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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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auch parlamentarisches Ehrgefühl besitzt, sich wesentlich nur durch die Form der
Mlmsterielleu Erklärung verletzt fühlten, während die Linke über den Inhalt
derselben in eine demokratische Entrüstung gerieth. Die ganze Sache würde auch
bis ans einige rhetorische Zornausbrüche Lvhner'S, Fischhofö u. s. w. viel ruhiger
abgelaufen sein, wenn nicht Stadion so "offen" gewesen wäre, der Kämmen'zu
erklären, "daß das Ministerium die sichere Ueberzeugung hege, der ez. 1 werde
von der Kammer nicht gebilligt werden, weil es sonst in der ausdrücklichen oder
stillschweigenden Anerkennung dieses Grundsatzes einen Eingriff in die unwandel¬
baren Grundlagen des monarchischen Princips erkennen müßte." Die Czeche"
würden gewiß nicht die volle Energie ihres Eigensinns in die Aufrechthaltung die¬
ses Paragraphen gelegt haben, wie wir dies unter andern auch ans einer Stelle
der slavischen Centralblättcr, die in dieser Beziehung ziemlich zuverlässig sind, ent¬
nehmen können. Sie lautet: "Wir wollte" den §. I nicht etwa festhalten und
vertheidigen, wir wollten nicht gegen das monarchische Princip irgendwie ankäm¬
pfen! Aber daß man der Kammer nicht einmal Zeit ließ, aus'eigener Selbst¬
bestimmung diesen Paragraph zu modificiren, vielleicht ganz zu beseitigen, daß
man jene so schroffe und rücksichtslose Erklärung, im Falle dieser Paragraph an¬
genommen worden wäre, nicht wenigstens für die dritte Lesung verschob.' das ver¬
letzt uns tief im innersten Herzen, weil es von einer Nichtachtung unserer Loya¬
lität, und unseres Patriotismus zeigt. Wir wollen ans eigenem Antriebe, ans
Ueberzeugung -- aber nichr ans einen ministeriellen Befehl'loyal sein." -- Es
ist übrigens begreiflich, daß ein Ministerium, welches weder den Weltgeist noch
die Aula anerkennt, von seinem Standpunkte es für nöthig erachtete, den Reichs¬
tag von dem Boden der Theorie ans den der Thatsachen zu stellen, als er Miene
zu machen schien, das Recht der Revolution in Kremsier zu proklamiren, während
Fürst Windischgrätz noch immer damit beschäftigt ist, mit der Polemik des Schwer¬
tes diese "Ketzerei" niederzukämpfen. "Alle Staatsgewalten gehen vom Volke
aus!" in diesem Satze ruht die ewige Seligkeit des Volksbeglückers, das Gesetz
und die Propheten der Demokratie, in der vagen Unendlichkeit dieses Satzes
fühlt man sich frei, wie der Vogel in der Lust, 'oder wie der Fisch im Wasser.

Soll der §.1. blos als eine theoretische Grundlage gelten, so läßt es sich
wohl nicht leugnen, daß der Reichstag bei der Berathung der Grundrechte und der
Verfassungsurkunde solche AnhaltSpn'nlle nicht entbehren kann, aber daraus folgt
auch uicht, daß man einem Lehrsätze die Sanction des Gesetzes geben, "ut ihn
durch das große Neichstagssiegel bekräftigen müsse. Durch das bloße Ansspreckcn
eines der Theorie entnommenen Satzes ist noch nichts gethan; das Wort muß
erst Fleisch werden, und in einem abgeschlossenen System vernünftiger, freier In--
stitntionen seine Wahrheit finden. Zudem sind noch die Depuiirteu, die für den
§. sprachen, in die unangenehme Lage versetzt worden, ihn theoretisch beweisen zu
müsse", wodurch dieser ^atz erst mehr als je in Frage gestellt wurde, weil sie in
der Naivität ihres gesunde" Menschenverstandes ihre' Kräfte etwas zu hoch an¬
schlugen. Auch das Volk von Wien suchte vor Kurzem mit einer ähnlichen naive"
Verwegenheit seine Souveränität in einem Gotleögerichtstampfe zu beweisen, und
benahm so, indem eS dem Rechte des starkem ni'lag, seinen demokratisch gesinn¬
te" Vertretern für die Debatte über den K. I. den feste", realistischen Boden.
Diesen bUcb daher nichts anderes übrig, als von der Souveränität Adams und
dem goldenen Zeitalter zu reden, und'darzuthun. daß Völker nicht der Fürsten
wegen da seien, wie man lange geglaubt habe^ Der Vorrarh solcher Phrase" wird
den Mitgliedern unserer Constituante nie ausgehen; sie sind großentheils in A>ta-
dien geboren, und darum fällt es ihnen auch so schwer, Oestreicher zu werden.
