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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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Der Verfasser hat auch diesmal versucht, die Sprache und Vorstellungsweise des
17. Jahrhunderts, in welchem die neue Hexcngcschichtc spielt, so treu als möglich
nachzuahmen. Tritt auch die moderne Anschauung und Tendenz des supranaturalistischen
Pastors, der auch die leichtfertige Poesie zu heiligen Zwecken verwenden will, zuweilen
stark genug hervor, so ist doch die Mühe, drei starke Bände hindurch den eigenthüm¬
lichen Jargon jener Zeit festzuhalten, rühmlichst anzuerkennen. -- Ich denke, unser
Publikum ist von den eben so stereotypen als farblosen Bildern unserer jungen Belle¬
tristen so übersättigt, daß es sich an der Rarität un:in<1-i"6mo erfreut, wenn sie ihm
nur den Schein der Eigenthümlichkeit bietet.

3) Briefe über Alexander von Humboldt's Kosmos. Ein Commentar
zu diesem Werke für gebildete Laien. Von Prof. Bernhard Cotta. Erster
Theil. Leipzig, Weigel.

Ein höchst schätzbares Werk, welches Verbreitung in weiteren Kreisen verdient.
Die geniale Schöpfung des großen Naturforschers, von der wir auch in diesen Blättern
einen Abriß gegeben haben, verdankte ihren zahlreichen Leserkreis mehr ihrem Namen
als ihrem Inhalt; sie setzte, um ein wahrhaft eingehendes Verständniß möglich zu
machen, vielfältige Kenntnisse voraus, die einem gebildeten Laien fremd zu sein pflegen.
Diesem Bedürfniß hilft der Commentar ab, der über alle Fragen, welche einzelne ge¬
lehrte Anspielungen im Kosmos erregen, die gründlichsten Aufschlüsse gibt, und an dem
nnr das Eine auszusetzen sein dürfte, daß er sich zuweilen gar zu populär hält, so
daß man zuletzt gar nicht mehr recht weiß, sür welchen Grad der Bildung er eigent¬
lich geschrieben ist.

4) Album des literarischen Vereins in Nürnberg sür 1849. Nürnberg, Bauer
und Raspe.

Das Album enthält zwei dankenswerthe literarhistorische Aufsätze, über Sebastian
Braut's Narrenschiff und das altindische Epos die Kuruiuge, begleitet von einigen
ästhetischen Abhandlungen und Gedichten. Aus der zweiten Abhandlung, die allgemein
interessiren wird, entlehnen wir die Beschreibung einer indischen Schönheit:


Mein Weib ist weder "roß noch klein,
Und nicht zu mager, noch zu dick;
Mit schwarzen krausen Haaren geschmückt,
Mit rundem Lokosangcsicht.
Sie ist von Schönheit, Art und Gemüth,
Ganz wie ein Mann sie wünschen mag.
Sie schläft zuletzt, und wacht zuerst.
Und we.si stets, wie sie reden soll.

5) Kritische Schriften. Zinn ersten Male gesammelt und mit Vorrede herausgegeben
von Ludwig Tieck. 2 Bde. Leipzig, Brockhaus.

Ein wunderlicher Gegensatz, wenn man die beschaulich Göthesche Vorrede des al¬
ten Herrn mit der revolutionären Aesthetik seiner Jugend vergleicht, wie sie uns i"
den Abhandlungen entgegentritt. Es sind theils Journalartikel aus den Jahren 1793
bis 1803. theils Vorreden zu den Sammlungen, mit denen sich Tieck in der Restau-
rationszeit vorzugsweise beschäftigte. Die Abhandlung über Heinrich von Kleist dürste
pie gelungenste sein. Hat auch in neuerer Zeit durch die Entwickelung der modernen


Der Verfasser hat auch diesmal versucht, die Sprache und Vorstellungsweise des
17. Jahrhunderts, in welchem die neue Hexcngcschichtc spielt, so treu als möglich
nachzuahmen. Tritt auch die moderne Anschauung und Tendenz des supranaturalistischen
Pastors, der auch die leichtfertige Poesie zu heiligen Zwecken verwenden will, zuweilen
stark genug hervor, so ist doch die Mühe, drei starke Bände hindurch den eigenthüm¬
lichen Jargon jener Zeit festzuhalten, rühmlichst anzuerkennen. — Ich denke, unser
Publikum ist von den eben so stereotypen als farblosen Bildern unserer jungen Belle¬
tristen so übersättigt, daß es sich an der Rarität un:in<1-i»6mo erfreut, wenn sie ihm
nur den Schein der Eigenthümlichkeit bietet.

3) Briefe über Alexander von Humboldt's Kosmos. Ein Commentar
zu diesem Werke für gebildete Laien. Von Prof. Bernhard Cotta. Erster
Theil. Leipzig, Weigel.

Ein höchst schätzbares Werk, welches Verbreitung in weiteren Kreisen verdient.
Die geniale Schöpfung des großen Naturforschers, von der wir auch in diesen Blättern
einen Abriß gegeben haben, verdankte ihren zahlreichen Leserkreis mehr ihrem Namen
als ihrem Inhalt; sie setzte, um ein wahrhaft eingehendes Verständniß möglich zu
machen, vielfältige Kenntnisse voraus, die einem gebildeten Laien fremd zu sein pflegen.
Diesem Bedürfniß hilft der Commentar ab, der über alle Fragen, welche einzelne ge¬
lehrte Anspielungen im Kosmos erregen, die gründlichsten Aufschlüsse gibt, und an dem
nnr das Eine auszusetzen sein dürfte, daß er sich zuweilen gar zu populär hält, so
daß man zuletzt gar nicht mehr recht weiß, sür welchen Grad der Bildung er eigent¬
lich geschrieben ist.

