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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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Lage sind leicht einzusehen. In unsrem Himmelsstriche, wo in 365 Tagen nur
einmal Ernte gehalten werden kann, da werden die Bruchtheile derselben sehr
klein, welche zur Verzehrung, zur Nahrung auf einen Tag fallen. Und doch
sind die übrigen Lebensbedürfnisse nicht minder dringend; erwärmende Kleider,
Brennmaterial zum Kochen der Speisen und Heizen; die Wohnung selbst mit Ge^
rathen und den vielen Kleinigkeiten, an welche der ärmste Mensch in civilisirten
Gegenden gewöhnt ist, Alles dies soll auch für die Erzeugnisse des Bodens ein¬
getauscht werden. Und deshalb ist der alte Reim: "Hätt' ich eine Hütte, ein
Stückchen Feld, so wär' es gar herrlich um mich bestellt!" in der Wirklichkeit häufig
eine arge Lüge.

Es ist ein großer Fehler, daß man die Verhältnisse einer Gärtnerwirthschaft
in der Nähe einer großen Stadt zum Anhalt nimmt, um die Zustände und das
Glück des kleinen Grundbesitzes im Allgemeinen nach ihnen zu messen. Eine
Gärtnerplantage ernährt allerdings schon von zwei Morgen eine Familie. Dabei
wirken aber zwei Umstände mit, die vereint in einiger Entfernung von volkreichen
Orten nicht vorhanden zu sein Pflegen, einmal der gesicherte Absatz für Garten¬
gewächse und dann die Gelegenheit, Dünger wohlfeil zu bekommen. Wo diese
letztere vorhanden ist, da kann wenigstens ein großer Bruttoertrag vom Boden
erlangt werden, wenn die Arbeit hinzukommt.

Ist der Anbauer des Bodens aber auf die eigenen Erzeugnisse behuf der
Düngerbcreitung angewiesen, so wird ans den von Natur geringen Bodenarten
die an sie verwendete Arbeit wirkungslos. Ans diese Weise erklärt es sich, warum
z. B. in der Nähe von Berlin die üppigste Vegetation neben der dürftigsten Oede
des Bodens angetroffen wird. Nur so weit der Dünger reicht, ist jene vorhanden.
Wenn der Boden, die Arbeit und der Dünger vereint wirken, so kann freilich die
Pflanzenerzeugung ins Unglaubliche getrieben werden. Fehlt aber der Dünger
auf magerem Boden, so gibt dieser, aller an ihn verwendeten Arbeit unerachtet,
nur dürftige Erträge, mithin ist kein neues Material vorhanden, mehr Dünger
zu erzeugen. Diese unumstößliche Thatsache wird von denen übersehen, welche
die armen, Arbeit suchenden Menschen ans die vielen ganz unbenützten Flächen
verweisen wollen, die man namentlich im nordöstlichen Deutschland so hänfig antrifft.
Diese Flächen, selbst wenn sie scrvituteufrci sind, und also ihrer beliebigen Benutzung
nichts im Wege steht, können nnr durch Hilfe des Kapitals in Kultur
gebracht werden. Wer die Besitzer des Kapitals sind, ist gleichgiltig, aber bei
der großen Seltenheit desselben ist nothwendig, daß zur ersten Urbarmachung ein
extensiver Anbau eingeleitet werde, d. h. daß man solchem Boden mit Hilfe der
Viehwirthschaft erstlich einen Reinertrag abgewinne und zweitens durch zweck¬
mäßige und schonende Behandlung die Pflanzen erzeugende Kraft des Bodens
vermehre. Dies kann nur dann zur Ausführung kommen, wenn in der Vereini¬
gung großer Flächen zu einem Gute die Möglichkeit gegeben ist, große Viehheerden


Lage sind leicht einzusehen. In unsrem Himmelsstriche, wo in 365 Tagen nur
einmal Ernte gehalten werden kann, da werden die Bruchtheile derselben sehr
klein, welche zur Verzehrung, zur Nahrung auf einen Tag fallen. Und doch
sind die übrigen Lebensbedürfnisse nicht minder dringend; erwärmende Kleider,
Brennmaterial zum Kochen der Speisen und Heizen; die Wohnung selbst mit Ge^
rathen und den vielen Kleinigkeiten, an welche der ärmste Mensch in civilisirten
Gegenden gewöhnt ist, Alles dies soll auch für die Erzeugnisse des Bodens ein¬
getauscht werden. Und deshalb ist der alte Reim: „Hätt' ich eine Hütte, ein
Stückchen Feld, so wär' es gar herrlich um mich bestellt!" in der Wirklichkeit häufig
eine arge Lüge.

Es ist ein großer Fehler, daß man die Verhältnisse einer Gärtnerwirthschaft
in der Nähe einer großen Stadt zum Anhalt nimmt, um die Zustände und das
Glück des kleinen Grundbesitzes im Allgemeinen nach ihnen zu messen. Eine
Gärtnerplantage ernährt allerdings schon von zwei Morgen eine Familie. Dabei
wirken aber zwei Umstände mit, die vereint in einiger Entfernung von volkreichen
Orten nicht vorhanden zu sein Pflegen, einmal der gesicherte Absatz für Garten¬
gewächse und dann die Gelegenheit, Dünger wohlfeil zu bekommen. Wo diese
letztere vorhanden ist, da kann wenigstens ein großer Bruttoertrag vom Boden
erlangt werden, wenn die Arbeit hinzukommt.

