es wird spät, und mich ruft ein Versprechen ab. Ich kam her mit kalter Gleichgiltigkeit gegen die neue Beziehung meines Lebens, und ich scheide voll Bewunderung von dem, was ich hier gefunden. Gertrud, es ist mei¬ nem Stolz peinlich, Ihnen gegenüber klein und herzlos dnzustchn. Ich möchte gegen Sie, die Ehrliche, wenigstens das Selbstgefühl der Aufrichtigkeit behaupten, und deshalb gestehe ich ihnen, daß ich noch jetzt für den Knaben wenig Pflicht¬ gefühl in mir trage, was ich thue, geschieht, weil ich für Sie Hochachtung em¬ pfinde und Ihnen gefallen will. Gertr. Wie können Sie dem Hans gut sein? Sie sind ihm ja fremd. O sie werden ihn einst lieben. Wald, Ich will mich mühen, da es Ihnen Freude macht. Des- (lächelnd).

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/300>, abgerufen am 23.07.2024.