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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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zeiung der Geräumigkeit der künftigen Konstitution, Angesichts der Macht unserer Armee,
auf deren Ocean der Reichstag gleich einer Nnßschaalc schaukelt und als täglicher Zeuge
der ausgesprochenen Ccntralisationspläne der Regierung und der Armee plötzlich sich
erhoben, als die Regierung einem Satze die Billigung nicht verleihen möchte, der im¬
mer das Ziel der pernünstigen Bestrebungen der Menschheit bleiben wird und dessen
theoretische Wahrheit schwerlich l'cstrittcn werden mag.

Während nnn ganz Oestreich auf eine seltsam nachdrückliche Weise geeinigt ist und
den Völkern theils die Hoffnung gesichert wird, die bewunderte Großartigkeit der ver¬
einigten Oestreich" zu schauen, theils nicht möglich ist dagegen irgendwie zu prote-
stiren, hat der Reichstag von seiner Zurückgezogenheit in Krcmsier Gebrauch gemacht,
um sich über das Einige Oestreich zu moquiren. Durch eine seltsame Combination der
Umstände ist es gerade dem begeisterten czcchischcn Führer und Redner, Abgeordneten
Rieger, gegönnt worden, die Saiten anzuschlagen, welche lange nachklingen und zwar
um so länger, als der aufgeregte Zustand der Kammer, in Folge der Piukas'schen Mo¬
tion gedämpft, eine Gelegenheit fand, sich Lust zu machen. Die allgemeinste gemüth¬
liche Heiterkeit beschloß die in der Geschichte Oestreich als epochemachend angekündigte
Sitzung. Der östreichische Reichstag lachte über die Zumuthung, die Konstitution eines
Oestreichs zu begründen, nachdem man sich die sauere Mühe vor einigen Augenblicken
gegeben hatte, gegen eine Erklärung in Harnisch zu fahren, welche die Lvyalitäts-
erklärnng gegenüber der Krone nicht ganz klar und bequem gemacht hatte.

Der Zufall, daß gerade Rieger diese wichtige Sitzung mit dem wohlthuenden
Satze derber Witze schließen mußte, ist, wie schon gesagt, sehr bezeichnend. In einer
höchst stürmischen Sitzung des Präger Nationalcomitvs Tags vor dem Namensseste des
vorigen Kaisers 1848, hatten die Herren, worunter Rieger schon damals glänzte, das
Mittel gefunden, gegenüber den destruirendcn Deutschen, ihrem östreichischen Bewußt¬
sein den gehörigen Ausdruck zu verleihen, und Strobach verkündigte als damaliger
Bürgermeister Prags, daß er dafür sorgen werde, daß Prag den nächsten Tag von
einem Walde k. k. schwarzgelber Fahnen wimmeln solle, und es war uns gegönnt, bei
der feierlichen Parade dieses folgenden Tages zahllose Oestreicher, wenn auch nicht
schwarzgelb angestrichen, so doch mit diesen Farben geziert umherwandeln zu sehn. Von
Prag aus ging diese Idee erst nach Wien über und wurde bald verbreitet.

In dieser Neichstagssitzung nun hat Rieger mit ächtem Humor die aufrauschenden
Wogen der Entrüstung unserer Patrioten besänftigt. Die Völker Oestreichs, welche
geeinigt werden, und der Reichstag selbst, welcher in einer bedeutenden Majorität des
ganzen Centrums und der gesammten Rechten die Einigung unterstützte, ist der letzte
Zufluchtsort der widerstrebenden Elemente geworden, nachdem in den Provinzen jeder
Zuckung vorgebaut ist. .

Wir haben diese interessante Erscheinung verfolgt und mit Bedauern die Windun¬
gen dargelegt, welche die östreichischen Völker anwenden, um einem Gefühle auszuweichen,
welches, wie wir allgemein hören, eine festere Bindung bleibt, als die militärischen
Klammern sie gewähren. Diese Erscheinung ist um so auffallender bei der eben so
bekannten Föderationslust der Czechen, als bei der leicht zu begreifenden Schwäche des
östreichischen Reichstages.