Mitten im Winterfrost der Restauration gedeihen noch immer Eisblumen ihrer
demokratischen Phantasien. Mährend Italien und Galizien sich im Bclagerungö-


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auch parlamentarisches Ehrgefühl besitzt, sich wesentlich nur durch die Form der
Mlmsterielleu Erklärung verletzt fühlten, während die Linke über den Inhalt
derselben in eine demokratische Entrüstung gerieth. Die ganze Sache würde auch
bis ans einige rhetorische Zornausbrüche Lvhner'S, Fischhofö u. s. w. viel ruhiger
abgelaufen sein, wenn nicht Stadion so „offen" gewesen wäre, der Kämmen'zu
erklären, „daß das Ministerium die sichere Ueberzeugung hege, der ez. 1 werde
von der Kammer nicht gebilligt werden, weil es sonst in der ausdrücklichen oder
stillschweigenden Anerkennung dieses Grundsatzes einen Eingriff in die unwandel¬
baren Grundlagen des monarchischen Princips erkennen müßte." Die Czeche»
würden gewiß nicht die volle Energie ihres Eigensinns in die Aufrechthaltung die¬
ses Paragraphen gelegt haben, wie wir dies unter andern auch ans einer Stelle
der slavischen Centralblättcr, die in dieser Beziehung ziemlich zuverlässig sind, ent¬
nehmen können. Sie lautet: „Wir wollte» den §. I nicht etwa festhalten und
vertheidigen, wir wollten nicht gegen das monarchische Princip irgendwie ankäm¬
pfen! Aber daß man der Kammer nicht einmal Zeit ließ, aus'eigener Selbst¬
bestimmung diesen Paragraph zu modificiren, vielleicht ganz zu beseitigen, daß
man jene so schroffe und rücksichtslose Erklärung, im Falle dieser Paragraph an¬
genommen worden wäre, nicht wenigstens für die dritte Lesung verschob.' das ver¬
letzt uns tief im innersten Herzen, weil es von einer Nichtachtung unserer Loya¬
lität, und unseres Patriotismus zeigt. Wir wollen ans eigenem Antriebe, ans
Ueberzeugung — aber nichr ans einen ministeriellen Befehl'loyal sein." — Es
ist übrigens begreiflich, daß ein Ministerium, welches weder den Weltgeist noch
die Aula anerkennt, von seinem Standpunkte es für nöthig erachtete, den Reichs¬
tag von dem Boden der Theorie ans den der Thatsachen zu stellen, als er Miene
zu machen schien, das Recht der Revolution in Kremsier zu proklamiren, während
Fürst Windischgrätz noch immer damit beschäftigt ist, mit der Polemik des Schwer¬
tes diese „Ketzerei" niederzukämpfen. „Alle Staatsgewalten gehen vom Volke
aus!" in diesem Satze ruht die ewige Seligkeit des Volksbeglückers, das Gesetz
und die Propheten der Demokratie, in der vagen Unendlichkeit dieses Satzes
fühlt man sich frei, wie der Vogel in der Lust, 'oder wie der Fisch im Wasser.

Soll der §.1. blos als eine theoretische Grundlage gelten, so läßt es sich
wohl nicht leugnen, daß der Reichstag bei der Berathung der Grundrechte und der
Verfassungsurkunde solche AnhaltSpn'nlle nicht entbehren kann, aber daraus folgt
auch uicht, daß man einem Lehrsätze die Sanction des Gesetzes geben, »ut ihn
durch das große Neichstagssiegel bekräftigen müsse. Durch das bloße Ansspreckcn
eines der Theorie entnommenen Satzes ist noch nichts gethan; das Wort muß
erst Fleisch werden, und in einem abgeschlossenen System vernünftiger, freier In--
stitntionen seine Wahrheit finden. Zudem sind noch die Depuiirteu, die für den
§. sprachen, in die unangenehme Lage versetzt worden, ihn theoretisch beweisen zu
müsse», wodurch dieser ^atz erst mehr als je in Frage gestellt wurde, weil sie in
der Naivität ihres gesunde» Menschenverstandes ihre' Kräfte etwas zu hoch an¬
schlugen. Auch das Volk von Wien suchte vor Kurzem mit einer ähnlichen naive»
Verwegenheit seine Souveränität in einem Gotleögerichtstampfe zu beweisen, und
benahm so, indem eS dem Rechte des starkem ni'lag, seinen demokratisch gesinn¬
te» Vertretern für die Debatte über den K. I. den feste», realistischen Boden.
Diesen bUcb daher nichts anderes übrig, als von der Souveränität Adams und
dem goldenen Zeitalter zu reden, und'darzuthun. daß Völker nicht der Fürsten
wegen da seien, wie man lange geglaubt habe^ Der Vorrarh solcher Phrase» wird
den Mitgliedern unserer Constituante nie ausgehen; sie sind großentheils in A>ta-
dien geboren, und darum fällt es ihnen auch so schwer, Oestreicher zu werden.
