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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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ein leuchtender Seitenblick hinter die Coulissen dieser äußerlich glänzenden, im
Innern faulen und nichtswürdigen Welt; als letzte Lösung der dramatischen
Situation der Selbstmord; von den Richtern selbst der eine und der andere vor
die Schranken geführt; die höchsten Kreise der Verwaltung und Justiz der Feil¬
heit, des Betrugs überwiesen -- wer dies alles sich lebhaft ausmalt, wird in dem
moralischen Banquerout der anerkannten Gesellschaft die illusorische Möglichkeit der
socialistischen Träumereien begreifen.

Das Gefühl hat schon in frühern Zeiten lebhaft genug gesprochen. Bei
uns strömte es unschädlich in den Poesien der Stürmer und Dränger, in der
weichen Empfindsamkeit der Siegwart-Romane aus. Der Franzose sagt rasch:
die Welt ist faul; weg mit ihr, um die neue aus ihren Trümmern zu erbauen!
Bei ihrem großen Talent für Organisation haben sie auch augenblicklich ein Sy¬
stem; mit dem Costum saugen sie an, wie die Schüler Se. Simon's; ist der
Hierophantenrock fertig, das Uebrige wird sich finden; einige allgemeine Sätze,
mehr witzig als etes -- 1-t prouiivtv c'est lo vol u. tgi., dann schnell in eine
Speculation übergegangen; mißglückt sie, el, bien! es wird sich bald ein neues
Kleid finden. Jerome Paturot, der die wahre Bestimmung des Menschen sucht,
ist, so einfältig seine Maske aussieht, das leibhaftige Bild des Franzosen; man
vergleiche ihn mit dem morosen, mystischen Ritter ^unsers nordischen Todes¬
philosophen, und man hat die beiden Nationen in der Skizze. In Frankreich
fangen die geheimen Verbindungen auch mit bunten Symbolen an, wie unsre Orden
im vorigen Jahrhundert; aber sind sie fertig und läßt sich das auf die Fahne
geschriebene System nicht augenblicklich verwirklichen, so sind sie schnell bereit, für
andere Zwecke loszuschlagen. Gleichheit aller Menschen! Einheit der Arbeit und
des Genusses! ein prächtiges Symbol, aber wenn es damit nicht geht: Republik,
oder Kloire <le la xnuxlv inttioii, oder Emeute ins Blaue hinein. Wenn Louis
Blaue die Organisation der Arbeit nicht rasch ins Werk setzt, wenn durch einen
Barrikadenkampf die Identität der Arbeit und des Genusses uicht unmittelbar durch¬
zuführen ist, etwas muß doch geschehen, man ruft: vivo 1'emporenr! Es lebe, wer
nur irgend etwas Neues gibt, nieder mit der Republik ach twnnvt"Z8 ^eus, denn
anständige Leute köunen wir alle Tage scheu. So schnell Fourrier seine Phantasie
bis in die kleinste" Rubriken hin registrirte, so schnell findet sich die Emeute zu¬
sammen, die der rothen Fahne folgt.

Bei dieser Skizze der verschiedenen Nuancen der Opposition habe ich bis jetzt
eine übergangen, die schlechteste von allen: die Legitimisten. Wenn der alte Adel
des Faubourg Se. Germain sich von dem neuen Hos und Staat zurückzog, so
war das zum Theil nur ein Vorwand, der allgemeinen Blastrthcit gegen die po¬
litische Anstrengung eine ästhetische Folie zu geben; die Ironie gewann einen An¬
strich von Berechtigung. Wenn die Clerisei die Bigotterie des Volks benutzte,
um in scheinbarer Vertretung der Volksrechte das alte Reich des Aberglaubens


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ein leuchtender Seitenblick hinter die Coulissen dieser äußerlich glänzenden, im
Innern faulen und nichtswürdigen Welt; als letzte Lösung der dramatischen
Situation der Selbstmord; von den Richtern selbst der eine und der andere vor
die Schranken geführt; die höchsten Kreise der Verwaltung und Justiz der Feil¬
heit, des Betrugs überwiesen — wer dies alles sich lebhaft ausmalt, wird in dem
moralischen Banquerout der anerkannten Gesellschaft die illusorische Möglichkeit der
socialistischen Träumereien begreifen.

Das Gefühl hat schon in frühern Zeiten lebhaft genug gesprochen. Bei
uns strömte es unschädlich in den Poesien der Stürmer und Dränger, in der
weichen Empfindsamkeit der Siegwart-Romane aus. Der Franzose sagt rasch:
die Welt ist faul; weg mit ihr, um die neue aus ihren Trümmern zu erbauen!
Bei ihrem großen Talent für Organisation haben sie auch augenblicklich ein Sy¬
stem; mit dem Costum saugen sie an, wie die Schüler Se. Simon's; ist der
Hierophantenrock fertig, das Uebrige wird sich finden; einige allgemeine Sätze,
mehr witzig als etes — 1-t prouiivtv c'est lo vol u. tgi., dann schnell in eine
Speculation übergegangen; mißglückt sie, el, bien! es wird sich bald ein neues
Kleid finden. Jerome Paturot, der die wahre Bestimmung des Menschen sucht,
ist, so einfältig seine Maske aussieht, das leibhaftige Bild des Franzosen; man
vergleiche ihn mit dem morosen, mystischen Ritter ^unsers nordischen Todes¬
philosophen, und man hat die beiden Nationen in der Skizze. In Frankreich
fangen die geheimen Verbindungen auch mit bunten Symbolen an, wie unsre Orden
im vorigen Jahrhundert; aber sind sie fertig und läßt sich das auf die Fahne
geschriebene System nicht augenblicklich verwirklichen, so sind sie schnell bereit, für
andere Zwecke loszuschlagen. Gleichheit aller Menschen! Einheit der Arbeit und
des Genusses! ein prächtiges Symbol, aber wenn es damit nicht geht: Republik,
oder Kloire <le la xnuxlv inttioii, oder Emeute ins Blaue hinein. Wenn Louis
Blaue die Organisation der Arbeit nicht rasch ins Werk setzt, wenn durch einen
Barrikadenkampf die Identität der Arbeit und des Genusses uicht unmittelbar durch¬
zuführen ist, etwas muß doch geschehen, man ruft: vivo 1'emporenr! Es lebe, wer
nur irgend etwas Neues gibt, nieder mit der Republik ach twnnvt«Z8 ^eus, denn
anständige Leute köunen wir alle Tage scheu. So schnell Fourrier seine Phantasie
bis in die kleinste» Rubriken hin registrirte, so schnell findet sich die Emeute zu¬
sammen, die der rothen Fahne folgt.

Bei dieser Skizze der verschiedenen Nuancen der Opposition habe ich bis jetzt
eine übergangen, die schlechteste von allen: die Legitimisten. Wenn der alte Adel
des Faubourg Se. Germain sich von dem neuen Hos und Staat zurückzog, so
war das zum Theil nur ein Vorwand, der allgemeinen Blastrthcit gegen die po¬
litische Anstrengung eine ästhetische Folie zu geben; die Ironie gewann einen An¬
strich von Berechtigung. Wenn die Clerisei die Bigotterie des Volks benutzte,
um in scheinbarer Vertretung der Volksrechte das alte Reich des Aberglaubens


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/27>, abgerufen am 23.12.2024.