Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

annahm. Herr v. Schmerling, derselbe, welcher die Buntröcke ins Land geschickt
und mit einigen Compagnien zehn wackelnde Throne wieder zurecht gerichtet hatte.
Unter seinen Auspicien wurde der ebenfalls erwähnte Congreß nach Gotha zusam¬
mengerufen, lind wie sein sich derselbe seiner Aufgabe entledigte, haben wir Pu¬
blikum zu unserer angenehmen Ueberraschung in den letzten Tagen erfahren. ES
war zu spät, die Fürsten und die Völker hatten die Schwärmerei überwunden,
sie war ihnen unheimlich geworden. Ich meines Theils hätte den Herren Bevoll¬
mächtigten der kleinen Staaten kaum so viel diplomatische Routine zugetraut, denn
es gehörte etwas dazu, Herrn v. Schmerling auf eine honette Manier an der
Nase herumzuführen.

Unter den mancherlei unangenehmen Lehren, die sich ein deutscher politischer
Mann daraus entnehmen mag, steht wenigstens die eine über alle etwaige An¬
fechtungen erhaben da: das Volk als solches in den Kleinstaaten selbst ist bis
jetzt noch durchaus unfähig zu vernünftigeren staatlichen Zuständen. Die alten
über den Haufen zu werfe", uuter großem Hollah und unersetzlicher Verwüstung --
das wäre man allenfalls in Thüringen und anders wo ohne die Dazwischenkunft
der Mcnschenmaschiuen im Dienste der politischen Vernunft, der Reichstruppen,
im Stande gewesen. Aber wer jetzt noch von Landgrafen und thüringischer Re¬
publik faselt, der hat keinen Begriff, wovon es sich bei der ganzen Sache han¬
delt. Darum ist es gut, daß man dazwischen fuhr, ehe die Kopfe noch wirrer
wurden und noch größerer Schaden sich ereignete, als zerbrochene Biergläscr und
einige Beulen an dem Orte, wo sich bei andern Menschen die Deukorgaue zu
befinden Pflegen.

-- Der Landgraf ist todt, die Republik Thüringen ist nicht fertig geworden,
dagegen läuft Kleinstaatelei, die klatschlustige alte Person, jetzt aufgeregt und
händelsüchtig von Haus zu Haus und nimmt alle Herzen ein. -- Bessern wir's!




5 -K
Wahlscenen in Berlin.



"Es gibt mehr Ding' im Himmel und auf Erden, als Eure Schulweisheit
sich träumen läßt," -- es gibt auch freie Wahlen im Belagerungszustände und
unter dem Martialgesetze. Die Negierung ist fest entschlossen, sich nicht direct in
die Wahlen zu mischen, solche Kleinigkeiten, wie Belagerungszustände, gehören ohne
Zweifel zu dem "leisen heilsamen Einfluß," den sie sämmtliche Behörden auszu¬
üben bittet. Vater Wrangel mit seinem fideler Blicke scheint wenig geneigt, seine
Novembererrungenschaft so leichten Kaufs aus deu Händen zu geben, er steht fest
auf seinem Posten wie weiland Papa Weichsel auf der Rednertribüne, obwohl
selbst die heilige Kreuzzeitung anzeigte, er werde "leider!" denselben verlassen.
Seitdem Herr Professor Stahl uns gründlichst bewiesen, das Wesen des Consti-


"Srenzbottn. l. 18i!1. 24

annahm. Herr v. Schmerling, derselbe, welcher die Buntröcke ins Land geschickt
und mit einigen Compagnien zehn wackelnde Throne wieder zurecht gerichtet hatte.
Unter seinen Auspicien wurde der ebenfalls erwähnte Congreß nach Gotha zusam¬
mengerufen, lind wie sein sich derselbe seiner Aufgabe entledigte, haben wir Pu¬
blikum zu unserer angenehmen Ueberraschung in den letzten Tagen erfahren. ES
war zu spät, die Fürsten und die Völker hatten die Schwärmerei überwunden,
sie war ihnen unheimlich geworden. Ich meines Theils hätte den Herren Bevoll¬
mächtigten der kleinen Staaten kaum so viel diplomatische Routine zugetraut, denn
es gehörte etwas dazu, Herrn v. Schmerling auf eine honette Manier an der
Nase herumzuführen.

