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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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scher Reform nach Innen kann das jetzige Ministerium das freie Oestreich mit
dem historischen Berufe der Dynastie versöhnen.

"Nieder mit Metternich" war das Feldgeschrei der Revolution im März 1848.
Es wird gut sein, wenn sich die Völker Oestreichs und die nach Einheit streben¬
den Deutschen im März 1849 nicht daran erinnern.


Verus. Lricdmanu.


Antwort.

ES freut mich, daß Sie jetzt mit nus ziemlich einer Meinung sind, auch ist
es freundlich von Ihnen, daß Sie mich wegen meines angeblichen "specifischen
Preußenthums in Schutz nehmen. Und doch spukt dies mein Preußenthum noch
immer in Ihrer Einbildung. Es ist mir nicht eingefallen, zu spotten, wenn Sie
die schönen Donauufer der Leipziger Ebene oder dem Märkischen Flugsand vorzo¬
gen, wenn Sie im gemüthlichen Wien lieber leben wollten-, als nnter den blastr-
ten Berlinern -- von dem Klein-Paris an der Pleiße gar nicht zu reden. Mir
selber ist der Wiener Dialekt tausendmal lieber als das Geschnatter der Berliner
Gamins. Ich habe Sie lebhast bedauert, daß Sie den Prater mit dem Rosen-
thal vertauschen mußte", und mir nur die Bemerkung erlaubt, der Mensch könne
sich zuletzt von der Naturwüchsigkeit der Gegenden u. s. w. frei machen, wenn er
sich nur in einer erfreulichen Thätigkeit und unter guten Menschen bewegte. Wenn
Sie daraus die Moral zöge": "die Ostpreußen haben keinen Sinn für Natur-
schönheit," so war das Ihre Logik, nicht meine. Noch viel weniger habe ich Ku-
rauda seines höchst vernünftigen Strebens wegen verspottet, Oestreich auf dem
Wege gemäßigter Reformen im Josephinischen Sinn zu kräftige", wenn mich
auch die Details der Grenzboten-Corrcspendenzen ziemlich ennuyirten. Ich halte
das vielmehr noch heute für den einzig richtigen Weg.

Aber gelacht habe ich freilich über die Aufschneidereien und das sanguinische
Wesen der sämmtlichen Oestreicher, die ich die Freude hatte, in der Verbannung zu
begrüßen. Sie hatten ja ein förmliches Komplott gestiftet, mir, dem Preußen
gegenüber, dem östreichischen Staat alle erdenkliche Vollkommenheit anzulügen, wäh¬
rend Sie nnter einander nach Herzenslust schalten und fluchten. Sie alle hatten
die fixe Idee, in Preußen habe man nichts anderes zu thun, als auf Oestreich
zu lästern -- eine Idee, die auch in dem guten Sachsen grasstrt, während der
Berliner doch viel zu sehr damit beschäftigt ist, sich selbst im Spiegel zu bewun¬
dern, und wir andern Preuße" vou Oestreich keine weitere Vorstellung mitnehmen,
als die Salzburger Alpen, das romantische Prag und etwa NockitansK's Klinik
und die schwierige Kreuzerrechnung von Münz und Schein. "

Wilhelm Jordan hat in der Paulskirche behauptet, wir Preußen wären deutsch
gesinnt, und wüßten eS nur nicht. Ich dagegen sage: wir sind preußisch gesinnt,


scher Reform nach Innen kann das jetzige Ministerium das freie Oestreich mit
dem historischen Berufe der Dynastie versöhnen.

„Nieder mit Metternich" war das Feldgeschrei der Revolution im März 1848.
Es wird gut sein, wenn sich die Völker Oestreichs und die nach Einheit streben¬
den Deutschen im März 1849 nicht daran erinnern.


Verus. Lricdmanu.


Antwort.

ES freut mich, daß Sie jetzt mit nus ziemlich einer Meinung sind, auch ist
es freundlich von Ihnen, daß Sie mich wegen meines angeblichen „specifischen
Preußenthums in Schutz nehmen. Und doch spukt dies mein Preußenthum noch
immer in Ihrer Einbildung. Es ist mir nicht eingefallen, zu spotten, wenn Sie
die schönen Donauufer der Leipziger Ebene oder dem Märkischen Flugsand vorzo¬
gen, wenn Sie im gemüthlichen Wien lieber leben wollten-, als nnter den blastr-
ten Berlinern — von dem Klein-Paris an der Pleiße gar nicht zu reden. Mir
selber ist der Wiener Dialekt tausendmal lieber als das Geschnatter der Berliner
Gamins. Ich habe Sie lebhast bedauert, daß Sie den Prater mit dem Rosen-
thal vertauschen mußte», und mir nur die Bemerkung erlaubt, der Mensch könne
sich zuletzt von der Naturwüchsigkeit der Gegenden u. s. w. frei machen, wenn er
sich nur in einer erfreulichen Thätigkeit und unter guten Menschen bewegte. Wenn
Sie daraus die Moral zöge«: „die Ostpreußen haben keinen Sinn für Natur-
schönheit," so war das Ihre Logik, nicht meine. Noch viel weniger habe ich Ku-
rauda seines höchst vernünftigen Strebens wegen verspottet, Oestreich auf dem
Wege gemäßigter Reformen im Josephinischen Sinn zu kräftige», wenn mich
auch die Details der Grenzboten-Corrcspendenzen ziemlich ennuyirten. Ich halte
das vielmehr noch heute für den einzig richtigen Weg.

