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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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mit dem Gedanken in das Treiben hineinblickt: und wir stören's doch! -- das
läßt sich an den Gesichtszügen nicht erkennen. Dazu sind sie noch von aller Zeit
her zu gut diplomatisch geschult. Aber wenn da unten die Naketenfabrikanten der
Linken, Herr Venedey, Schober, Rösler aus Oels u.tgi., Männer der phanta¬
stischen Staatsurform, von einer Diplomatie mit offnem Vistr und fliegenden
Standarten trompeteten, wie sie es stets, auch bei den ungelegentlichsten Gelegen¬
heiten Pflegen, da hielten die Diplomatengesichtcr es niemals für nöthig, sich vor
sich selber zu verstecken, sondern lachten immer recht herzlich. Uebrigens drängten
sich in jenen Logen keineswegs nur die offiziellen Diplomaten der Gegenwart, man
begegnete da und dort bei besonders interessanten Fragen auch mancher offiziell
verabschiedeten Figur, welche trotzdem noch immer den alten Weg geht und gehen
darf -- man weiß nicht, ob aus persönlicher Gefälligkeit der ehemaligen Kollegen,
oder in Folge nicht gerad durch die Regieruugsblätter veröffentlichter Mandate.
Auch vou jenen Volontaircn, deren Stellung und Aufträge seit Jahren ein Räthsel
sind, die vielleicht nur in den Vorzimmern umherstehen, aber sich doch gern den
Anschein tieferer Bedeutsamkeit geben möchten, tauchte mitunter einer und der.
andere auf. Bei dieser Gelegenheit mag es vielleicht für diejenigen, welche an
eine Diplomatie mit offnem Visir nicht vollkommen glauben und auch den mög¬
lichen Einfluß in ihrer Art vortrefflich organisirter Cabinetssysteme ans das neue
Deutschland ächt idealistisch mit unsern 45 Millionen negieren, als ob diese einerlei
Sinnes und deren Mehrzahl überhaupt eines bestimmten Sinnes wären -- für
solche Ungläubige mag die Erscheinung nicht ohne Interesse sein, daß ein großer
Theil der scheinbar außer Cours gesetzten Diplomaten zweiten Ranges mit wahr¬
haft komischem Eifer der Sache der Demokratie in Deutschland, besonders seit den
Sommermonaten des eben abgelaufenen Jahres, das Wort redet. Mir fällt dabei
Herr v. Abel ein, welcher jetzt bekanntlich in Baiern für den Landtag gewählt
ist und nicht ohne Hoffnung war, neben Herrn v. Schreck wieder ins Ministerium
zu treten. Herr v. Abel spricht jetzt auch, uach Münchner Berichten, extravagant
liberal und hat es sich vollkommen abgewöhnt, gezogenen Hutes vor den Kirchen
vorüberzngehn. Die Demokratie steht bekanntlich auch ungefähr seit den Sommer¬
monaten keineswegs mehr gläubigen Sinnes vor dem Tempelbau deutscher Einheit;
sie vielmehr berennt und beschädigt ihn, soviel nur irgend möglich, und man macht
ihr oder sie sich weiß, nur durch die Trümmer des ärgsten Particularismus könne
man zu dem Paradies eines einigen und untheilbaren deutschen Staates kommen.
Natürlich einer Republik. Ich glaube schon erwähnt zu haben, welch' unverholenes
Lächeln auf deu Diplomatengesichtern erglänzt, wenn die Herrn der extremen Lin¬
ken von eiuer Politik und Diplomatie reden, welche ans offnem Markte und wo
möglich unter Abstimmung des souveränen Volks verhandeln müsse!

Ueber solchen und ähnlichen Betrachtungen überhörte man leicht den wenig
interessanten Gang der Verhandlungen in den ersten Tagen. Grundrechtsabstim-


mit dem Gedanken in das Treiben hineinblickt: und wir stören's doch! — das
läßt sich an den Gesichtszügen nicht erkennen. Dazu sind sie noch von aller Zeit
her zu gut diplomatisch geschult. Aber wenn da unten die Naketenfabrikanten der
Linken, Herr Venedey, Schober, Rösler aus Oels u.tgi., Männer der phanta¬
stischen Staatsurform, von einer Diplomatie mit offnem Vistr und fliegenden
Standarten trompeteten, wie sie es stets, auch bei den ungelegentlichsten Gelegen¬
heiten Pflegen, da hielten die Diplomatengesichtcr es niemals für nöthig, sich vor
sich selber zu verstecken, sondern lachten immer recht herzlich. Uebrigens drängten
sich in jenen Logen keineswegs nur die offiziellen Diplomaten der Gegenwart, man
begegnete da und dort bei besonders interessanten Fragen auch mancher offiziell
verabschiedeten Figur, welche trotzdem noch immer den alten Weg geht und gehen
darf — man weiß nicht, ob aus persönlicher Gefälligkeit der ehemaligen Kollegen,
oder in Folge nicht gerad durch die Regieruugsblätter veröffentlichter Mandate.
Auch vou jenen Volontaircn, deren Stellung und Aufträge seit Jahren ein Räthsel
sind, die vielleicht nur in den Vorzimmern umherstehen, aber sich doch gern den
Anschein tieferer Bedeutsamkeit geben möchten, tauchte mitunter einer und der.
andere auf. Bei dieser Gelegenheit mag es vielleicht für diejenigen, welche an
eine Diplomatie mit offnem Visir nicht vollkommen glauben und auch den mög¬
lichen Einfluß in ihrer Art vortrefflich organisirter Cabinetssysteme ans das neue
Deutschland ächt idealistisch mit unsern 45 Millionen negieren, als ob diese einerlei
Sinnes und deren Mehrzahl überhaupt eines bestimmten Sinnes wären — für
solche Ungläubige mag die Erscheinung nicht ohne Interesse sein, daß ein großer
Theil der scheinbar außer Cours gesetzten Diplomaten zweiten Ranges mit wahr¬
haft komischem Eifer der Sache der Demokratie in Deutschland, besonders seit den
Sommermonaten des eben abgelaufenen Jahres, das Wort redet. Mir fällt dabei
Herr v. Abel ein, welcher jetzt bekanntlich in Baiern für den Landtag gewählt
ist und nicht ohne Hoffnung war, neben Herrn v. Schreck wieder ins Ministerium
zu treten. Herr v. Abel spricht jetzt auch, uach Münchner Berichten, extravagant
liberal und hat es sich vollkommen abgewöhnt, gezogenen Hutes vor den Kirchen
vorüberzngehn. Die Demokratie steht bekanntlich auch ungefähr seit den Sommer¬
monaten keineswegs mehr gläubigen Sinnes vor dem Tempelbau deutscher Einheit;
sie vielmehr berennt und beschädigt ihn, soviel nur irgend möglich, und man macht
ihr oder sie sich weiß, nur durch die Trümmer des ärgsten Particularismus könne
man zu dem Paradies eines einigen und untheilbaren deutschen Staates kommen.
Natürlich einer Republik. Ich glaube schon erwähnt zu haben, welch' unverholenes
Lächeln auf deu Diplomatengesichtern erglänzt, wenn die Herrn der extremen Lin¬
ken von eiuer Politik und Diplomatie reden, welche ans offnem Markte und wo
möglich unter Abstimmung des souveränen Volks verhandeln müsse!

