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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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Wie steht es nun nach dem October mit den deutschen Sympathieen in Oest¬
reich? Die deutsche Partei in und außer dem Reichstage ist es müde geworden, von
Frankfurt aus ihr Heil zu erwarten. Sie überträgt ihre Begeisterung von dem
"großen deutschen Vaterland" ans das neugeschaffene Oestreich, sie sucht um die
Garantien der Freiheit in einem aufrichtigen Bündnisse mit den Nationalitäten,
deren Mitgefangenen und Leidensgefährte die Deutschen durch Jahrhunderte ge¬
wesen sind. Sagen die östreichischen Slaven: Gott ist im Himmel und der Czar
ist weit, so sagen nun auch die östreichischen Deutschen: Gott ist im Himmel und
die deutsche Centralgewalt ist ferne. Und so wie sich die Deutschen in Oestreich
auf ihre eigenen Füße stellen und nicht mehr das Kindergeschrei nach der Brust der
Ncichsamme erheben werden, so ist ihnen das geistige und damit auch das poli¬
tische Prinzipal in Oestreich gesichert. Die Slaven dürsten nun nach Wissenschaft
und Bildung, aus deu deutschen Quellen wird ihnen Beides zufließen und das
patriarchalische, theilweise barbarische Staatsleben der Völker in Osten und Süden
wird sich durch deutsche Institution mit dem Gesammtstaate Oestreich verwachsen.
Dann habt Ihr ein "Kleindeutschland" diesseits der schwarzgelben Schranken und
ein "Grvßdeutschland" jenseits derselben, jenes ein deutscher ReichStörpcr mit ge¬
sunden kräftigen Gliedern, dieses ein nationaler Föderativstaat von deutschem
Geiste beseelt, von slavischen Armen gestützt, den russischen Koloß in "unnahbarer
Ferne" haltend. Nennt dann immerhin jenes die preußische Hegemonie und dieses das
Oestreich, auf die Namen kömmt's n"s nicht an, wenn nur das Anstand und
die Weltgeschichte von den Aeußerungen unserer innerlich befestigten Freiheiten und
Gewalten kräftig berührt werden.

Aber nun, nachdem die "schwarz-roth-goldene Fahne des deutschen Aufruhrs"
in ganz Oestreich mit Waffengewalt herabgerissen ist, nachdem im festen Glauben
an die Integrität des Reiches, selbst die deutschen und polnischen Demokraten in
Oestreich die Anschlußsrage bei Seite gelegt haben -- jetzt plötzlich erwacht wieder
das östreichisch-kaiserliche Bewußtsein am k. k. Hoflager und will nicht blos die
"wicdcrervberten" Provinzen, auch Deutschland und den fremden Kabinetten den
Stolz der restaurirten Großmacht fühlen lassen. Was im Munde des Volkes
Verbrechen und eben durch Kanonendonner zum Schweigen gebracht war, wird
uun als ein altes Erbrecht der Krone, als traditionelle Politik der östreichischen
Regierung beansprucht. Der "beschränkte Unterthanenverstand" hat endlich bei deu
Dentschen und Slaven seine außeröstreichischen Sympathieen aufgegeben, die bluti¬
gen Opfer der Octoberrevolution werden von der Militärcommission in Wien noch
sortgcfordert, der Prozeß wegen der slavischen Verschwörung im J"ni wird
wieder aufgenommen; aber das Ministerium Schwarzenberg erklärt indessen den
Teutschen jenseits der schwarzgelben Schwanken: Wir lassen Euch nicht los, wir
brauchen Euch zu diplomatischen Zwecken und die südslavischen Völker werden
gegen die Ungarn aufgeboten, zugleich aber Prag mit dem Belagerungszustand


Wie steht es nun nach dem October mit den deutschen Sympathieen in Oest¬
reich? Die deutsche Partei in und außer dem Reichstage ist es müde geworden, von
Frankfurt aus ihr Heil zu erwarten. Sie überträgt ihre Begeisterung von dem
„großen deutschen Vaterland" ans das neugeschaffene Oestreich, sie sucht um die
Garantien der Freiheit in einem aufrichtigen Bündnisse mit den Nationalitäten,
deren Mitgefangenen und Leidensgefährte die Deutschen durch Jahrhunderte ge¬
wesen sind. Sagen die östreichischen Slaven: Gott ist im Himmel und der Czar
ist weit, so sagen nun auch die östreichischen Deutschen: Gott ist im Himmel und
die deutsche Centralgewalt ist ferne. Und so wie sich die Deutschen in Oestreich
auf ihre eigenen Füße stellen und nicht mehr das Kindergeschrei nach der Brust der
Ncichsamme erheben werden, so ist ihnen das geistige und damit auch das poli¬
tische Prinzipal in Oestreich gesichert. Die Slaven dürsten nun nach Wissenschaft
und Bildung, aus deu deutschen Quellen wird ihnen Beides zufließen und das
patriarchalische, theilweise barbarische Staatsleben der Völker in Osten und Süden
wird sich durch deutsche Institution mit dem Gesammtstaate Oestreich verwachsen.
Dann habt Ihr ein „Kleindeutschland" diesseits der schwarzgelben Schranken und
ein „Grvßdeutschland" jenseits derselben, jenes ein deutscher ReichStörpcr mit ge¬
sunden kräftigen Gliedern, dieses ein nationaler Föderativstaat von deutschem
Geiste beseelt, von slavischen Armen gestützt, den russischen Koloß in „unnahbarer
Ferne" haltend. Nennt dann immerhin jenes die preußische Hegemonie und dieses das
Oestreich, auf die Namen kömmt's n»s nicht an, wenn nur das Anstand und
die Weltgeschichte von den Aeußerungen unserer innerlich befestigten Freiheiten und
Gewalten kräftig berührt werden.

