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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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hervor. Arnold Rüge streifte das philosophische Gewand ab und wurde an der
Seite Robert Blum's sächsischer Vvlketribun. Kuranda trat als Deputirter
der Wiener Universität in's Vorparlament. Das einige Deutschland florirte eben
in seiner schönsten Blüihe, unter den Schatten der teutonischen Eiche vergaßen
für einen Augenblick Arnold Ruge den Haß gegen das specifische PrcußenthnM
und Jgnatz Kuranda seine Liebe für das specifische Oestreichcrthum. Ja, als ich
endlich Anfangs Mai nach dem befreite" schwarz-roth-goldnen Wien eilte, gab
mir Ruge, in stolzen Hinblick auf die allgemein deutsche Intelligenz, gleichsam
noch einen freundschaftlichen Fußtritt mit auf den Weg, indem er rund heraus
erklärte: "Euer unvernünftiges Oestreich können wir im deutschen Bundesstaat
nicht brauchen, Ihr seid noch nicht reif für uns." Ich ging und tauchte meinen
Schmerz in den frisch aufbrausenden Strom der Wiener Revolution. Sie, bester
Freund, waren ruhig in Leipzig geblieben, und schickten an Kuranda's Stelle von
dem Pythiastuhl der Grenzboten Ihre Sprüche in die weite Welt. In die weite
Welt! Ihre Freunde hatten sich in die verschiedensten politischen Lager verloren
und mitten im hitzigen Kampfe, unter den katzenmusikalischen Querpfeifer des sou¬
veränen Volkes, unter dem Trommelschlag und Kanonendonner italienischer, däni¬
scher, ungarischer und kroatischer Kriegsheere überhörten wir das Signal unsers
Leipziger Freundes, das zum Rückzug blies. General Wrangel und Fürst Win-
dischgrätz machten uns endlich auf etwas unhöfliche Weise bemerkbar, daß wir uns
ans unsern frühern ungefährlichen Wachtposten an der Pleiße zurückbegeben möchten.

Was war indessen ans der deutschen Revolution geworden? Wie steht'S mit
dem specifischen Preußenthum und mit der Möglichkeit einer friedlichen Reform im
"schönen" Oestreich?

Die Idee des großen, einigen Deutschland ist nun durch die eiserne Hand
der praktischen Nothwendigkeit und den leitenden Gedanken eines Heinrich v. Ga¬
gern auf die Constituirung eines "Kleindeutschland", beschränkt worden. Neben
diesem einheitlichen Bundesstaate soll sich ein großes, einiges Oestreich erheben.
Das Va-banq"espiclen mit staatlichen Organisationen und historisch und materiell
begründeten Volksinteressen hat ein Ende. Was dem großen Deutschland an Kraft
und Genialität zur raschen Constituirung abging, wußte ^Preußen durch einen
Staatsstreich und den innern Halt seiner Institutionen zu ersetzen und Oestreich
gewann das Spiel durch den hohen Einsatz einer tapfern und für ihren Kaiser be¬
geisterten ,Armee. Wenn nun der nüchterne Politiker, den es um eine schnelle
Beendigung der Provisorien zu thun ist, diese festgestellten Knies "cemnplis zur
Grundlage neuer Bestrebungen und Wirksamkeit annimmt und über die Entwick¬
lungsgeschichte, ans welchen sie nothwendig hervorgangen, einstweilen ein großes
Kreutz macht, so tauchen auch wieder die alten Sympathien, romantische und re¬
volutionäre Erinnerungen in jenen Mitkämpfern auf dem politischen Wahlplatze
auf, welche sich nicht so schnell von lang gehegten Liebslingsideen, von ihren "in


hervor. Arnold Rüge streifte das philosophische Gewand ab und wurde an der
Seite Robert Blum's sächsischer Vvlketribun. Kuranda trat als Deputirter
der Wiener Universität in's Vorparlament. Das einige Deutschland florirte eben
in seiner schönsten Blüihe, unter den Schatten der teutonischen Eiche vergaßen
für einen Augenblick Arnold Ruge den Haß gegen das specifische PrcußenthnM
und Jgnatz Kuranda seine Liebe für das specifische Oestreichcrthum. Ja, als ich
endlich Anfangs Mai nach dem befreite» schwarz-roth-goldnen Wien eilte, gab
mir Ruge, in stolzen Hinblick auf die allgemein deutsche Intelligenz, gleichsam
noch einen freundschaftlichen Fußtritt mit auf den Weg, indem er rund heraus
erklärte: „Euer unvernünftiges Oestreich können wir im deutschen Bundesstaat
nicht brauchen, Ihr seid noch nicht reif für uns." Ich ging und tauchte meinen
Schmerz in den frisch aufbrausenden Strom der Wiener Revolution. Sie, bester
Freund, waren ruhig in Leipzig geblieben, und schickten an Kuranda's Stelle von
dem Pythiastuhl der Grenzboten Ihre Sprüche in die weite Welt. In die weite
Welt! Ihre Freunde hatten sich in die verschiedensten politischen Lager verloren
und mitten im hitzigen Kampfe, unter den katzenmusikalischen Querpfeifer des sou¬
veränen Volkes, unter dem Trommelschlag und Kanonendonner italienischer, däni¬
scher, ungarischer und kroatischer Kriegsheere überhörten wir das Signal unsers
Leipziger Freundes, das zum Rückzug blies. General Wrangel und Fürst Win-
dischgrätz machten uns endlich auf etwas unhöfliche Weise bemerkbar, daß wir uns
ans unsern frühern ungefährlichen Wachtposten an der Pleiße zurückbegeben möchten.

Was war indessen ans der deutschen Revolution geworden? Wie steht'S mit
dem specifischen Preußenthum und mit der Möglichkeit einer friedlichen Reform im
„schönen" Oestreich?

Die Idee des großen, einigen Deutschland ist nun durch die eiserne Hand
der praktischen Nothwendigkeit und den leitenden Gedanken eines Heinrich v. Ga¬
gern auf die Constituirung eines „Kleindeutschland", beschränkt worden. Neben
diesem einheitlichen Bundesstaate soll sich ein großes, einiges Oestreich erheben.
Das Va-banq»espiclen mit staatlichen Organisationen und historisch und materiell
begründeten Volksinteressen hat ein Ende. Was dem großen Deutschland an Kraft
und Genialität zur raschen Constituirung abging, wußte ^Preußen durch einen
Staatsstreich und den innern Halt seiner Institutionen zu ersetzen und Oestreich
gewann das Spiel durch den hohen Einsatz einer tapfern und für ihren Kaiser be¬
geisterten ,Armee. Wenn nun der nüchterne Politiker, den es um eine schnelle
Beendigung der Provisorien zu thun ist, diese festgestellten Knies »cemnplis zur
Grundlage neuer Bestrebungen und Wirksamkeit annimmt und über die Entwick¬
lungsgeschichte, ans welchen sie nothwendig hervorgangen, einstweilen ein großes
Kreutz macht, so tauchen auch wieder die alten Sympathien, romantische und re¬
volutionäre Erinnerungen in jenen Mitkämpfern auf dem politischen Wahlplatze
auf, welche sich nicht so schnell von lang gehegten Liebslingsideen, von ihren „in


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/224>, abgerufen am 23.12.2024.