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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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zweig an der Mütze hat, der ist einer von uns, und wenn die Freiburger uns
ein Zeichen geben und Feuer auf den Bergen anzünden, dann ziehen wir los."

"Eine schöne Aussicht" brummte Alfred und drehte sich hastig um. Ein ge¬
zähmtes Reh war langsam und vorsichtig zu uns herangeschlichen, es verlängerte
seinen Hals und rock mit der seinen Nase an die parfümirten Locken meines Freun¬
des; plötzlich aber schnellte es zurück und stieß einen Ton aus, der wie das Pfei¬
fe" eines Vogels klang. "Ich muß fort," sagte Rose, "die LiSla pfeift, da ist
immer etwas Fremdes in der Nähe."

Jetzt spränge" wir auf und drangen keck durch die Steine, die Schauspieler
dieser kleinen Scene auch zu sehen. An den Stamm einer Ulme lehnte sich eine Dirne,
sie war allein und von den knorrigen Aesten und feinen blätterlosen Zweigen des
Baumes so umzogen, daß sie wie eine Dryade mit ihm verwachsen schien. Neben ihr
stand das Reh, welches bei unserem Anblick die Höhe hinabflog. Nicht ohne leich¬
ten Schrecken, zwei fremde Männer vor sich zu sehen, sagte sie dem Reh nachse¬
hend mit gewinnender Freundlichkeit: o es kommt wieder, es ist an mich gewöhnt!
Auf unsern Wunsch führte sie uns in das Hans. Der Grundriß dieses Gebäu¬
des hatte dem Baumeister keinen Kopfschmerz gemacht, es entsprach nur den nö¬
thigsten Anforderungen an eine menschliche Wohnung. Rechts eine Stube, links
eine Kammer, der Hausthür gegenüber ein Keller, zu welchem von außen eine
Thür führte und über dieser eine Leiter zum Bodenraum. -- In der Stube saß
eine alte Frau am grünen Kachelofen, sie war krank wie es schien, denn das
Mädchen breitete sorglich eine Decke, die von der Bank gefallen war, um ihren
Fuß und sagte dabei einige Worte über unser Erscheinen. Mürrisch rückte die
Alte mit ihrer Krücke die Schemel näher an einen Tisch von Tannenholz. Wir
hatten Muße die ärmliche Einrichtung zu betrachten, an der Wand hing über
einem blaubezogenen Bett ein Stutzen, daneben ein Madonnenbild, aus der an¬
der" Seite der Wand stand ein himmelblauer Kasten mit rothen Tulpen bemalt
und hinter dem Ofen ein alter wnrmstichicher Schrein mit Küchengerät!). Das
Mädchen aber war eine frische hübsche Gestalt in der ersten Jugendblüthe, auch
im Anzüge sauber und zierlich. Ihr purpurrvthes Kopftuch war malerischer ge¬
knüpft, als das der andern Bäuerinnen, mit weißen zierlichen Banschärmeln, einem
schwarzen Tuchmieder, durch drei gelbe Klammern zusammen gehalten, den dunklen
Rock mit breitem blauen Bande besetzt und die Arme behaglich in einander gelegt,
so saß sie lächelnd vor uns auf dem großen Kasten.

"Ist das hier eine Försterwohnung?" frug ich, auf den Stutzen weisend.
"O nein," sagte Rose, "der Vater ist nur Waldbelaufer, denn wenn er Förster
wäre, könnten wir uns auch eine Kuh halten. Aber der gnädige Herr meint es
gut mit dem Vater, weil er sich überall Rath weiß. Um Vergebung, die Herren
sind wohl auch von der Jagd?" frug sie neugierig. -- Wir bejahten. "Da


zweig an der Mütze hat, der ist einer von uns, und wenn die Freiburger uns
ein Zeichen geben und Feuer auf den Bergen anzünden, dann ziehen wir los."

„Eine schöne Aussicht" brummte Alfred und drehte sich hastig um. Ein ge¬
zähmtes Reh war langsam und vorsichtig zu uns herangeschlichen, es verlängerte
seinen Hals und rock mit der seinen Nase an die parfümirten Locken meines Freun¬
des; plötzlich aber schnellte es zurück und stieß einen Ton aus, der wie das Pfei¬
fe» eines Vogels klang. „Ich muß fort," sagte Rose, „die LiSla pfeift, da ist
immer etwas Fremdes in der Nähe."