Mitten im Winterfrost der Restauration gedeihen noch immer Eisblumen ihrer
demokratischen Phantasien. Mährend Italien und Galizien sich im Bclagerungö-


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[0203] auch parlamentarisches Ehrgefühl besitzt, sich wesentlich nur durch die Form der Mlmsterielleu Erklärung verletzt fühlten, während die Linke über den Inhalt derselben in eine demokratische Entrüstung gerieth. Die ganze Sache würde auch bis ans einige rhetorische Zornausbrüche Lvhner'S, Fischhofö u. s. w. viel ruhiger abgelaufen sein, wenn nicht Stadion so „offen" gewesen wäre, der Kämmen'zu erklären, „daß das Ministerium die sichere Ueberzeugung hege, der ez. 1 werde von der Kammer nicht gebilligt werden, weil es sonst in der ausdrücklichen oder stillschweigenden Anerkennung dieses Grundsatzes einen Eingriff in die unwandel¬ baren Grundlagen des monarchischen Princips erkennen müßte." Die Czeche» würden gewiß nicht die volle Energie ihres Eigensinns in die Aufrechthaltung die¬ ses Paragraphen gelegt haben, wie wir dies unter andern auch ans einer Stelle der slavischen Centralblättcr, die in dieser Beziehung ziemlich zuverlässig sind, ent¬ nehmen können. Sie lautet: „Wir wollte» den §. I nicht etwa festhalten und vertheidigen, wir wollten nicht gegen das monarchische Princip irgendwie ankäm¬ pfen! Aber daß man der Kammer nicht einmal Zeit ließ, aus'eigener Selbst¬ bestimmung diesen Paragraph zu modificiren, vielleicht ganz zu beseitigen, daß man jene so schroffe und rücksichtslose Erklärung, im Falle dieser Paragraph an¬ genommen worden wäre, nicht wenigstens für die dritte Lesung verschob.' das ver¬ letzt uns tief im innersten Herzen, weil es von einer Nichtachtung unserer Loya¬ lität, und unseres Patriotismus zeigt. Wir wollen ans eigenem Antriebe, ans Ueberzeugung — aber nichr ans einen ministeriellen Befehl'loyal sein." — Es ist übrigens begreiflich, daß ein Ministerium, welches weder den Weltgeist noch die Aula anerkennt, von seinem Standpunkte es für nöthig erachtete, den Reichs¬ tag von dem Boden der Theorie ans den der Thatsachen zu stellen, als er Miene zu machen schien, das Recht der Revolution in Kremsier zu proklamiren, während Fürst Windischgrätz noch immer damit beschäftigt ist, mit der Polemik des Schwer¬ tes diese „Ketzerei" niederzukämpfen. „Alle Staatsgewalten gehen vom Volke aus!" in diesem Satze ruht die ewige Seligkeit des Volksbeglückers, das Gesetz und die Propheten der Demokratie, in der vagen Unendlichkeit dieses Satzes fühlt man sich frei, wie der Vogel in der Lust, 'oder wie der Fisch im Wasser. Soll der §.1. blos als eine theoretische Grundlage gelten, so läßt es sich wohl nicht leugnen, daß der Reichstag bei der Berathung der Grundrechte und der Verfassungsurkunde solche AnhaltSpn'nlle nicht entbehren kann, aber daraus folgt auch uicht, daß man einem Lehrsätze die Sanction des Gesetzes geben, »ut ihn durch das große Neichstagssiegel bekräftigen müsse. Durch das bloße Ansspreckcn eines der Theorie entnommenen Satzes ist noch nichts gethan; das Wort muß erst Fleisch werden, und in einem abgeschlossenen System vernünftiger, freier In-- stitntionen seine Wahrheit finden. Zudem sind noch die Depuiirteu, die für den §. sprachen, in die unangenehme Lage versetzt worden, ihn theoretisch beweisen zu müsse», wodurch dieser ^atz erst mehr als je in Frage gestellt wurde, weil sie in der Naivität ihres gesunde» Menschenverstandes ihre' Kräfte etwas zu hoch an¬ schlugen. Auch das Volk von Wien suchte vor Kurzem mit einer ähnlichen naive» Verwegenheit seine Souveränität in einem Gotleögerichtstampfe zu beweisen, und benahm so, indem eS dem Rechte des starkem ni'lag, seinen demokratisch gesinn¬ te» Vertretern für die Debatte über den K. I. den feste», realistischen Boden. Diesen bUcb daher nichts anderes übrig, als von der Souveränität Adams und dem goldenen Zeitalter zu reden, und'darzuthun. daß Völker nicht der Fürsten wegen da seien, wie man lange geglaubt habe^ Der Vorrarh solcher Phrase» wird den Mitgliedern unserer Constituante nie ausgehen; sie sind großentheils in A>ta- dien geboren, und darum fällt es ihnen auch so schwer, Oestreicher zu werden. Mitten im Winterfrost der Restauration gedeihen noch immer Eisblumen ihrer demokratischen Phantasien. Mährend Italien und Galizien sich im Bclagerungö- S5*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/203>, abgerufen am 23.12.2024.