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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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Jacke zu bis an den Hals. "Am Tage hatte ich dort mit gedroschen, da hatte ich
mir schon zurechtgelegt und Schicht gemacht. Wir haben vier Sack Gerste geholt,
die Säcke mit eingerechnet, die hatt' ich bei der Ernte mit eingealtcrt, daß nur
ich sie finden konnte. Und da der Monden nicht schien, der Wächter schlief und
kein Mäusla sich rührte, so haben wir's gleich auf der Karre in den Wald ge¬
schafft." -- "Aber der rothe Hund an der Scheunenecke, sagte der nichts?" --
"Er schlug wohl an, aber da er mich erkannte, mochte er denken, es sollte so
sein." -- Die würdigen Männer liebäugelte" einen Augenblick mit den vollen Ge¬
treidesäcken, darauf erzählte der Nachbar des Aals, ein baumlanger Riese, wie
er die Eisenstäbe des Gewölbes an einem Herrenhaus auseinandergebogen hätte,
indem er mit den herculischen Fäusten die entsprechenden Pantomimen machte, dann
habe er seinen Jungen hereingeschickt. Die Beute waren einige Speckseiten und
einige Quart Butter, die auf einer "geblümten" Schüssel lagen. -- "Die Schüssel
muß zerschlagen werden," sagte Wilhelm und trat mit seinem Stiefel auf daS
feine Porzellan, daß es in viele Splitter zerschellte. "Tie Scherben müßt Ihr
vergraben."

"Der Waldbeläufer hat zwei Schinken im Schornstein," bemerkte Jonas mit
dem Stirnbande lüstern. -- "Ich hab' Dir verboten mit dem Waldbeläufer wieder
anzubinden, Du Schuft!" fuhr Wilhelm auf, "Dn fängst immer am unrechten
Ende an. Vorwärts zur Vertheilung!" -- Wilhelm gab jedem ein gleiches Maaß,
das sie in ihren Taschen oder in Tüchern verbargen, uur Jonas bekam ein schwä¬
cheres Maaß und ein kleineres Stück Speck. Er sagte nichts, aber aus seinem
Kvhlenauge schoß ein tückischer Blick auf Wilhelm, den dieser mit Verachtung er¬
wiederte. "Heut' ist's das letzte Mal, daß wir hier theilen," sprach Wilhelm.
"Die Sonne der Erlösung wird bald scheinen für die Armuth; aller Enden ar¬
beiten sie für uns, jetzt müssen wir auch das Unsrige thun. Zu Breslau soll'S
abgemacht werden, dort sind sie in großer Noth und handgemein mit den Sol"
baten und Gens'darum. An der Eisenbahn in Freiburg versammeln sich Alle,
die aus dem Gebirge zugezogen sind, und werden uns ein Zeichen geben und
Feuer an den Bergen auszuüben, daß sich jeder anschließt, der mitarbeiten will
an unserer Erlösung. Wir sind lange die Hunde gewesen, die unterm Tisch die
Knochen nagen, jetzt wollen wir uns auch einmal auf ihre Stühle setzen, bis hier¬
her waren die Reichen oben, jetzt wird sich das Rad wenden und wir werden
heraufkommen. Gleichwohl glaube ich, daß sie nicht gutwillig zunicken werden,
aber dafür soll uns das hier helfen." Er warf die Holzscheite zurück und einige
alte Gewehre und Holzäxte wurden sichtbar. "Nehmt und schlagt drauf, wenn's
Zeit ist." Das Gefindel warf sich über die Grube und ein Summen tönte unter
der Eiche, wie es die Bäre hören lassen, wenn sie um einen Fraß zusammen,
sitzen und sich die Ohren krauen. "Stille!" gebot Wilhelm, "die Förster find
feit der Jagd noch im Walde, haltet Euch einzeln ans der Chaussee, daß uns


Jacke zu bis an den Hals. „Am Tage hatte ich dort mit gedroschen, da hatte ich
mir schon zurechtgelegt und Schicht gemacht. Wir haben vier Sack Gerste geholt,
die Säcke mit eingerechnet, die hatt' ich bei der Ernte mit eingealtcrt, daß nur
ich sie finden konnte. Und da der Monden nicht schien, der Wächter schlief und
kein Mäusla sich rührte, so haben wir's gleich auf der Karre in den Wald ge¬
schafft." — „Aber der rothe Hund an der Scheunenecke, sagte der nichts?" —
„Er schlug wohl an, aber da er mich erkannte, mochte er denken, es sollte so
sein." — Die würdigen Männer liebäugelte» einen Augenblick mit den vollen Ge¬
treidesäcken, darauf erzählte der Nachbar des Aals, ein baumlanger Riese, wie
er die Eisenstäbe des Gewölbes an einem Herrenhaus auseinandergebogen hätte,
indem er mit den herculischen Fäusten die entsprechenden Pantomimen machte, dann
habe er seinen Jungen hereingeschickt. Die Beute waren einige Speckseiten und
einige Quart Butter, die auf einer „geblümten" Schüssel lagen. — „Die Schüssel
muß zerschlagen werden," sagte Wilhelm und trat mit seinem Stiefel auf daS
feine Porzellan, daß es in viele Splitter zerschellte. „Tie Scherben müßt Ihr
vergraben."

„Der Waldbeläufer hat zwei Schinken im Schornstein," bemerkte Jonas mit
dem Stirnbande lüstern. — „Ich hab' Dir verboten mit dem Waldbeläufer wieder
anzubinden, Du Schuft!" fuhr Wilhelm auf, „Dn fängst immer am unrechten
Ende an. Vorwärts zur Vertheilung!" — Wilhelm gab jedem ein gleiches Maaß,
das sie in ihren Taschen oder in Tüchern verbargen, uur Jonas bekam ein schwä¬
cheres Maaß und ein kleineres Stück Speck. Er sagte nichts, aber aus seinem
Kvhlenauge schoß ein tückischer Blick auf Wilhelm, den dieser mit Verachtung er¬
wiederte. „Heut' ist's das letzte Mal, daß wir hier theilen," sprach Wilhelm.
„Die Sonne der Erlösung wird bald scheinen für die Armuth; aller Enden ar¬
beiten sie für uns, jetzt müssen wir auch das Unsrige thun. Zu Breslau soll'S
abgemacht werden, dort sind sie in großer Noth und handgemein mit den Sol»
baten und Gens'darum. An der Eisenbahn in Freiburg versammeln sich Alle,
die aus dem Gebirge zugezogen sind, und werden uns ein Zeichen geben und
Feuer an den Bergen auszuüben, daß sich jeder anschließt, der mitarbeiten will
an unserer Erlösung. Wir sind lange die Hunde gewesen, die unterm Tisch die
Knochen nagen, jetzt wollen wir uns auch einmal auf ihre Stühle setzen, bis hier¬
her waren die Reichen oben, jetzt wird sich das Rad wenden und wir werden
heraufkommen. Gleichwohl glaube ich, daß sie nicht gutwillig zunicken werden,
aber dafür soll uns das hier helfen." Er warf die Holzscheite zurück und einige
alte Gewehre und Holzäxte wurden sichtbar. „Nehmt und schlagt drauf, wenn's
Zeit ist." Das Gefindel warf sich über die Grube und ein Summen tönte unter
der Eiche, wie es die Bäre hören lassen, wenn sie um einen Fraß zusammen,
sitzen und sich die Ohren krauen. „Stille!" gebot Wilhelm, „die Förster find
feit der Jagd noch im Walde, haltet Euch einzeln ans der Chaussee, daß uns


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/239>, abgerufen am 23.07.2024.