Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.Exc. Puppenkomödien geschrieben. Wollte man einen Demokraten vom reinsten Wasser A n s W i e n. Traurig sehr traurig sieht es bei ruf ans! Sollte ich Ihnen ein anschauliches Exc. Puppenkomödien geschrieben. Wollte man einen Demokraten vom reinsten Wasser A n s W i e n. Traurig sehr traurig sieht es bei ruf ans! Sollte ich Ihnen ein anschauliches <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0167" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278155"/> <p xml:id="ID_522" prev="#ID_521"> Exc. Puppenkomödien geschrieben. Wollte man einen Demokraten vom reinsten Wasser<lb/> nicht gestatten, was solch einem Reactionär erlaubt sei? Jetzt aber, nach Beendigung<lb/> seiner Wcihnachtsausstellung im Hotel de Russie, hat man ihn gar nach dem Schuld¬<lb/> thurme gebracht — um schnöden Geldes willen! Das ist der Humor der Demagogie.<lb/> Einer seiner Verehrer meint in der Tante Voß: Jedermann wisse, wie Held seine<lb/> ganze Zeit dem Dienste deS Volkes gewidmet und werde es daher auch ganz natür¬<lb/> lich finden, daß der Ehrenmann Schulden gemacht während der Revolution — von<lb/> Schande könne dabei also gar nicht die Rede sein. Der souveräne Lindenmüller ist<lb/> eingesteckt; Vater Karbe, der unter den Zelten gegen die Jesuiten aller Art zu don¬<lb/> nern pflegte, sitzt in der Hausvogtei. Eichlcr, dem die neue Preußische den Proceß<lb/> gemacht zu sehen wünschte wegen „Ermordung" einer Schildwache in der März¬<lb/> nacht, ist glücklich nach Paris entkommen. Die Kreuzzeitung hat es ans ihn besonders<lb/> abgesehen; ihr Korrespondent hat ihn zu Koblenz gesehen mit einem großen Sacke voll<lb/> Randdukaten und einem gewaltigen Waffcntransporte. Eichlcr und Dukaten! seine hie¬<lb/> sigen Gläubiger sind außer sich gerathen vor Freien über diese Nachricht; Herrn<lb/> Hengstenberg's und Leo'S Organ aber könnte wenigstens etwas geschickter lügen. So<lb/> sind sie denn versprengt über die ganze Erde, die Apostel der Demokratie, ob sie<lb/> anderwärts viel Proselyten machen werden, muß dahingestellt bleiben — hier in Berlin<lb/> sür's erste wenigstens nicht mehr. Nur noch einzelne von ihnen irren bei uns umher<lb/> und drücken sich verstohlen die Hände, laut seufzend: „Es steht schlecht um die De¬<lb/> mokratie — der Preußenverein hat alles Geld!" — Von Politik zu reden, gilt ihnen<lb/> für unfashiouabel, sie warten ruhig einen neuen Sturm aus Westen ab, um sich wieder<lb/> auf den Boden der Revolution zu stellen." Einstweilen arbeiten sie an den Witzen<lb/> für Kladcradatsch und Krakehler. —</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> A n s W i e n.</head><lb/> <p xml:id="ID_523" next="#ID_524"> Traurig sehr traurig sieht es bei ruf ans! Sollte ich Ihnen ein anschauliches<lb/> Bild von Wien in diesem Augenblicke geben, so würde ich Sie an jene Maskenfigur<lb/> erinnern, welche bei Ihnen in Norddeutschland unter dem Namen Fledermaus so häusig<lb/> gebraucht wird. Ein langes graues Tuch über.Leib und Kopf gezogen und statt des<lb/> Gesichts eine große grinsende Fratze. So ficht Wien, in den Belagerungszustand ge¬<lb/> hüllt, aus, nach außen durch die Militärnntcrsuchungscommission repräsentirt. Der<lb/> Geist des Volkes in allen Schichten ist sehr gedrückt und die kühnen Hoffnungen, welche<lb/> die vernünftige Fortschrittspartei, von den schwarzgelben angefangen bis zu den Ge-<lb/> mäßigtradicalen aus das eingetretene Ministerium und ans den günstigen Fortgang der<lb/> Besetzung Ungarns gesetzt haben, sinken von Tag zu Tag. Man scheint in den „höch¬<lb/> sten Kreisen" dem ungehorsamen Kind an der Donau noch immer sehr zu grollen und<lb/> nachdem ihm die Weihnachten bereits verbittert wurden auch keinen lustigen Fasching zu<lb/> gönnen. Und das gutmüthige Kind, das von den demokratischen Erziehern ein wenig<lb/> verzogen, aber doch immer unverdorbenen Herzens geblieben war, scheint sich nun in<lb/> seinen geheimen Groll verbeißen zu wollen und so, fürchte ich, verdirbt uns die un¬<lb/> politische Härte unserer jetzigen Meister und Herrn, die guten Anlagen, welche in der<lb/> Natur unsers Volkes liegen. Wie weit muß schon die Erbitterung in den untern Volks¬<lb/> klassen gediehen sein, wenn Mordansälle am hellen Tage gegen vorübergehende Soldaten</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0167]
Exc. Puppenkomödien geschrieben. Wollte man einen Demokraten vom reinsten Wasser
nicht gestatten, was solch einem Reactionär erlaubt sei? Jetzt aber, nach Beendigung
seiner Wcihnachtsausstellung im Hotel de Russie, hat man ihn gar nach dem Schuld¬
thurme gebracht — um schnöden Geldes willen! Das ist der Humor der Demagogie.
