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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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der Seele schlummernden patriotischen Gefühlen" lossagen können. Die schnnchigcn
Interessen, welche man den kirchlichen und communistischen Pietisten siedet unter-
schiebt, wollen wir hier gar nicht in Anschlag bringen.

Wer sich also dem Gagern'schen Programm aus wahrem Patriotismus an¬
schließt, weil in ihm gegenwärtig die einzige praktische Lösung der deutschen und
östreichische" Eiuheitsfrage liegt, wird neuen und aufgewärmten Verdächtigungen
nicht entgehen. "Sie sind doch ein abscheulicher Preuße" wird Ihnen z. B. der
tiefgekränkte Rüge wieder zurufen. Und Freund Kuranda, stolzer als je auf seine
östreichische Hausmacht hatte eben dem "specifischen Preußenthum" zugerufen:
Ihr dürft nicht! als seine ostdeutsche Post von der östreichischen Hausmacht er¬
drückt wurde!

"I^v r"i elk mort, vivo Jo rin!" Ferdinand hat abgedankt und Franz Jo¬
seph l. den Thron bestiegen. Fürst Metternich ist fort, es lebe Fürst Schwarzen¬
berg! Herr v. Schmerling rieb sich vergnügt die Hände, die Herrn Schwarzen¬
berg und Stadion holten sich Rath in den Archiven der Hof- und Staatskanzlei,
(eben so wie Cavaignac's Minister in der päbstlichen Jnterventionsfrage von dem
alten "Orakel" im auswärtigen Bureau die Politik der neufranzösischen Republik
bestimmen ließen) und Schmerling zog nach Frankfurt, wie Saul, der die Eselcin
seines Vaters suchte, um mit einer Krone heimzukehren. Man ließ gerne der
Ostdeutschen Post ihr kühnes "Ihr dürft uicht" im Namen des alten Metternich
aussprechen -- als sie aber einen Tag später durch den Mund eines "hochgestell¬
ten Staatsmannes" dasselbe "Ihr dürft nicht" ihrem Ministerium in Angelegen¬
heiten des Reichstages zurufen wollte, antworteten ihre ehemaligen Schützlinge mit
dem einfachen "Du darfst nicht."

Wie vorsichtig Altöstreich sich seine Freunde in allen Lagern zu fesseln sucht,
zeigt die Begnadigung Fröbel's mitten im ersten leidenschaftlichen Walten der kai¬
serlichen Nemesis. Die Mittel-europäische Föderativrepublik liegt noch in weiter
Ferne, dachte das östreichische Cabinet -- aber "Wien, Deutschland und Europa"
ist ein kühner Gedanke, des Schweißes der Edlen werth! Und hätte Finanz¬
minister Kraus gewußt, daß Robert Blum für den Fall, als Oestreich in Deutsch-
land aufgehen wollte, für die Uebertragung der östreichischen Staatsschuld an die
deutsche Reichsgewalt stimmen würde, wie uns Fröbel in neuester Zeit versichert,
der unglückliche Führer der Linken wäre wohl auch begnadigt worden! Also "Klein-
deutschland" hätte die Garantie der östreichischen Staatsschuld übernommen? Gro߬
müthige Linke, wie arg hat dich Herr v. Schmerling verleumdet!

Sehen wir jedoch, was Oestreich außer seiner allmächtigen Staatsschuld dem
deutschen Bundesstaate bieten könnte. Sprechen wir erst von den natürlichen An¬
lagen, von den deutschen Sympathien in Oestreich.

Der erste Ruf nach Freiheit in Wien war mit dem Rufe nach Deutschland
verbunden. Gut. Aber der erste Freiheitsrausch in Deutschland selbst war von


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der Seele schlummernden patriotischen Gefühlen" lossagen können. Die schnnchigcn
Interessen, welche man den kirchlichen und communistischen Pietisten siedet unter-
schiebt, wollen wir hier gar nicht in Anschlag bringen.

Wer sich also dem Gagern'schen Programm aus wahrem Patriotismus an¬
schließt, weil in ihm gegenwärtig die einzige praktische Lösung der deutschen und
östreichische» Eiuheitsfrage liegt, wird neuen und aufgewärmten Verdächtigungen
nicht entgehen. „Sie sind doch ein abscheulicher Preuße" wird Ihnen z. B. der
tiefgekränkte Rüge wieder zurufen. Und Freund Kuranda, stolzer als je auf seine
östreichische Hausmacht hatte eben dem „specifischen Preußenthum" zugerufen:
Ihr dürft nicht! als seine ostdeutsche Post von der östreichischen Hausmacht er¬
drückt wurde!

„I^v r»i elk mort, vivo Jo rin!" Ferdinand hat abgedankt und Franz Jo¬
seph l. den Thron bestiegen. Fürst Metternich ist fort, es lebe Fürst Schwarzen¬
berg! Herr v. Schmerling rieb sich vergnügt die Hände, die Herrn Schwarzen¬
berg und Stadion holten sich Rath in den Archiven der Hof- und Staatskanzlei,
(eben so wie Cavaignac's Minister in der päbstlichen Jnterventionsfrage von dem
alten „Orakel" im auswärtigen Bureau die Politik der neufranzösischen Republik
bestimmen ließen) und Schmerling zog nach Frankfurt, wie Saul, der die Eselcin
seines Vaters suchte, um mit einer Krone heimzukehren. Man ließ gerne der
Ostdeutschen Post ihr kühnes „Ihr dürft uicht" im Namen des alten Metternich
aussprechen — als sie aber einen Tag später durch den Mund eines „hochgestell¬
ten Staatsmannes" dasselbe „Ihr dürft nicht" ihrem Ministerium in Angelegen¬
heiten des Reichstages zurufen wollte, antworteten ihre ehemaligen Schützlinge mit
dem einfachen „Du darfst nicht."

