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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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welches an die Schweden den Sieger von Fehrbellin verkauften, eine kläglichere
Stellung einnehmen.

Nach dem Frieden schieden sich die Elemente. Durch die pragmatische Sanc¬
tion consolidirte sich Oestreich, in dem neuen Königreich Preußen erwarb sich eine
protestantisch deutsche Macht, durch ihre Verhältnisse zu Polen an den außerdeut¬
schen Welthändeln betheiligt, das Recht der Legitimität. Der Friede zu Aachen
stellte die pragmatische Sanction sest, wenn anch mit Opfern, der siebenjährige
Krieg erhob das junge Preußen - den ersten Keim zur Entwicklung eines neuen
Deutschland, zu einer welthistorischen Bedeutung. Als Träger der neuen Auf¬
klärung und des modernen Staatsprincips, des aufgeklärte" Absolutismus, erhob
Friedrich der Große diese Bedeutung zu einem höhern Recht.

Aufgelöst war das römische Reich schon lange; der siebenjährige Krieg gab
aber die Möglichkeit einer neuen Gestaltung, einen Dualismus, der endlich zur
Bildung von zwei verschiedenen Staatssystemen führen mußte. Auf beiden Seiten
ein Militärstaat, der aber durch Friedrich und Joseph zugleich als Träger der
Cultur sich ankündigte; die Bahn beider mit innerer Nothwendigkeit nach entgegen¬
gesetzten Richtungen divergirend; in der Mitte ein neutraler Boden, in dem zu¬
nächst nur ungesunde Schmarotzerpflanzen gediehen. An eine Vereinigung der
beiden Staaten war nicht weiter zu denken; es kam darauf an, wer das übrige
Deutschland mit sich fortriß, denn eine selbstständige Existenz desselben war eine
der absurdesten Phantasien unserer süddeutschen Doktrinärs.

Die Revolution und ihr Erbe, Napoleon, schob einen Keil zwischen beide;
gemeinschaftlich bedroht mußten sie sich endlich gegen den Feind einigen. Die
Ohnmacht der Fürsten erzeugte im Volk die Idee eines einigen Deutschland, aber
die Entscheidung fiel in die Hände der Staatsmänner, Oestreich verschmähte die
römische Kaiserkrone, und begnügte sich damit, das bisherige Gebiet des Reichs
in das System der heiligen Allianz zu ziehn und dem Gedanken der Restauration
zu unterwerfen.

Metternich war ein gewitzter, nicht ein großer Staatsmann. Die militärische
Restauration des östreichischen Staats, die auch über die neuesten Stürme den
Sieg davon getragen hat, ist sein Werk. Aber er wußte dieses Werk durch keine
schöpferische Idee zu beleben; in äußerlichen Zwang, in starrer Jsolirung von dem
Zusammenhang der Cultur hielt er die widerstrebenden Kräfte gebunden. Er
stellte in Italien den alten Ghibellinischen Einfluß wieder her, in strengem Ver¬
band mit der römischen Kirche, er opferte dem Bündniß mit Rußland die eigent¬
liche Aufgabe seines Staats, den Einfluß auf den Osten, und verstand es, die
drohende Nebenbuhlerschaft Preußens in der Beherrschung des Reichs dadurch zu
Paralysiren, daß er den ultramontanen Haß gegen den specifisch protestantischen
Staat und in diesem selbst die Gespensterfurcht des altherkömmlichen bureaukrati--
schen Schlendrians in seinen Dienst zog.


welches an die Schweden den Sieger von Fehrbellin verkauften, eine kläglichere
Stellung einnehmen.

Nach dem Frieden schieden sich die Elemente. Durch die pragmatische Sanc¬
tion consolidirte sich Oestreich, in dem neuen Königreich Preußen erwarb sich eine
protestantisch deutsche Macht, durch ihre Verhältnisse zu Polen an den außerdeut¬
schen Welthändeln betheiligt, das Recht der Legitimität. Der Friede zu Aachen
stellte die pragmatische Sanction sest, wenn anch mit Opfern, der siebenjährige
Krieg erhob das junge Preußen - den ersten Keim zur Entwicklung eines neuen
Deutschland, zu einer welthistorischen Bedeutung. Als Träger der neuen Auf¬
klärung und des modernen Staatsprincips, des aufgeklärte» Absolutismus, erhob
Friedrich der Große diese Bedeutung zu einem höhern Recht.

Aufgelöst war das römische Reich schon lange; der siebenjährige Krieg gab
aber die Möglichkeit einer neuen Gestaltung, einen Dualismus, der endlich zur
Bildung von zwei verschiedenen Staatssystemen führen mußte. Auf beiden Seiten
ein Militärstaat, der aber durch Friedrich und Joseph zugleich als Träger der
Cultur sich ankündigte; die Bahn beider mit innerer Nothwendigkeit nach entgegen¬
gesetzten Richtungen divergirend; in der Mitte ein neutraler Boden, in dem zu¬
nächst nur ungesunde Schmarotzerpflanzen gediehen. An eine Vereinigung der
beiden Staaten war nicht weiter zu denken; es kam darauf an, wer das übrige
Deutschland mit sich fortriß, denn eine selbstständige Existenz desselben war eine
der absurdesten Phantasien unserer süddeutschen Doktrinärs.

Die Revolution und ihr Erbe, Napoleon, schob einen Keil zwischen beide;
gemeinschaftlich bedroht mußten sie sich endlich gegen den Feind einigen. Die
Ohnmacht der Fürsten erzeugte im Volk die Idee eines einigen Deutschland, aber
die Entscheidung fiel in die Hände der Staatsmänner, Oestreich verschmähte die
römische Kaiserkrone, und begnügte sich damit, das bisherige Gebiet des Reichs
in das System der heiligen Allianz zu ziehn und dem Gedanken der Restauration
zu unterwerfen.

Metternich war ein gewitzter, nicht ein großer Staatsmann. Die militärische
Restauration des östreichischen Staats, die auch über die neuesten Stürme den
Sieg davon getragen hat, ist sein Werk. Aber er wußte dieses Werk durch keine
schöpferische Idee zu beleben; in äußerlichen Zwang, in starrer Jsolirung von dem
Zusammenhang der Cultur hielt er die widerstrebenden Kräfte gebunden. Er
stellte in Italien den alten Ghibellinischen Einfluß wieder her, in strengem Ver¬
band mit der römischen Kirche, er opferte dem Bündniß mit Rußland die eigent¬
liche Aufgabe seines Staats, den Einfluß auf den Osten, und verstand es, die
drohende Nebenbuhlerschaft Preußens in der Beherrschung des Reichs dadurch zu
Paralysiren, daß er den ultramontanen Haß gegen den specifisch protestantischen
Staat und in diesem selbst die Gespensterfurcht des altherkömmlichen bureaukrati--
schen Schlendrians in seinen Dienst zog.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/175>, abgerufen am 23.07.2024.