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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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des rein und urdeutschen Blutes gegen diese Bastardstaaten mit ihrem nur durch
einen schwachen deutschen Firniß überdeckten slavischen und wendischen Blute sei.
Alle echt deutschen Tugenden im Stile des frisch, frei, fröhlich, fromm der bur-
schenschaftlichen Romantik der zwanziger Jahre fließen auf mysteriöse Weise be¬
kanntlich aus dem Blut, wie hätte es uicht Pflicht und Stolz zugleich für den
gekrönten Burschenschafter sein sollen, sein kerndeutsches Baiern groß und stark
und selbstständig zu machen? Zumal da sich sein Eigensinn, den er ebenfalls von
Jngend neben und mit dem Deutschthum groß gezogen, dabei so wohl befand.
Mit gutem Gewissen durfte er nun auf seine Souveränität pochen, die er so zärt¬
lich, schwärmerisch liebte, wie kein anderes fürstliches Haupt. Es war in ihr ja
zugleich der Inbegriff seines Gemüths- und Phantasielebens enthalten.

Daß der jetzige König die Bahn seiner Altvordern nicht zu verlassen gedenkt,
hat sich in den neun Monaten seiner Regierung genugsam erprobt. Von seiner
ersten Ansprache an sein Volk nach seiner noch immer etwas mystischen Thron¬
besteigung an bis zu der Thronrede, die er vor kurzem gehalten, athmet alles
den spezifisch - bairischen Geist, und zwar viel unverholener als zu König Ludwigs
Tagen, eben weil bei ihm, der eine durchaus nüchterne und verständige Natur
zu sein scheint, jene deutschthümelude Romantik wegfällt. Man kann doch wohl
nicht theilnahmloser, um nicht zu sagen herzloser, über Deutschlands gegenwärtiges
Ringen sprechen, als in der berüchtigten Passage der erwähnten Thronrede : "Alle
deutschen Stämme bewegt der Drang nach einer lebenskräftigen, das gesammte
Deutschland umfassenden Einigung. Auch mich beseelt dieses Streben, und vereint
mit Ihnen hoffe ich das schöne Ziel zu erreichen." So viel man in das geheim¬
nißvolle Getriebe der bairischen Politik in Bezug auf die Einheitsfrage hinein zu
schauen vermochte -- sie versteht es noch meisterlich, sich in den alten Diplomaten-
Nimbns zu hüllen -- haben die Thaten den Worten entsprochen und unzählige
heftige Jnvectiven von allen Seiten werden sie so wenig für die Zukunft aus ihrem
Geleise bringen, als sie es bis jetzt vermochten. --

Wenn man will ist also das schlimmste nur irgend denkbare in der Lebens¬
frage Deutschlands von Baiern zu erwarten, d. h. von dem König und dem
Systeme, es fragt sich nur, wie weit reichen seine Kräfte? wie weit kann
sich das vairische System der deutschen Politik auf die Unterstützung des Volks
verlassen, über welche Kräfte kann es im Volke, im weitesten Sinne des Worts,
gebieten? Auch hierüber herrscht in unserer Presse die größte Konfusion der An¬
sichten und die Baiern hüten sich wohl sie aufzuklären.

Zunächst die Armee. Die Augsburgerin war es, welche von Zeit zu Zeit
mit Befriedigung, aber in vornehm zurückhaltendem Tone Bemerkungen über den
Zustand des königlich bairischen Heeres brachte. Sie schöpfte dabei, wie ich zu¬
fällig mich zu überzeugen Gelegenheit hatte, aus den besten Quellen und ließ sich
nur selten in der Freude ihres Herzens zu einer kleinen Uebertreibung fortreißen,


Srenzbote". I. ZZ

des rein und urdeutschen Blutes gegen diese Bastardstaaten mit ihrem nur durch
einen schwachen deutschen Firniß überdeckten slavischen und wendischen Blute sei.
Alle echt deutschen Tugenden im Stile des frisch, frei, fröhlich, fromm der bur-
schenschaftlichen Romantik der zwanziger Jahre fließen auf mysteriöse Weise be¬
kanntlich aus dem Blut, wie hätte es uicht Pflicht und Stolz zugleich für den
gekrönten Burschenschafter sein sollen, sein kerndeutsches Baiern groß und stark
und selbstständig zu machen? Zumal da sich sein Eigensinn, den er ebenfalls von
Jngend neben und mit dem Deutschthum groß gezogen, dabei so wohl befand.
Mit gutem Gewissen durfte er nun auf seine Souveränität pochen, die er so zärt¬
lich, schwärmerisch liebte, wie kein anderes fürstliches Haupt. Es war in ihr ja
zugleich der Inbegriff seines Gemüths- und Phantasielebens enthalten.