Unter den mancherlei unangenehmen Lehren, die sich ein deutscher politischer
Mann daraus entnehmen mag, steht wenigstens die eine über alle etwaige An¬
fechtungen erhaben da: das Volk als solches in den Kleinstaaten selbst ist bis
jetzt noch durchaus unfähig zu vernünftigeren staatlichen Zuständen. Die alten
über den Haufen zu werfe», uuter großem Hollah und unersetzlicher Verwüstung —
das wäre man allenfalls in Thüringen und anders wo ohne die Dazwischenkunft
der Mcnschenmaschiuen im Dienste der politischen Vernunft, der Reichstruppen,
im Stande gewesen. Aber wer jetzt noch von Landgrafen und thüringischer Re¬
publik faselt, der hat keinen Begriff, wovon es sich bei der ganzen Sache han¬
delt. Darum ist es gut, daß man dazwischen fuhr, ehe die Kopfe noch wirrer
wurden und noch größerer Schaden sich ereignete, als zerbrochene Biergläscr und
einige Beulen an dem Orte, wo sich bei andern Menschen die Deukorgaue zu
befinden Pflegen.

— Der Landgraf ist todt, die Republik Thüringen ist nicht fertig geworden,
dagegen läuft Kleinstaatelei, die klatschlustige alte Person, jetzt aufgeregt und
händelsüchtig von Haus zu Haus und nimmt alle Herzen ein. — Bessern wir's!




5 -K
Wahlscenen in Berlin.



„Es gibt mehr Ding' im Himmel und auf Erden, als Eure Schulweisheit
sich träumen läßt," — es gibt auch freie Wahlen im Belagerungszustände und
unter dem Martialgesetze. Die Negierung ist fest entschlossen, sich nicht direct in
die Wahlen zu mischen, solche Kleinigkeiten, wie Belagerungszustände, gehören ohne
Zweifel zu dem „leisen heilsamen Einfluß," den sie sämmtliche Behörden auszu¬
üben bittet. Vater Wrangel mit seinem fideler Blicke scheint wenig geneigt, seine
Novembererrungenschaft so leichten Kaufs aus deu Händen zu geben, er steht fest
auf seinem Posten wie weiland Papa Weichsel auf der Rednertribüne, obwohl
selbst die heilige Kreuzzeitung anzeigte, er werde „leider!" denselben verlassen.
Seitdem Herr Professor Stahl uns gründlichst bewiesen, das Wesen des Consti-


