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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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Das Ministerium Stadion.



Das gegenwärtige Cabinet in Oestreich kam unter den schwierigsten Umständen
an'S Nuder. Der Kaiserstaat war ans den Fugen gegangen und wurde nun eben
aus eine etwas gewaltsame Weise wieder eingerenkt. Der alte Mechanismus der
Staatsverwaltung war unbrauchbar geworden und für die Einrichtung eines neuen
mußte man nicht nur die Materialien, sondern selbst die Gesichtspunkte mit Mühe
aussuchen.

Unter diesen Umständen glaubten wir, die neue Negierung, die wenigstens
den guten Willen zu haben schien, das Staatsschiff nicht den Wellen des "Welt-
geistes" zu überlassen, sondern es nach einem verständigen Plan vorwärts zu brin¬
gen, nach Kräften unterstützen zu müssen. Wir thaten es oft genug mit Wider¬
streben, denn unser Gefühl wurde jeden Augenblick verletzt; aber in der Politik
hat das Gefühl nicht mitzusprechen. Auch wo uns in dem Verfahren des Cabinets
dies oder jenes unklar war, glaubten wir, irgend einen Zusammenhang vermuthen
zu müssen, den wir bei der wunderlichen Verwicklung der verschiedenen Instanzen,
in denen für den Augenblick die Macht Oestreichs ruht, nicht übersehen konnten.
Wie jetzt aber die Sachen stehn, kann sich Niemand länger täuschen. Wir haben
das alte Metternich'sche System in zweiter Auflage, aus schlechterem Papier und
mit schlechterem Druck.

Ein Wassertropfen macht ein volles Gefäß überlaufen. Dieser Wassertropfen
war für uns das Verbot der Ostdeutschen Post. Dieses Blatt hatte in der letzten
Zeit gegen Deutschland einen Ton angeschlagen, der wenigstens eben so höhnisch¬
herausfordernd war, als der, welchen der alte Bundestag von seinem Präsidial¬
gesandten hatte hinnehmen müssen; es rief das absolute: "Ihr dürft nicht!" der
Bundesacte, den Freiheitsbestrebungen des deutscheu Volks entgegen, und sprach
von "seinen" Anrechten aus Deutschland, wobei es doch nur die Anrechte seines
Kaisers und Herrn meinen konnte. Kurz es stimmte in der deutschen Frage voll¬
kommen in den Chorus der ministeriellen Presse. Und dieses Blatt ward ver¬
boten; warum? weil es einige Artikel von Pillersdorf bringt, die in der "milden
und interessanten" Weise dieses Staatsmannes gegen die Ansichten der Negierung
Opposition machen -- aber das ist eigentlich schon zu viel gesagt, - die also
Ansichten entwickeln, welche sich zwar nicht durch größere Bestimmtheit, aber durch


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Das Ministerium Stadion.



Das gegenwärtige Cabinet in Oestreich kam unter den schwierigsten Umständen
an'S Nuder. Der Kaiserstaat war ans den Fugen gegangen und wurde nun eben
aus eine etwas gewaltsame Weise wieder eingerenkt. Der alte Mechanismus der
Staatsverwaltung war unbrauchbar geworden und für die Einrichtung eines neuen
mußte man nicht nur die Materialien, sondern selbst die Gesichtspunkte mit Mühe
aussuchen.

Unter diesen Umständen glaubten wir, die neue Negierung, die wenigstens
den guten Willen zu haben schien, das Staatsschiff nicht den Wellen des „Welt-
geistes" zu überlassen, sondern es nach einem verständigen Plan vorwärts zu brin¬
gen, nach Kräften unterstützen zu müssen. Wir thaten es oft genug mit Wider¬
streben, denn unser Gefühl wurde jeden Augenblick verletzt; aber in der Politik
hat das Gefühl nicht mitzusprechen. Auch wo uns in dem Verfahren des Cabinets
dies oder jenes unklar war, glaubten wir, irgend einen Zusammenhang vermuthen
zu müssen, den wir bei der wunderlichen Verwicklung der verschiedenen Instanzen,
in denen für den Augenblick die Macht Oestreichs ruht, nicht übersehen konnten.
Wie jetzt aber die Sachen stehn, kann sich Niemand länger täuschen. Wir haben
das alte Metternich'sche System in zweiter Auflage, aus schlechterem Papier und
mit schlechterem Druck.