4) Album des literarischen Vereins in Nürnberg sür 1849. Nürnberg, Bauer
und Raspe.

Das Album enthält zwei dankenswerthe literarhistorische Aufsätze, über Sebastian
Braut's Narrenschiff und das altindische Epos die Kuruiuge, begleitet von einigen
ästhetischen Abhandlungen und Gedichten. Aus der zweiten Abhandlung, die allgemein
interessiren wird, entlehnen wir die Beschreibung einer indischen Schönheit:


Mein Weib ist weder «roß noch klein,
Und nicht zu mager, noch zu dick;
Mit schwarzen krausen Haaren geschmückt,
Mit rundem Lokosangcsicht.
Sie ist von Schönheit, Art und Gemüth,
Ganz wie ein Mann sie wünschen mag.
Sie schläft zuletzt, und wacht zuerst.
Und we.si stets, wie sie reden soll.

5) Kritische Schriften. Zinn ersten Male gesammelt und mit Vorrede herausgegeben
von Ludwig Tieck. 2 Bde. Leipzig, Brockhaus.

Ein wunderlicher Gegensatz, wenn man die beschaulich Göthesche Vorrede des al¬
ten Herrn mit der revolutionären Aesthetik seiner Jugend vergleicht, wie sie uns i»
den Abhandlungen entgegentritt. Es sind theils Journalartikel aus den Jahren 1793
bis 1803. theils Vorreden zu den Sammlungen, mit denen sich Tieck in der Restau-
rationszeit vorzugsweise beschäftigte. Die Abhandlung über Heinrich von Kleist dürste
pie gelungenste sein. Hat auch in neuerer Zeit durch die Entwickelung der modernen


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[0246] Der Verfasser hat auch diesmal versucht, die Sprache und Vorstellungsweise des 17. Jahrhunderts, in welchem die neue Hexcngcschichtc spielt, so treu als möglich nachzuahmen. Tritt auch die moderne Anschauung und Tendenz des supranaturalistischen Pastors, der auch die leichtfertige Poesie zu heiligen Zwecken verwenden will, zuweilen stark genug hervor, so ist doch die Mühe, drei starke Bände hindurch den eigenthüm¬ lichen Jargon jener Zeit festzuhalten, rühmlichst anzuerkennen. — Ich denke, unser Publikum ist von den eben so stereotypen als farblosen Bildern unserer jungen Belle¬ tristen so übersättigt, daß es sich an der Rarität un:in<1-i»6mo erfreut, wenn sie ihm nur den Schein der Eigenthümlichkeit bietet. 3) Briefe über Alexander von Humboldt's Kosmos. Ein Commentar zu diesem Werke für gebildete Laien. Von Prof. Bernhard Cotta. Erster Theil. Leipzig, Weigel. Ein höchst schätzbares Werk, welches Verbreitung in weiteren Kreisen verdient. Die geniale Schöpfung des großen Naturforschers, von der wir auch in diesen Blättern einen Abriß gegeben haben, verdankte ihren zahlreichen Leserkreis mehr ihrem Namen als ihrem Inhalt; sie setzte, um ein wahrhaft eingehendes Verständniß möglich zu machen, vielfältige Kenntnisse voraus, die einem gebildeten Laien fremd zu sein pflegen. Diesem Bedürfniß hilft der Commentar ab, der über alle Fragen, welche einzelne ge¬ lehrte Anspielungen im Kosmos erregen, die gründlichsten Aufschlüsse gibt, und an dem nnr das Eine auszusetzen sein dürfte, daß er sich zuweilen gar zu populär hält, so daß man zuletzt gar nicht mehr recht weiß, sür welchen Grad der Bildung er eigent¬ lich geschrieben ist. 4) Album des literarischen Vereins in Nürnberg sür 1849. Nürnberg, Bauer und Raspe. Das Album enthält zwei dankenswerthe literarhistorische Aufsätze, über Sebastian Braut's Narrenschiff und das altindische Epos die Kuruiuge, begleitet von einigen ästhetischen Abhandlungen und Gedichten. Aus der zweiten Abhandlung, die allgemein interessiren wird, entlehnen wir die Beschreibung einer indischen Schönheit: Mein Weib ist weder «roß noch klein, Und nicht zu mager, noch zu dick; Mit schwarzen krausen Haaren geschmückt, Mit rundem Lokosangcsicht. Sie ist von Schönheit, Art und Gemüth, Ganz wie ein Mann sie wünschen mag. Sie schläft zuletzt, und wacht zuerst. Und we.si stets, wie sie reden soll. 5) Kritische Schriften. Zinn ersten Male gesammelt und mit Vorrede herausgegeben von Ludwig Tieck. 2 Bde. Leipzig, Brockhaus. Ein wunderlicher Gegensatz, wenn man die beschaulich Göthesche Vorrede des al¬ ten Herrn mit der revolutionären Aesthetik seiner Jugend vergleicht, wie sie uns i» den Abhandlungen entgegentritt. Es sind theils Journalartikel aus den Jahren 1793 bis 1803. theils Vorreden zu den Sammlungen, mit denen sich Tieck in der Restau- rationszeit vorzugsweise beschäftigte. Die Abhandlung über Heinrich von Kleist dürste pie gelungenste sein. Hat auch in neuerer Zeit durch die Entwickelung der modernen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/246>, abgerufen am 23.07.2024.