«Srenzbottn. l. 18i!1. 24
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0193" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278181"/>
          <p xml:id="ID_604" prev="#ID_603"> annahm. Herr v. Schmerling, derselbe, welcher die Buntröcke ins Land geschickt<lb/>
und mit einigen Compagnien zehn wackelnde Throne wieder zurecht gerichtet hatte.<lb/>
Unter seinen Auspicien wurde der ebenfalls erwähnte Congreß nach Gotha zusam¬<lb/>
mengerufen, lind wie sein sich derselbe seiner Aufgabe entledigte, haben wir Pu¬<lb/>
blikum zu unserer angenehmen Ueberraschung in den letzten Tagen erfahren. ES<lb/>
war zu spät, die Fürsten und die Völker hatten die Schwärmerei überwunden,<lb/>
sie war ihnen unheimlich geworden. Ich meines Theils hätte den Herren Bevoll¬<lb/>
mächtigten der kleinen Staaten kaum so viel diplomatische Routine zugetraut, denn<lb/>
es gehörte etwas dazu, Herrn v. Schmerling auf eine honette Manier an der<lb/>
Nase herumzuführen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_605"> Unter den mancherlei unangenehmen Lehren, die sich ein deutscher politischer<lb/>
Mann daraus entnehmen mag, steht wenigstens die eine über alle etwaige An¬<lb/>
fechtungen erhaben da: das Volk als solches in den Kleinstaaten selbst ist bis<lb/>
jetzt noch durchaus unfähig zu vernünftigeren staatlichen Zuständen. Die alten<lb/>
über den Haufen zu werfe», uuter großem Hollah und unersetzlicher Verwüstung &#x2014;<lb/>
das wäre man allenfalls in Thüringen und anders wo ohne die Dazwischenkunft<lb/>
der Mcnschenmaschiuen im Dienste der politischen Vernunft, der Reichstruppen,<lb/>
im Stande gewesen. Aber wer jetzt noch von Landgrafen und thüringischer Re¬<lb/>
publik faselt, der hat keinen Begriff, wovon es sich bei der ganzen Sache han¬<lb/>
delt. Darum ist es gut, daß man dazwischen fuhr, ehe die Kopfe noch wirrer<lb/>
wurden und noch größerer Schaden sich ereignete, als zerbrochene Biergläscr und<lb/>
einige Beulen an dem Orte, wo sich bei andern Menschen die Deukorgaue zu<lb/>
befinden Pflegen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_606"> &#x2014; Der Landgraf ist todt, die Republik Thüringen ist nicht fertig geworden,<lb/>
dagegen läuft Kleinstaatelei, die klatschlustige alte Person, jetzt aufgeregt und<lb/>
händelsüchtig von Haus zu Haus und nimmt alle Herzen ein. &#x2014; Bessern wir's!</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <note type="byline"> 5 -K</note><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Wahlscenen in Berlin.</head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p xml:id="ID_607" next="#ID_608"> &#x201E;Es gibt mehr Ding' im Himmel und auf Erden, als Eure Schulweisheit<lb/>
sich träumen läßt," &#x2014; es gibt auch freie Wahlen im Belagerungszustände und<lb/>
unter dem Martialgesetze. Die Negierung ist fest entschlossen, sich nicht direct in<lb/>
die Wahlen zu mischen, solche Kleinigkeiten, wie Belagerungszustände, gehören ohne<lb/>
Zweifel zu dem &#x201E;leisen heilsamen Einfluß," den sie sämmtliche Behörden auszu¬<lb/>
üben bittet. Vater Wrangel mit seinem fideler Blicke scheint wenig geneigt, seine<lb/>
Novembererrungenschaft so leichten Kaufs aus deu Händen zu geben, er steht fest<lb/>
auf seinem Posten wie weiland Papa Weichsel auf der Rednertribüne, obwohl<lb/>
selbst die heilige Kreuzzeitung anzeigte, er werde &#x201E;leider!" denselben verlassen.<lb/>
Seitdem Herr Professor Stahl uns gründlichst bewiesen, das Wesen des Consti-</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> «Srenzbottn. l. 18i!1. 24</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0193] annahm. Herr v. Schmerling, derselbe, welcher die Buntröcke ins Land geschickt und mit einigen Compagnien zehn wackelnde Throne wieder zurecht gerichtet hatte. Unter seinen Auspicien wurde der ebenfalls erwähnte Congreß nach Gotha zusam¬ mengerufen, lind wie sein sich derselbe seiner Aufgabe entledigte, haben wir Pu¬ blikum zu unserer angenehmen Ueberraschung in den letzten Tagen erfahren. ES war zu spät, die Fürsten und die Völker hatten die Schwärmerei überwunden, sie war ihnen unheimlich geworden. Ich meines Theils hätte den Herren Bevoll¬ mächtigten der kleinen Staaten kaum so viel diplomatische Routine zugetraut, denn es gehörte etwas dazu, Herrn v. Schmerling auf eine honette Manier an der Nase herumzuführen. Unter den mancherlei unangenehmen Lehren, die sich ein deutscher politischer Mann daraus entnehmen mag, steht wenigstens die eine über alle etwaige An¬ fechtungen erhaben da: das Volk als solches in den Kleinstaaten selbst ist bis jetzt noch durchaus unfähig zu vernünftigeren staatlichen Zuständen. Die alten über den Haufen zu werfe», uuter großem Hollah und unersetzlicher Verwüstung — das wäre man allenfalls in Thüringen und anders wo ohne die Dazwischenkunft der Mcnschenmaschiuen im Dienste der politischen Vernunft, der Reichstruppen, im Stande gewesen. Aber wer jetzt noch von Landgrafen und thüringischer Re¬ publik faselt, der hat keinen Begriff, wovon es sich bei der ganzen Sache han¬ delt. Darum ist es gut, daß man dazwischen fuhr, ehe die Kopfe noch wirrer wurden und noch größerer Schaden sich ereignete, als zerbrochene Biergläscr und einige Beulen an dem Orte, wo sich bei andern Menschen die Deukorgaue zu befinden Pflegen. — Der Landgraf ist todt, die Republik Thüringen ist nicht fertig geworden, dagegen läuft Kleinstaatelei, die klatschlustige alte Person, jetzt aufgeregt und händelsüchtig von Haus zu Haus und nimmt alle Herzen ein. — Bessern wir's! 5 -K Wahlscenen in Berlin. „Es gibt mehr Ding' im Himmel und auf Erden, als Eure Schulweisheit sich träumen läßt," — es gibt auch freie Wahlen im Belagerungszustände und unter dem Martialgesetze. Die Negierung ist fest entschlossen, sich nicht direct in die Wahlen zu mischen, solche Kleinigkeiten, wie Belagerungszustände, gehören ohne Zweifel zu dem „leisen heilsamen Einfluß," den sie sämmtliche Behörden auszu¬ üben bittet. Vater Wrangel mit seinem fideler Blicke scheint wenig geneigt, seine Novembererrungenschaft so leichten Kaufs aus deu Händen zu geben, er steht fest auf seinem Posten wie weiland Papa Weichsel auf der Rednertribüne, obwohl selbst die heilige Kreuzzeitung anzeigte, er werde „leider!" denselben verlassen. Seitdem Herr Professor Stahl uns gründlichst bewiesen, das Wesen des Consti- «Srenzbottn. l. 18i!1. 24

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/193
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/193>, abgerufen am 03.07.2024.