Einer seiner Verehrer meint in der Tante Voß: Jedermann wisse, wie Held seine
ganze Zeit dem Dienste deS Volkes gewidmet und werde es daher auch ganz natür¬
lich finden, daß der Ehrenmann Schulden gemacht während der Revolution — von
Schande könne dabei also gar nicht die Rede sein. Der souveräne Lindenmüller ist
eingesteckt; Vater Karbe, der unter den Zelten gegen die Jesuiten aller Art zu don¬
nern pflegte, sitzt in der Hausvogtei. Eichlcr, dem die neue Preußische den Proceß
gemacht zu sehen wünschte wegen „Ermordung" einer Schildwache in der März¬
nacht, ist glücklich nach Paris entkommen. Die Kreuzzeitung hat es ans ihn besonders
abgesehen; ihr Korrespondent hat ihn zu Koblenz gesehen mit einem großen Sacke voll
Randdukaten und einem gewaltigen Waffcntransporte. Eichlcr und Dukaten! seine hie¬
sigen Gläubiger sind außer sich gerathen vor Freien über diese Nachricht; Herrn
Hengstenberg's und Leo'S Organ aber könnte wenigstens etwas geschickter lügen. So
sind sie denn versprengt über die ganze Erde, die Apostel der Demokratie, ob sie
anderwärts viel Proselyten machen werden, muß dahingestellt bleiben — hier in Berlin
sür's erste wenigstens nicht mehr. Nur noch einzelne von ihnen irren bei uns umher
und drücken sich verstohlen die Hände, laut seufzend: „Es steht schlecht um die De¬
mokratie — der Preußenverein hat alles Geld!" — Von Politik zu reden, gilt ihnen
für unfashiouabel, sie warten ruhig einen neuen Sturm aus Westen ab, um sich wieder
auf den Boden der Revolution zu stellen." Einstweilen arbeiten sie an den Witzen
für Kladcradatsch und Krakehler. —
A n s W i e n.
Traurig sehr traurig sieht es bei ruf ans! Sollte ich Ihnen ein anschauliches
Bild von Wien in diesem Augenblicke geben, so würde ich Sie an jene Maskenfigur
erinnern, welche bei Ihnen in Norddeutschland unter dem Namen Fledermaus so häusig
gebraucht wird. Ein langes graues Tuch über.Leib und Kopf gezogen und statt des
Gesichts eine große grinsende Fratze. So ficht Wien, in den Belagerungszustand ge¬
hüllt, aus, nach außen durch die Militärnntcrsuchungscommission repräsentirt. Der
Geist des Volkes in allen Schichten ist sehr gedrückt und die kühnen Hoffnungen, welche
die vernünftige Fortschrittspartei, von den schwarzgelben angefangen bis zu den Ge-
mäßigtradicalen aus das eingetretene Ministerium und ans den günstigen Fortgang der
Besetzung Ungarns gesetzt haben, sinken von Tag zu Tag. Man scheint in den „höch¬
sten Kreisen" dem ungehorsamen Kind an der Donau noch immer sehr zu grollen und
nachdem ihm die Weihnachten bereits verbittert wurden auch keinen lustigen Fasching zu
gönnen. Und das gutmüthige Kind, das von den demokratischen Erziehern ein wenig
verzogen, aber doch immer unverdorbenen Herzens geblieben war, scheint sich nun in
seinen geheimen Groll verbeißen zu wollen und so, fürchte ich, verdirbt uns die un¬
politische Härte unserer jetzigen Meister und Herrn, die guten Anlagen, welche in der
Natur unsers Volkes liegen. Wie weit muß schon die Erbitterung in den untern Volks¬
klassen gediehen sein, wenn Mordansälle am hellen Tage gegen vorübergehende Soldaten
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