Aber nun, nachdem die „schwarz-roth-goldene Fahne des deutschen Aufruhrs"
in ganz Oestreich mit Waffengewalt herabgerissen ist, nachdem im festen Glauben
an die Integrität des Reiches, selbst die deutschen und polnischen Demokraten in
Oestreich die Anschlußsrage bei Seite gelegt haben — jetzt plötzlich erwacht wieder
das östreichisch-kaiserliche Bewußtsein am k. k. Hoflager und will nicht blos die
„wicdcrervberten" Provinzen, auch Deutschland und den fremden Kabinetten den
Stolz der restaurirten Großmacht fühlen lassen. Was im Munde des Volkes
Verbrechen und eben durch Kanonendonner zum Schweigen gebracht war, wird
uun als ein altes Erbrecht der Krone, als traditionelle Politik der östreichischen
Regierung beansprucht. Der „beschränkte Unterthanenverstand" hat endlich bei deu
Dentschen und Slaven seine außeröstreichischen Sympathieen aufgegeben, die bluti¬
gen Opfer der Octoberrevolution werden von der Militärcommission in Wien noch
sortgcfordert, der Prozeß wegen der slavischen Verschwörung im J»ni wird
wieder aufgenommen; aber das Ministerium Schwarzenberg erklärt indessen den
Teutschen jenseits der schwarzgelben Schwanken: Wir lassen Euch nicht los, wir
brauchen Euch zu diplomatischen Zwecken und die südslavischen Völker werden
gegen die Ungarn aufgeboten, zugleich aber Prag mit dem Belagerungszustand


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[0228] Wie steht es nun nach dem October mit den deutschen Sympathieen in Oest¬ reich? Die deutsche Partei in und außer dem Reichstage ist es müde geworden, von Frankfurt aus ihr Heil zu erwarten. Sie überträgt ihre Begeisterung von dem „großen deutschen Vaterland" ans das neugeschaffene Oestreich, sie sucht um die Garantien der Freiheit in einem aufrichtigen Bündnisse mit den Nationalitäten, deren Mitgefangenen und Leidensgefährte die Deutschen durch Jahrhunderte ge¬ wesen sind. Sagen die östreichischen Slaven: Gott ist im Himmel und der Czar ist weit, so sagen nun auch die östreichischen Deutschen: Gott ist im Himmel und die deutsche Centralgewalt ist ferne. Und so wie sich die Deutschen in Oestreich auf ihre eigenen Füße stellen und nicht mehr das Kindergeschrei nach der Brust der Ncichsamme erheben werden, so ist ihnen das geistige und damit auch das poli¬ tische Prinzipal in Oestreich gesichert. Die Slaven dürsten nun nach Wissenschaft und Bildung, aus deu deutschen Quellen wird ihnen Beides zufließen und das patriarchalische, theilweise barbarische Staatsleben der Völker in Osten und Süden wird sich durch deutsche Institution mit dem Gesammtstaate Oestreich verwachsen. Dann habt Ihr ein „Kleindeutschland" diesseits der schwarzgelben Schranken und ein „Grvßdeutschland" jenseits derselben, jenes ein deutscher ReichStörpcr mit ge¬ sunden kräftigen Gliedern, dieses ein nationaler Föderativstaat von deutschem Geiste beseelt, von slavischen Armen gestützt, den russischen Koloß in „unnahbarer Ferne" haltend. Nennt dann immerhin jenes die preußische Hegemonie und dieses das Oestreich, auf die Namen kömmt's n»s nicht an, wenn nur das Anstand und die Weltgeschichte von den Aeußerungen unserer innerlich befestigten Freiheiten und Gewalten kräftig berührt werden. Aber nun, nachdem die „schwarz-roth-goldene Fahne des deutschen Aufruhrs" in ganz Oestreich mit Waffengewalt herabgerissen ist, nachdem im festen Glauben an die Integrität des Reiches, selbst die deutschen und polnischen Demokraten in Oestreich die Anschlußsrage bei Seite gelegt haben — jetzt plötzlich erwacht wieder das östreichisch-kaiserliche Bewußtsein am k. k. Hoflager und will nicht blos die „wicdcrervberten" Provinzen, auch Deutschland und den fremden Kabinetten den Stolz der restaurirten Großmacht fühlen lassen. Was im Munde des Volkes Verbrechen und eben durch Kanonendonner zum Schweigen gebracht war, wird uun als ein altes Erbrecht der Krone, als traditionelle Politik der östreichischen Regierung beansprucht. Der „beschränkte Unterthanenverstand" hat endlich bei deu Dentschen und Slaven seine außeröstreichischen Sympathieen aufgegeben, die bluti¬ gen Opfer der Octoberrevolution werden von der Militärcommission in Wien noch sortgcfordert, der Prozeß wegen der slavischen Verschwörung im J»ni wird wieder aufgenommen; aber das Ministerium Schwarzenberg erklärt indessen den Teutschen jenseits der schwarzgelben Schwanken: Wir lassen Euch nicht los, wir brauchen Euch zu diplomatischen Zwecken und die südslavischen Völker werden gegen die Ungarn aufgeboten, zugleich aber Prag mit dem Belagerungszustand

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/228>, abgerufen am 23.07.2024.