Aber gelacht habe ich freilich über die Aufschneidereien und das sanguinische
Wesen der sämmtlichen Oestreicher, die ich die Freude hatte, in der Verbannung zu
begrüßen. Sie hatten ja ein förmliches Komplott gestiftet, mir, dem Preußen
gegenüber, dem östreichischen Staat alle erdenkliche Vollkommenheit anzulügen, wäh¬
rend Sie nnter einander nach Herzenslust schalten und fluchten. Sie alle hatten
die fixe Idee, in Preußen habe man nichts anderes zu thun, als auf Oestreich
zu lästern — eine Idee, die auch in dem guten Sachsen grasstrt, während der
Berliner doch viel zu sehr damit beschäftigt ist, sich selbst im Spiegel zu bewun¬
dern, und wir andern Preuße» vou Oestreich keine weitere Vorstellung mitnehmen,
als die Salzburger Alpen, das romantische Prag und etwa NockitansK's Klinik
und die schwierige Kreuzerrechnung von Münz und Schein. »

Wilhelm Jordan hat in der Paulskirche behauptet, wir Preußen wären deutsch
gesinnt, und wüßten eS nur nicht. Ich dagegen sage: wir sind preußisch gesinnt,


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[0231] scher Reform nach Innen kann das jetzige Ministerium das freie Oestreich mit dem historischen Berufe der Dynastie versöhnen. „Nieder mit Metternich" war das Feldgeschrei der Revolution im März 1848. Es wird gut sein, wenn sich die Völker Oestreichs und die nach Einheit streben¬ den Deutschen im März 1849 nicht daran erinnern. Verus. Lricdmanu. Antwort. ES freut mich, daß Sie jetzt mit nus ziemlich einer Meinung sind, auch ist es freundlich von Ihnen, daß Sie mich wegen meines angeblichen „specifischen Preußenthums in Schutz nehmen. Und doch spukt dies mein Preußenthum noch immer in Ihrer Einbildung. Es ist mir nicht eingefallen, zu spotten, wenn Sie die schönen Donauufer der Leipziger Ebene oder dem Märkischen Flugsand vorzo¬ gen, wenn Sie im gemüthlichen Wien lieber leben wollten-, als nnter den blastr- ten Berlinern — von dem Klein-Paris an der Pleiße gar nicht zu reden. Mir selber ist der Wiener Dialekt tausendmal lieber als das Geschnatter der Berliner Gamins. Ich habe Sie lebhast bedauert, daß Sie den Prater mit dem Rosen- thal vertauschen mußte», und mir nur die Bemerkung erlaubt, der Mensch könne sich zuletzt von der Naturwüchsigkeit der Gegenden u. s. w. frei machen, wenn er sich nur in einer erfreulichen Thätigkeit und unter guten Menschen bewegte. Wenn Sie daraus die Moral zöge«: „die Ostpreußen haben keinen Sinn für Natur- schönheit," so war das Ihre Logik, nicht meine. Noch viel weniger habe ich Ku- rauda seines höchst vernünftigen Strebens wegen verspottet, Oestreich auf dem Wege gemäßigter Reformen im Josephinischen Sinn zu kräftige», wenn mich auch die Details der Grenzboten-Corrcspendenzen ziemlich ennuyirten. Ich halte das vielmehr noch heute für den einzig richtigen Weg. Aber gelacht habe ich freilich über die Aufschneidereien und das sanguinische Wesen der sämmtlichen Oestreicher, die ich die Freude hatte, in der Verbannung zu begrüßen. Sie hatten ja ein förmliches Komplott gestiftet, mir, dem Preußen gegenüber, dem östreichischen Staat alle erdenkliche Vollkommenheit anzulügen, wäh¬ rend Sie nnter einander nach Herzenslust schalten und fluchten. Sie alle hatten die fixe Idee, in Preußen habe man nichts anderes zu thun, als auf Oestreich zu lästern — eine Idee, die auch in dem guten Sachsen grasstrt, während der Berliner doch viel zu sehr damit beschäftigt ist, sich selbst im Spiegel zu bewun¬ dern, und wir andern Preuße» vou Oestreich keine weitere Vorstellung mitnehmen, als die Salzburger Alpen, das romantische Prag und etwa NockitansK's Klinik und die schwierige Kreuzerrechnung von Münz und Schein. » Wilhelm Jordan hat in der Paulskirche behauptet, wir Preußen wären deutsch gesinnt, und wüßten eS nur nicht. Ich dagegen sage: wir sind preußisch gesinnt,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/231>, abgerufen am 22.12.2024.