Wie vorsichtig Altöstreich sich seine Freunde in allen Lagern zu fesseln sucht,
zeigt die Begnadigung Fröbel's mitten im ersten leidenschaftlichen Walten der kai¬
serlichen Nemesis. Die Mittel-europäische Föderativrepublik liegt noch in weiter
Ferne, dachte das östreichische Cabinet — aber „Wien, Deutschland und Europa"
ist ein kühner Gedanke, des Schweißes der Edlen werth! Und hätte Finanz¬
minister Kraus gewußt, daß Robert Blum für den Fall, als Oestreich in Deutsch-
land aufgehen wollte, für die Uebertragung der östreichischen Staatsschuld an die
deutsche Reichsgewalt stimmen würde, wie uns Fröbel in neuester Zeit versichert,
der unglückliche Führer der Linken wäre wohl auch begnadigt worden! Also „Klein-
deutschland" hätte die Garantie der östreichischen Staatsschuld übernommen? Gro߬
müthige Linke, wie arg hat dich Herr v. Schmerling verleumdet!

Sehen wir jedoch, was Oestreich außer seiner allmächtigen Staatsschuld dem
deutschen Bundesstaate bieten könnte. Sprechen wir erst von den natürlichen An¬
lagen, von den deutschen Sympathien in Oestreich.

Der erste Ruf nach Freiheit in Wien war mit dem Rufe nach Deutschland
verbunden. Gut. Aber der erste Freiheitsrausch in Deutschland selbst war von


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[0225] der Seele schlummernden patriotischen Gefühlen" lossagen können. Die schnnchigcn Interessen, welche man den kirchlichen und communistischen Pietisten siedet unter- schiebt, wollen wir hier gar nicht in Anschlag bringen. Wer sich also dem Gagern'schen Programm aus wahrem Patriotismus an¬ schließt, weil in ihm gegenwärtig die einzige praktische Lösung der deutschen und östreichische» Eiuheitsfrage liegt, wird neuen und aufgewärmten Verdächtigungen nicht entgehen. „Sie sind doch ein abscheulicher Preuße" wird Ihnen z. B. der tiefgekränkte Rüge wieder zurufen. Und Freund Kuranda, stolzer als je auf seine östreichische Hausmacht hatte eben dem „specifischen Preußenthum" zugerufen: Ihr dürft nicht! als seine ostdeutsche Post von der östreichischen Hausmacht er¬ drückt wurde! „I^v r»i elk mort, vivo Jo rin!" Ferdinand hat abgedankt und Franz Jo¬ seph l. den Thron bestiegen. Fürst Metternich ist fort, es lebe Fürst Schwarzen¬ berg! Herr v. Schmerling rieb sich vergnügt die Hände, die Herrn Schwarzen¬ berg und Stadion holten sich Rath in den Archiven der Hof- und Staatskanzlei, (eben so wie Cavaignac's Minister in der päbstlichen Jnterventionsfrage von dem alten „Orakel" im auswärtigen Bureau die Politik der neufranzösischen Republik bestimmen ließen) und Schmerling zog nach Frankfurt, wie Saul, der die Eselcin seines Vaters suchte, um mit einer Krone heimzukehren. Man ließ gerne der Ostdeutschen Post ihr kühnes „Ihr dürft uicht" im Namen des alten Metternich aussprechen — als sie aber einen Tag später durch den Mund eines „hochgestell¬ ten Staatsmannes" dasselbe „Ihr dürft nicht" ihrem Ministerium in Angelegen¬ heiten des Reichstages zurufen wollte, antworteten ihre ehemaligen Schützlinge mit dem einfachen „Du darfst nicht." Wie vorsichtig Altöstreich sich seine Freunde in allen Lagern zu fesseln sucht, zeigt die Begnadigung Fröbel's mitten im ersten leidenschaftlichen Walten der kai¬ serlichen Nemesis. Die Mittel-europäische Föderativrepublik liegt noch in weiter Ferne, dachte das östreichische Cabinet — aber „Wien, Deutschland und Europa" ist ein kühner Gedanke, des Schweißes der Edlen werth! Und hätte Finanz¬ minister Kraus gewußt, daß Robert Blum für den Fall, als Oestreich in Deutsch- land aufgehen wollte, für die Uebertragung der östreichischen Staatsschuld an die deutsche Reichsgewalt stimmen würde, wie uns Fröbel in neuester Zeit versichert, der unglückliche Führer der Linken wäre wohl auch begnadigt worden! Also „Klein- deutschland" hätte die Garantie der östreichischen Staatsschuld übernommen? Gro߬ müthige Linke, wie arg hat dich Herr v. Schmerling verleumdet! Sehen wir jedoch, was Oestreich außer seiner allmächtigen Staatsschuld dem deutschen Bundesstaate bieten könnte. Sprechen wir erst von den natürlichen An¬ lagen, von den deutschen Sympathien in Oestreich. Der erste Ruf nach Freiheit in Wien war mit dem Rufe nach Deutschland verbunden. Gut. Aber der erste Freiheitsrausch in Deutschland selbst war von K«n,b>>i«n. l. 28

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/225>, abgerufen am 23.07.2024.