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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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hohl, aber elegant. An eigentlich politische Reformen, an das Einzige, was Frank¬
reich aus dem ewigen Strudel der Revolutionen retten kann: Herstellung der
Autonomie in den einzelnen Kreisen und Verbesserung der Administration, hatten
sie auch in ihren schwachen Stunden nicht einmal gedacht, Paris war ihnen die
Welt, und die bisherige polizeilich-administrative Centralisation kaum noch streng
genug. Ehrenvolle Ausnahmen, wie Tocqueville, gehörten nicht in diese Coterie.
Mit Recht konnten ihnen die Gegner, wenn sie ihnen Corruption, schlechte Ver¬
waltung u. tgi. vorwarfen, hohnlachend erwiedern, ihr macht es ja ebenso! Das
Pathos stand ihnen schlecht, aber sie konnten witzig sein, und die Achtung vor
Meliere, die Herr Dupin den Pilgern von Belgrave-Square als Pietät gegen
die vaterländische Vergangenheit entgegenstellte, war nicht gemacht.

Studirt Scribe, den größten Dichter dieses inS Moderne übersetzten alten
Frankreich, und ihr habt ein vollständiges Bild dieser glaubenlosen, hohlen, unsitt¬
lichen, aber liebenswürdigen und heitern Welt.

Noch eins dürfen wir bei der dynastischen Opposition nicht vergessen; sie
gehörte, wenigstens in ihren officiellen Organen, ausschließlich der wohlhabenden,
gebildeten Klasse der Gesellschaft an. Sie coqnettirte mit dem "Volk," der Revo¬
lution, dem Krieg, aber alles nur bis zu einer gewissen Grenze; in der orienta¬
lischen Frage eroberte Thiers in seinem Journal die Nheingrcnze, wie er früher
in Spanien intervenirt hatte, aber bei dem ersten entschiedenen Auftreten der
alliirten Mächte ließ er schnell die französische Flotte zurückziehen, um nicht zu
unnöthigen Conflicten Veranlassung zu geben. So provocirte Odillon - Barrot
dnrch die Neformbanquette -- beiläufig wieder eine rein formelle Frage, welche die
Principlosigkeit dieser Opposition vollkommen charcckterisirt -- die Aufregung des
Volks, aber er blieb zu Hause, als diese Aufregung eine bestimmte Gestalt annahm.

Das war der Unterschied dieser Reaction von der Partei des National,
die sonst in allen wesentlichen Punkten Eins mit ihr war, und ihren Charakter
nur noch deutlicher aussprach, weil sie jünger, heftiger und naiver war. Freilich
trug der National überall die Fahne der Republik zur Schau, aber eS war das
nichts als die alte französische Militärrepnblik, deren Adler siegreich von den Py¬
ramiden bis zum alten Czaarenschloß geweht. Leichtsinnige Bravour, chevalercSke
Gaskonade war der vorherrschende Charakter dieser echt französischen Fraction, die
mit Beranger Spottlieder gegen das Mönchswesen und die Censoren sang, die
Pariser Grisetten feierte, mit den conrfähigen Journalisten der aristokratischen
Salons Kugeln wechselte, mit Andacht auf die Triumphbogen des Märtyrers von
Se. Helena emporblickte, und übrigens mit einer so harmlosen Unbefangenheit die
Politischen Angelegenheiten der "Barbaren" besprach, wie jener türkische Vezier,
der auf die Nachricht von den Siegen der Franzosen über die Oestreicher erwie¬
derte, es ist dem Beherrscher der Gläubigen sehr gleichgiltig, ob der Hund das
Schwein, oder das Schwein den Hund beißt. Im Lügen gebührt dieser Partei


hohl, aber elegant. An eigentlich politische Reformen, an das Einzige, was Frank¬
reich aus dem ewigen Strudel der Revolutionen retten kann: Herstellung der
Autonomie in den einzelnen Kreisen und Verbesserung der Administration, hatten
sie auch in ihren schwachen Stunden nicht einmal gedacht, Paris war ihnen die
Welt, und die bisherige polizeilich-administrative Centralisation kaum noch streng
genug. Ehrenvolle Ausnahmen, wie Tocqueville, gehörten nicht in diese Coterie.
Mit Recht konnten ihnen die Gegner, wenn sie ihnen Corruption, schlechte Ver¬
waltung u. tgi. vorwarfen, hohnlachend erwiedern, ihr macht es ja ebenso! Das
Pathos stand ihnen schlecht, aber sie konnten witzig sein, und die Achtung vor
Meliere, die Herr Dupin den Pilgern von Belgrave-Square als Pietät gegen
die vaterländische Vergangenheit entgegenstellte, war nicht gemacht.

Studirt Scribe, den größten Dichter dieses inS Moderne übersetzten alten
Frankreich, und ihr habt ein vollständiges Bild dieser glaubenlosen, hohlen, unsitt¬
lichen, aber liebenswürdigen und heitern Welt.

Noch eins dürfen wir bei der dynastischen Opposition nicht vergessen; sie
gehörte, wenigstens in ihren officiellen Organen, ausschließlich der wohlhabenden,
gebildeten Klasse der Gesellschaft an. Sie coqnettirte mit dem „Volk," der Revo¬
lution, dem Krieg, aber alles nur bis zu einer gewissen Grenze; in der orienta¬
lischen Frage eroberte Thiers in seinem Journal die Nheingrcnze, wie er früher
in Spanien intervenirt hatte, aber bei dem ersten entschiedenen Auftreten der
alliirten Mächte ließ er schnell die französische Flotte zurückziehen, um nicht zu
unnöthigen Conflicten Veranlassung zu geben. So provocirte Odillon - Barrot
dnrch die Neformbanquette — beiläufig wieder eine rein formelle Frage, welche die
Principlosigkeit dieser Opposition vollkommen charcckterisirt — die Aufregung des
Volks, aber er blieb zu Hause, als diese Aufregung eine bestimmte Gestalt annahm.

Das war der Unterschied dieser Reaction von der Partei des National,
die sonst in allen wesentlichen Punkten Eins mit ihr war, und ihren Charakter
nur noch deutlicher aussprach, weil sie jünger, heftiger und naiver war. Freilich
trug der National überall die Fahne der Republik zur Schau, aber eS war das
nichts als die alte französische Militärrepnblik, deren Adler siegreich von den Py¬
ramiden bis zum alten Czaarenschloß geweht. Leichtsinnige Bravour, chevalercSke
Gaskonade war der vorherrschende Charakter dieser echt französischen Fraction, die
mit Beranger Spottlieder gegen das Mönchswesen und die Censoren sang, die
Pariser Grisetten feierte, mit den conrfähigen Journalisten der aristokratischen
Salons Kugeln wechselte, mit Andacht auf die Triumphbogen des Märtyrers von
Se. Helena emporblickte, und übrigens mit einer so harmlosen Unbefangenheit die
Politischen Angelegenheiten der „Barbaren" besprach, wie jener türkische Vezier,
der auf die Nachricht von den Siegen der Franzosen über die Oestreicher erwie¬
derte, es ist dem Beherrscher der Gläubigen sehr gleichgiltig, ob der Hund das
Schwein, oder das Schwein den Hund beißt. Im Lügen gebührt dieser Partei


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/21>, abgerufen am 23.12.2024.