Jetzt spränge» wir auf und drangen keck durch die Steine, die Schauspieler
dieser kleinen Scene auch zu sehen. An den Stamm einer Ulme lehnte sich eine Dirne,
sie war allein und von den knorrigen Aesten und feinen blätterlosen Zweigen des
Baumes so umzogen, daß sie wie eine Dryade mit ihm verwachsen schien. Neben ihr
stand das Reh, welches bei unserem Anblick die Höhe hinabflog. Nicht ohne leich¬
ten Schrecken, zwei fremde Männer vor sich zu sehen, sagte sie dem Reh nachse¬
hend mit gewinnender Freundlichkeit: o es kommt wieder, es ist an mich gewöhnt!
Auf unsern Wunsch führte sie uns in das Hans. Der Grundriß dieses Gebäu¬
des hatte dem Baumeister keinen Kopfschmerz gemacht, es entsprach nur den nö¬
thigsten Anforderungen an eine menschliche Wohnung. Rechts eine Stube, links
eine Kammer, der Hausthür gegenüber ein Keller, zu welchem von außen eine
Thür führte und über dieser eine Leiter zum Bodenraum. — In der Stube saß
eine alte Frau am grünen Kachelofen, sie war krank wie es schien, denn das
Mädchen breitete sorglich eine Decke, die von der Bank gefallen war, um ihren
Fuß und sagte dabei einige Worte über unser Erscheinen. Mürrisch rückte die
Alte mit ihrer Krücke die Schemel näher an einen Tisch von Tannenholz. Wir
hatten Muße die ärmliche Einrichtung zu betrachten, an der Wand hing über
einem blaubezogenen Bett ein Stutzen, daneben ein Madonnenbild, aus der an¬
der» Seite der Wand stand ein himmelblauer Kasten mit rothen Tulpen bemalt
und hinter dem Ofen ein alter wnrmstichicher Schrein mit Küchengerät!). Das
Mädchen aber war eine frische hübsche Gestalt in der ersten Jugendblüthe, auch
im Anzüge sauber und zierlich. Ihr purpurrvthes Kopftuch war malerischer ge¬
knüpft, als das der andern Bäuerinnen, mit weißen zierlichen Banschärmeln, einem
schwarzen Tuchmieder, durch drei gelbe Klammern zusammen gehalten, den dunklen
Rock mit breitem blauen Bande besetzt und die Arme behaglich in einander gelegt,
so saß sie lächelnd vor uns auf dem großen Kasten.

„Ist das hier eine Försterwohnung?" frug ich, auf den Stutzen weisend.
„O nein," sagte Rose, „der Vater ist nur Waldbelaufer, denn wenn er Förster
wäre, könnten wir uns auch eine Kuh halten. Aber der gnädige Herr meint es
gut mit dem Vater, weil er sich überall Rath weiß. Um Vergebung, die Herren
sind wohl auch von der Jagd?" frug sie neugierig. — Wir bejahten. „Da


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[0236] zweig an der Mütze hat, der ist einer von uns, und wenn die Freiburger uns ein Zeichen geben und Feuer auf den Bergen anzünden, dann ziehen wir los." „Eine schöne Aussicht" brummte Alfred und drehte sich hastig um. Ein ge¬ zähmtes Reh war langsam und vorsichtig zu uns herangeschlichen, es verlängerte seinen Hals und rock mit der seinen Nase an die parfümirten Locken meines Freun¬ des; plötzlich aber schnellte es zurück und stieß einen Ton aus, der wie das Pfei¬ fe» eines Vogels klang. „Ich muß fort," sagte Rose, „die LiSla pfeift, da ist immer etwas Fremdes in der Nähe." Jetzt spränge» wir auf und drangen keck durch die Steine, die Schauspieler dieser kleinen Scene auch zu sehen. An den Stamm einer Ulme lehnte sich eine Dirne, sie war allein und von den knorrigen Aesten und feinen blätterlosen Zweigen des Baumes so umzogen, daß sie wie eine Dryade mit ihm verwachsen schien. Neben ihr stand das Reh, welches bei unserem Anblick die Höhe hinabflog. Nicht ohne leich¬ ten Schrecken, zwei fremde Männer vor sich zu sehen, sagte sie dem Reh nachse¬ hend mit gewinnender Freundlichkeit: o es kommt wieder, es ist an mich gewöhnt! Auf unsern Wunsch führte sie uns in das Hans. Der Grundriß dieses Gebäu¬ des hatte dem Baumeister keinen Kopfschmerz gemacht, es entsprach nur den nö¬ thigsten Anforderungen an eine menschliche Wohnung. Rechts eine Stube, links eine Kammer, der Hausthür gegenüber ein Keller, zu welchem von außen eine Thür führte und über dieser eine Leiter zum Bodenraum. — In der Stube saß eine alte Frau am grünen Kachelofen, sie war krank wie es schien, denn das Mädchen breitete sorglich eine Decke, die von der Bank gefallen war, um ihren Fuß und sagte dabei einige Worte über unser Erscheinen. Mürrisch rückte die Alte mit ihrer Krücke die Schemel näher an einen Tisch von Tannenholz. Wir hatten Muße die ärmliche Einrichtung zu betrachten, an der Wand hing über einem blaubezogenen Bett ein Stutzen, daneben ein Madonnenbild, aus der an¬ der» Seite der Wand stand ein himmelblauer Kasten mit rothen Tulpen bemalt und hinter dem Ofen ein alter wnrmstichicher Schrein mit Küchengerät!). Das Mädchen aber war eine frische hübsche Gestalt in der ersten Jugendblüthe, auch im Anzüge sauber und zierlich. Ihr purpurrvthes Kopftuch war malerischer ge¬ knüpft, als das der andern Bäuerinnen, mit weißen zierlichen Banschärmeln, einem schwarzen Tuchmieder, durch drei gelbe Klammern zusammen gehalten, den dunklen Rock mit breitem blauen Bande besetzt und die Arme behaglich in einander gelegt, so saß sie lächelnd vor uns auf dem großen Kasten. „Ist das hier eine Försterwohnung?" frug ich, auf den Stutzen weisend. „O nein," sagte Rose, „der Vater ist nur Waldbelaufer, denn wenn er Förster wäre, könnten wir uns auch eine Kuh halten. Aber der gnädige Herr meint es gut mit dem Vater, weil er sich überall Rath weiß. Um Vergebung, die Herren sind wohl auch von der Jagd?" frug sie neugierig. — Wir bejahten. „Da

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/236>, abgerufen am 23.12.2024.