Der östreichische Reichstag will ein Föderativvcrhältniß einführen, und dies in
seiner Majorität durch evidente Lovaliätsbcweise mich von der Negierung verdienen,
und zeigt dem wachsamen Auge der zahlreichen Regieruugswächtcr eine so eingewurzelte
Antipathie gegen das Ocswicherthnm. Die Fliehkräfte der östreichischen Völker, welche


zeiung der Geräumigkeit der künftigen Konstitution, Angesichts der Macht unserer Armee,
auf deren Ocean der Reichstag gleich einer Nnßschaalc schaukelt und als täglicher Zeuge
der ausgesprochenen Ccntralisationspläne der Regierung und der Armee plötzlich sich
erhoben, als die Regierung einem Satze die Billigung nicht verleihen möchte, der im¬
mer das Ziel der pernünstigen Bestrebungen der Menschheit bleiben wird und dessen
theoretische Wahrheit schwerlich l'cstrittcn werden mag.

Während nnn ganz Oestreich auf eine seltsam nachdrückliche Weise geeinigt ist und
den Völkern theils die Hoffnung gesichert wird, die bewunderte Großartigkeit der ver¬
einigten Oestreich« zu schauen, theils nicht möglich ist dagegen irgendwie zu prote-
stiren, hat der Reichstag von seiner Zurückgezogenheit in Krcmsier Gebrauch gemacht,
um sich über das Einige Oestreich zu moquiren. Durch eine seltsame Combination der
Umstände ist es gerade dem begeisterten czcchischcn Führer und Redner, Abgeordneten
Rieger, gegönnt worden, die Saiten anzuschlagen, welche lange nachklingen und zwar
um so länger, als der aufgeregte Zustand der Kammer, in Folge der Piukas'schen Mo¬
tion gedämpft, eine Gelegenheit fand, sich Lust zu machen. Die allgemeinste gemüth¬
liche Heiterkeit beschloß die in der Geschichte Oestreich als epochemachend angekündigte
Sitzung. Der östreichische Reichstag lachte über die Zumuthung, die Konstitution eines
Oestreichs zu begründen, nachdem man sich die sauere Mühe vor einigen Augenblicken
gegeben hatte, gegen eine Erklärung in Harnisch zu fahren, welche die Lvyalitäts-
erklärnng gegenüber der Krone nicht ganz klar und bequem gemacht hatte.

Der Zufall, daß gerade Rieger diese wichtige Sitzung mit dem wohlthuenden
Satze derber Witze schließen mußte, ist, wie schon gesagt, sehr bezeichnend. In einer
höchst stürmischen Sitzung des Präger Nationalcomitvs Tags vor dem Namensseste des
vorigen Kaisers 1848, hatten die Herren, worunter Rieger schon damals glänzte, das
Mittel gefunden, gegenüber den destruirendcn Deutschen, ihrem östreichischen Bewußt¬
sein den gehörigen Ausdruck zu verleihen, und Strobach verkündigte als damaliger
Bürgermeister Prags, daß er dafür sorgen werde, daß Prag den nächsten Tag von
einem Walde k. k. schwarzgelber Fahnen wimmeln solle, und es war uns gegönnt, bei
der feierlichen Parade dieses folgenden Tages zahllose Oestreicher, wenn auch nicht
schwarzgelb angestrichen, so doch mit diesen Farben geziert umherwandeln zu sehn. Von
Prag aus ging diese Idee erst nach Wien über und wurde bald verbreitet.

In dieser Neichstagssitzung nun hat Rieger mit ächtem Humor die aufrauschenden
Wogen der Entrüstung unserer Patrioten besänftigt. Die Völker Oestreichs, welche
geeinigt werden, und der Reichstag selbst, welcher in einer bedeutenden Majorität des
ganzen Centrums und der gesammten Rechten die Einigung unterstützte, ist der letzte
Zufluchtsort der widerstrebenden Elemente geworden, nachdem in den Provinzen jeder
Zuckung vorgebaut ist. .

Wir haben diese interessante Erscheinung verfolgt und mit Bedauern die Windun¬
gen dargelegt, welche die östreichischen Völker anwenden, um einem Gefühle auszuweichen,
welches, wie wir allgemein hören, eine festere Bindung bleibt, als die militärischen
Klammern sie gewähren. Diese Erscheinung ist um so auffallender bei der eben so
bekannten Föderationslust der Czechen, als bei der leicht zu begreifenden Schwäche des
östreichischen Reichstages.

Der östreichische Reichstag will ein Föderativvcrhältniß einführen, und dies in
seiner Majorität durch evidente Lovaliätsbcweise mich von der Negierung verdienen,
und zeigt dem wachsamen Auge der zahlreichen Regieruugswächtcr eine so eingewurzelte
Antipathie gegen das Ocswicherthnm. Die Fliehkräfte der östreichischen Völker, welche


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/206>, abgerufen am 23.12.2024.