Ueber solchen und ähnlichen Betrachtungen überhörte man leicht den wenig
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[0154] mit dem Gedanken in das Treiben hineinblickt: und wir stören's doch! — das läßt sich an den Gesichtszügen nicht erkennen. Dazu sind sie noch von aller Zeit her zu gut diplomatisch geschult. Aber wenn da unten die Naketenfabrikanten der Linken, Herr Venedey, Schober, Rösler aus Oels u.tgi., Männer der phanta¬ stischen Staatsurform, von einer Diplomatie mit offnem Vistr und fliegenden Standarten trompeteten, wie sie es stets, auch bei den ungelegentlichsten Gelegen¬ heiten Pflegen, da hielten die Diplomatengesichtcr es niemals für nöthig, sich vor sich selber zu verstecken, sondern lachten immer recht herzlich. Uebrigens drängten sich in jenen Logen keineswegs nur die offiziellen Diplomaten der Gegenwart, man begegnete da und dort bei besonders interessanten Fragen auch mancher offiziell verabschiedeten Figur, welche trotzdem noch immer den alten Weg geht und gehen darf — man weiß nicht, ob aus persönlicher Gefälligkeit der ehemaligen Kollegen, oder in Folge nicht gerad durch die Regieruugsblätter veröffentlichter Mandate. Auch vou jenen Volontaircn, deren Stellung und Aufträge seit Jahren ein Räthsel sind, die vielleicht nur in den Vorzimmern umherstehen, aber sich doch gern den Anschein tieferer Bedeutsamkeit geben möchten, tauchte mitunter einer und der. andere auf. Bei dieser Gelegenheit mag es vielleicht für diejenigen, welche an eine Diplomatie mit offnem Visir nicht vollkommen glauben und auch den mög¬ lichen Einfluß in ihrer Art vortrefflich organisirter Cabinetssysteme ans das neue Deutschland ächt idealistisch mit unsern 45 Millionen negieren, als ob diese einerlei Sinnes und deren Mehrzahl überhaupt eines bestimmten Sinnes wären — für solche Ungläubige mag die Erscheinung nicht ohne Interesse sein, daß ein großer Theil der scheinbar außer Cours gesetzten Diplomaten zweiten Ranges mit wahr¬ haft komischem Eifer der Sache der Demokratie in Deutschland, besonders seit den Sommermonaten des eben abgelaufenen Jahres, das Wort redet. Mir fällt dabei Herr v. Abel ein, welcher jetzt bekanntlich in Baiern für den Landtag gewählt ist und nicht ohne Hoffnung war, neben Herrn v. Schreck wieder ins Ministerium zu treten. Herr v. Abel spricht jetzt auch, uach Münchner Berichten, extravagant liberal und hat es sich vollkommen abgewöhnt, gezogenen Hutes vor den Kirchen vorüberzngehn. Die Demokratie steht bekanntlich auch ungefähr seit den Sommer¬ monaten keineswegs mehr gläubigen Sinnes vor dem Tempelbau deutscher Einheit; sie vielmehr berennt und beschädigt ihn, soviel nur irgend möglich, und man macht ihr oder sie sich weiß, nur durch die Trümmer des ärgsten Particularismus könne man zu dem Paradies eines einigen und untheilbaren deutschen Staates kommen. Natürlich einer Republik. Ich glaube schon erwähnt zu haben, welch' unverholenes Lächeln auf deu Diplomatengesichtern erglänzt, wenn die Herrn der extremen Lin¬ ken von eiuer Politik und Diplomatie reden, welche ans offnem Markte und wo möglich unter Abstimmung des souveränen Volks verhandeln müsse! Ueber solchen und ähnlichen Betrachtungen überhörte man leicht den wenig interessanten Gang der Verhandlungen in den ersten Tagen. Grundrechtsabstim-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/154>, abgerufen am 23.12.2024.