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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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Großer und kleiner Grundbesitz
und die Vertheilung des productiven Bodens.
Pou einem Landwirth.



In meinen beiden früheren Aufsätzen *) suchte ich die irrigen Ansichten über
das Kapital und über das Verhältniß des Kapitals zur menschlichen Arbeit zu
berichtigen, hier bitte ich aus die Frag" einzugehn: wie muß der productive
Boden vertheilt sein, um den Staatsangehörigen den höchsten
Vortheil zu gewähren?

An den Kampf gegen die Geldmacht schließt sichMinittelbar der gegen die großen
Güter. Sie können nur von Wohlhabenden besessen, oder wenn sie Eigenthum
des Staates u. s. w. sind, nnr durch Vermögende bewirthschaftet werden. Dazu
sind Arbeiter erforderlich, welche ihre Kräfte tüchtig anstrengen müssen und doch
schlechter leben, als die Inhaber der Güter, Dies genügt, um ein Verdammungs¬
urtheil über den großen Grundbesitz auszusprechen und einen Zustand herbeizu¬
sehnen, in welchem wir, mit dem braven Harkort zu reden, gemeinschaftlich zu
verhungern alle Aussicht haben.

Einst war es Mode unter den Dichtern, das idyllische Glück in ein beschei¬
denes Häuschen mit einem Strohdache zu versetzen, dessen Bewohner sich zärtlich
lieben, mit einander traulich den Kohl und die Kartoffeln pflanzen, diese fröhlich
ernten und unter tränken Gesprächen in den langen Winterabenden verzehren. Auf
dem Theater sehen solche Zustände gut genug aus, aber die Wirklichkeit malt mit
andern Farben. Ich will hier nicht an das Leben eines kleinen irischen Pächters
oder eines schlesischen Baudenbesitzers erinnern, ich verweise auf die Kleinbauern
z. B. im gepriesenen Rheinlande, die noch so viel Land besitzen, um ein Zug¬
thier halten zu können. Tretet in die Wohnungen solcher Leute, seht ihre Ge¬
rüche, ihre Lagerstätte, ihre Mahlzeit und knüpft mit ihnen ein Gespräch über
ihre Lage an. Wie sehr kläglich und traurig werdet ihr das wirkliche Leben sol¬
cher Kleinbauern finden! Und doch sind sie noch im Besitz von K bis 10 Morgen,
die nur durch ein gewisses Vermögen erworben werden können. Noch viel schlechter
aber ist es mit den Besitzern von Grundstücken bestellt, welche so klein sind, daß
sie mit Spaten, Karst und Rechen bearbeitet werden müssen, weil sie die Mittel
zur Ernährung eines ZugthiereS nicht gewähren; wenn nämlich solche Besitzer
keinen oder nur unstchern Nebenverdienst haben. Die Ursachen dieser schlechten



*) In No. 49 und S2 des vorigen Jahrgangs der Grenzboten,
"renjbsten. I.18
Großer und kleiner Grundbesitz
und die Vertheilung des productiven Bodens.
Pou einem Landwirth.



In meinen beiden früheren Aufsätzen *) suchte ich die irrigen Ansichten über
das Kapital und über das Verhältniß des Kapitals zur menschlichen Arbeit zu
berichtigen, hier bitte ich aus die Frag« einzugehn: wie muß der productive
Boden vertheilt sein, um den Staatsangehörigen den höchsten
Vortheil zu gewähren?

An den Kampf gegen die Geldmacht schließt sichMinittelbar der gegen die großen
Güter. Sie können nur von Wohlhabenden besessen, oder wenn sie Eigenthum
des Staates u. s. w. sind, nnr durch Vermögende bewirthschaftet werden. Dazu
sind Arbeiter erforderlich, welche ihre Kräfte tüchtig anstrengen müssen und doch
schlechter leben, als die Inhaber der Güter, Dies genügt, um ein Verdammungs¬
urtheil über den großen Grundbesitz auszusprechen und einen Zustand herbeizu¬
sehnen, in welchem wir, mit dem braven Harkort zu reden, gemeinschaftlich zu
verhungern alle Aussicht haben.

Einst war es Mode unter den Dichtern, das idyllische Glück in ein beschei¬
denes Häuschen mit einem Strohdache zu versetzen, dessen Bewohner sich zärtlich
lieben, mit einander traulich den Kohl und die Kartoffeln pflanzen, diese fröhlich
ernten und unter tränken Gesprächen in den langen Winterabenden verzehren. Auf
dem Theater sehen solche Zustände gut genug aus, aber die Wirklichkeit malt mit
andern Farben. Ich will hier nicht an das Leben eines kleinen irischen Pächters
oder eines schlesischen Baudenbesitzers erinnern, ich verweise auf die Kleinbauern
z. B. im gepriesenen Rheinlande, die noch so viel Land besitzen, um ein Zug¬
thier halten zu können. Tretet in die Wohnungen solcher Leute, seht ihre Ge¬
rüche, ihre Lagerstätte, ihre Mahlzeit und knüpft mit ihnen ein Gespräch über
ihre Lage an. Wie sehr kläglich und traurig werdet ihr das wirkliche Leben sol¬
cher Kleinbauern finden! Und doch sind sie noch im Besitz von K bis 10 Morgen,
die nur durch ein gewisses Vermögen erworben werden können. Noch viel schlechter
aber ist es mit den Besitzern von Grundstücken bestellt, welche so klein sind, daß
sie mit Spaten, Karst und Rechen bearbeitet werden müssen, weil sie die Mittel
zur Ernährung eines ZugthiereS nicht gewähren; wenn nämlich solche Besitzer
keinen oder nur unstchern Nebenverdienst haben. Die Ursachen dieser schlechten



*) In No. 49 und S2 des vorigen Jahrgangs der Grenzboten,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/145>, abgerufen am 22.12.2024.