Ist der Anbauer des Bodens aber auf die eigenen Erzeugnisse behuf der
Düngerbcreitung angewiesen, so wird ans den von Natur geringen Bodenarten
die an sie verwendete Arbeit wirkungslos. Ans diese Weise erklärt es sich, warum
z. B. in der Nähe von Berlin die üppigste Vegetation neben der dürftigsten Oede
des Bodens angetroffen wird. Nur so weit der Dünger reicht, ist jene vorhanden.
Wenn der Boden, die Arbeit und der Dünger vereint wirken, so kann freilich die
Pflanzenerzeugung ins Unglaubliche getrieben werden. Fehlt aber der Dünger
auf magerem Boden, so gibt dieser, aller an ihn verwendeten Arbeit unerachtet,
nur dürftige Erträge, mithin ist kein neues Material vorhanden, mehr Dünger
zu erzeugen. Diese unumstößliche Thatsache wird von denen übersehen, welche
die armen, Arbeit suchenden Menschen ans die vielen ganz unbenützten Flächen
verweisen wollen, die man namentlich im nordöstlichen Deutschland so hänfig antrifft.
Diese Flächen, selbst wenn sie scrvituteufrci sind, und also ihrer beliebigen Benutzung
nichts im Wege steht, können nnr durch Hilfe des Kapitals in Kultur
gebracht werden. Wer die Besitzer des Kapitals sind, ist gleichgiltig, aber bei
der großen Seltenheit desselben ist nothwendig, daß zur ersten Urbarmachung ein
extensiver Anbau eingeleitet werde, d. h. daß man solchem Boden mit Hilfe der
Viehwirthschaft erstlich einen Reinertrag abgewinne und zweitens durch zweck¬
mäßige und schonende Behandlung die Pflanzen erzeugende Kraft des Bodens
vermehre. Dies kann nur dann zur Ausführung kommen, wenn in der Vereini¬
gung großer Flächen zu einem Gute die Möglichkeit gegeben ist, große Viehheerden


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[0146] Lage sind leicht einzusehen. In unsrem Himmelsstriche, wo in 365 Tagen nur einmal Ernte gehalten werden kann, da werden die Bruchtheile derselben sehr klein, welche zur Verzehrung, zur Nahrung auf einen Tag fallen. Und doch sind die übrigen Lebensbedürfnisse nicht minder dringend; erwärmende Kleider, Brennmaterial zum Kochen der Speisen und Heizen; die Wohnung selbst mit Ge^ rathen und den vielen Kleinigkeiten, an welche der ärmste Mensch in civilisirten Gegenden gewöhnt ist, Alles dies soll auch für die Erzeugnisse des Bodens ein¬ getauscht werden. Und deshalb ist der alte Reim: „Hätt' ich eine Hütte, ein Stückchen Feld, so wär' es gar herrlich um mich bestellt!" in der Wirklichkeit häufig eine arge Lüge. Es ist ein großer Fehler, daß man die Verhältnisse einer Gärtnerwirthschaft in der Nähe einer großen Stadt zum Anhalt nimmt, um die Zustände und das Glück des kleinen Grundbesitzes im Allgemeinen nach ihnen zu messen. Eine Gärtnerplantage ernährt allerdings schon von zwei Morgen eine Familie. Dabei wirken aber zwei Umstände mit, die vereint in einiger Entfernung von volkreichen Orten nicht vorhanden zu sein Pflegen, einmal der gesicherte Absatz für Garten¬ gewächse und dann die Gelegenheit, Dünger wohlfeil zu bekommen. Wo diese letztere vorhanden ist, da kann wenigstens ein großer Bruttoertrag vom Boden erlangt werden, wenn die Arbeit hinzukommt. Ist der Anbauer des Bodens aber auf die eigenen Erzeugnisse behuf der Düngerbcreitung angewiesen, so wird ans den von Natur geringen Bodenarten die an sie verwendete Arbeit wirkungslos. Ans diese Weise erklärt es sich, warum z. B. in der Nähe von Berlin die üppigste Vegetation neben der dürftigsten Oede des Bodens angetroffen wird. Nur so weit der Dünger reicht, ist jene vorhanden. Wenn der Boden, die Arbeit und der Dünger vereint wirken, so kann freilich die Pflanzenerzeugung ins Unglaubliche getrieben werden. Fehlt aber der Dünger auf magerem Boden, so gibt dieser, aller an ihn verwendeten Arbeit unerachtet, nur dürftige Erträge, mithin ist kein neues Material vorhanden, mehr Dünger zu erzeugen. Diese unumstößliche Thatsache wird von denen übersehen, welche die armen, Arbeit suchenden Menschen ans die vielen ganz unbenützten Flächen verweisen wollen, die man namentlich im nordöstlichen Deutschland so hänfig antrifft. Diese Flächen, selbst wenn sie scrvituteufrci sind, und also ihrer beliebigen Benutzung nichts im Wege steht, können nnr durch Hilfe des Kapitals in Kultur gebracht werden. Wer die Besitzer des Kapitals sind, ist gleichgiltig, aber bei der großen Seltenheit desselben ist nothwendig, daß zur ersten Urbarmachung ein extensiver Anbau eingeleitet werde, d. h. daß man solchem Boden mit Hilfe der Viehwirthschaft erstlich einen Reinertrag abgewinne und zweitens durch zweck¬ mäßige und schonende Behandlung die Pflanzen erzeugende Kraft des Bodens vermehre. Dies kann nur dann zur Ausführung kommen, wenn in der Vereini¬ gung großer Flächen zu einem Gute die Möglichkeit gegeben ist, große Viehheerden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/146>, abgerufen am 23.07.2024.