Daß der jetzige König die Bahn seiner Altvordern nicht zu verlassen gedenkt,
hat sich in den neun Monaten seiner Regierung genugsam erprobt. Von seiner
ersten Ansprache an sein Volk nach seiner noch immer etwas mystischen Thron¬
besteigung an bis zu der Thronrede, die er vor kurzem gehalten, athmet alles
den spezifisch - bairischen Geist, und zwar viel unverholener als zu König Ludwigs
Tagen, eben weil bei ihm, der eine durchaus nüchterne und verständige Natur
zu sein scheint, jene deutschthümelude Romantik wegfällt. Man kann doch wohl
nicht theilnahmloser, um nicht zu sagen herzloser, über Deutschlands gegenwärtiges
Ringen sprechen, als in der berüchtigten Passage der erwähnten Thronrede : „Alle
deutschen Stämme bewegt der Drang nach einer lebenskräftigen, das gesammte
Deutschland umfassenden Einigung. Auch mich beseelt dieses Streben, und vereint
mit Ihnen hoffe ich das schöne Ziel zu erreichen." So viel man in das geheim¬
nißvolle Getriebe der bairischen Politik in Bezug auf die Einheitsfrage hinein zu
schauen vermochte — sie versteht es noch meisterlich, sich in den alten Diplomaten-
Nimbns zu hüllen — haben die Thaten den Worten entsprochen und unzählige
heftige Jnvectiven von allen Seiten werden sie so wenig für die Zukunft aus ihrem
Geleise bringen, als sie es bis jetzt vermochten. —

Wenn man will ist also das schlimmste nur irgend denkbare in der Lebens¬
frage Deutschlands von Baiern zu erwarten, d. h. von dem König und dem
Systeme, es fragt sich nur, wie weit reichen seine Kräfte? wie weit kann
sich das vairische System der deutschen Politik auf die Unterstützung des Volks
verlassen, über welche Kräfte kann es im Volke, im weitesten Sinne des Worts,
gebieten? Auch hierüber herrscht in unserer Presse die größte Konfusion der An¬
sichten und die Baiern hüten sich wohl sie aufzuklären.

Zunächst die Armee. Die Augsburgerin war es, welche von Zeit zu Zeit
mit Befriedigung, aber in vornehm zurückhaltendem Tone Bemerkungen über den
Zustand des königlich bairischen Heeres brachte. Sie schöpfte dabei, wie ich zu¬
fällig mich zu überzeugen Gelegenheit hatte, aus den besten Quellen und ließ sich
nur selten in der Freude ihres Herzens zu einer kleinen Uebertreibung fortreißen,


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[0265] des rein und urdeutschen Blutes gegen diese Bastardstaaten mit ihrem nur durch einen schwachen deutschen Firniß überdeckten slavischen und wendischen Blute sei. Alle echt deutschen Tugenden im Stile des frisch, frei, fröhlich, fromm der bur- schenschaftlichen Romantik der zwanziger Jahre fließen auf mysteriöse Weise be¬ kanntlich aus dem Blut, wie hätte es uicht Pflicht und Stolz zugleich für den gekrönten Burschenschafter sein sollen, sein kerndeutsches Baiern groß und stark und selbstständig zu machen? Zumal da sich sein Eigensinn, den er ebenfalls von Jngend neben und mit dem Deutschthum groß gezogen, dabei so wohl befand. Mit gutem Gewissen durfte er nun auf seine Souveränität pochen, die er so zärt¬ lich, schwärmerisch liebte, wie kein anderes fürstliches Haupt. Es war in ihr ja zugleich der Inbegriff seines Gemüths- und Phantasielebens enthalten. Daß der jetzige König die Bahn seiner Altvordern nicht zu verlassen gedenkt, hat sich in den neun Monaten seiner Regierung genugsam erprobt. Von seiner ersten Ansprache an sein Volk nach seiner noch immer etwas mystischen Thron¬ besteigung an bis zu der Thronrede, die er vor kurzem gehalten, athmet alles den spezifisch - bairischen Geist, und zwar viel unverholener als zu König Ludwigs Tagen, eben weil bei ihm, der eine durchaus nüchterne und verständige Natur zu sein scheint, jene deutschthümelude Romantik wegfällt. Man kann doch wohl nicht theilnahmloser, um nicht zu sagen herzloser, über Deutschlands gegenwärtiges Ringen sprechen, als in der berüchtigten Passage der erwähnten Thronrede : „Alle deutschen Stämme bewegt der Drang nach einer lebenskräftigen, das gesammte Deutschland umfassenden Einigung. Auch mich beseelt dieses Streben, und vereint mit Ihnen hoffe ich das schöne Ziel zu erreichen." So viel man in das geheim¬ nißvolle Getriebe der bairischen Politik in Bezug auf die Einheitsfrage hinein zu schauen vermochte — sie versteht es noch meisterlich, sich in den alten Diplomaten- Nimbns zu hüllen — haben die Thaten den Worten entsprochen und unzählige heftige Jnvectiven von allen Seiten werden sie so wenig für die Zukunft aus ihrem Geleise bringen, als sie es bis jetzt vermochten. — Wenn man will ist also das schlimmste nur irgend denkbare in der Lebens¬ frage Deutschlands von Baiern zu erwarten, d. h. von dem König und dem Systeme, es fragt sich nur, wie weit reichen seine Kräfte? wie weit kann sich das vairische System der deutschen Politik auf die Unterstützung des Volks verlassen, über welche Kräfte kann es im Volke, im weitesten Sinne des Worts, gebieten? Auch hierüber herrscht in unserer Presse die größte Konfusion der An¬ sichten und die Baiern hüten sich wohl sie aufzuklären. Zunächst die Armee. Die Augsburgerin war es, welche von Zeit zu Zeit mit Befriedigung, aber in vornehm zurückhaltendem Tone Bemerkungen über den Zustand des königlich bairischen Heeres brachte. Sie schöpfte dabei, wie ich zu¬ fällig mich zu überzeugen Gelegenheit hatte, aus den besten Quellen und ließ sich nur selten in der Freude ihres Herzens zu einer kleinen Uebertreibung fortreißen, Srenzbote». I. ZZ

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/265>, abgerufen am 23.12.2024.