Ein Wassertropfen macht ein volles Gefäß überlaufen. Dieser Wassertropfen
war für uns das Verbot der Ostdeutschen Post. Dieses Blatt hatte in der letzten
Zeit gegen Deutschland einen Ton angeschlagen, der wenigstens eben so höhnisch¬
herausfordernd war, als der, welchen der alte Bundestag von seinem Präsidial¬
gesandten hatte hinnehmen müssen; es rief das absolute: „Ihr dürft nicht!" der
Bundesacte, den Freiheitsbestrebungen des deutscheu Volks entgegen, und sprach
von „seinen" Anrechten aus Deutschland, wobei es doch nur die Anrechte seines
Kaisers und Herrn meinen konnte. Kurz es stimmte in der deutschen Frage voll¬
kommen in den Chorus der ministeriellen Presse. Und dieses Blatt ward ver¬
boten; warum? weil es einige Artikel von Pillersdorf bringt, die in der „milden
und interessanten" Weise dieses Staatsmannes gegen die Ansichten der Negierung
Opposition machen — aber das ist eigentlich schon zu viel gesagt, - die also
Ansichten entwickeln, welche sich zwar nicht durch größere Bestimmtheit, aber durch


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[0129] Das Ministerium Stadion. Das gegenwärtige Cabinet in Oestreich kam unter den schwierigsten Umständen an'S Nuder. Der Kaiserstaat war ans den Fugen gegangen und wurde nun eben aus eine etwas gewaltsame Weise wieder eingerenkt. Der alte Mechanismus der Staatsverwaltung war unbrauchbar geworden und für die Einrichtung eines neuen mußte man nicht nur die Materialien, sondern selbst die Gesichtspunkte mit Mühe aussuchen. Unter diesen Umständen glaubten wir, die neue Negierung, die wenigstens den guten Willen zu haben schien, das Staatsschiff nicht den Wellen des „Welt- geistes" zu überlassen, sondern es nach einem verständigen Plan vorwärts zu brin¬ gen, nach Kräften unterstützen zu müssen. Wir thaten es oft genug mit Wider¬ streben, denn unser Gefühl wurde jeden Augenblick verletzt; aber in der Politik hat das Gefühl nicht mitzusprechen. Auch wo uns in dem Verfahren des Cabinets dies oder jenes unklar war, glaubten wir, irgend einen Zusammenhang vermuthen zu müssen, den wir bei der wunderlichen Verwicklung der verschiedenen Instanzen, in denen für den Augenblick die Macht Oestreichs ruht, nicht übersehen konnten. Wie jetzt aber die Sachen stehn, kann sich Niemand länger täuschen. Wir haben das alte Metternich'sche System in zweiter Auflage, aus schlechterem Papier und mit schlechterem Druck. Ein Wassertropfen macht ein volles Gefäß überlaufen. Dieser Wassertropfen war für uns das Verbot der Ostdeutschen Post. Dieses Blatt hatte in der letzten Zeit gegen Deutschland einen Ton angeschlagen, der wenigstens eben so höhnisch¬ herausfordernd war, als der, welchen der alte Bundestag von seinem Präsidial¬ gesandten hatte hinnehmen müssen; es rief das absolute: „Ihr dürft nicht!" der Bundesacte, den Freiheitsbestrebungen des deutscheu Volks entgegen, und sprach von „seinen" Anrechten aus Deutschland, wobei es doch nur die Anrechte seines Kaisers und Herrn meinen konnte. Kurz es stimmte in der deutschen Frage voll¬ kommen in den Chorus der ministeriellen Presse. Und dieses Blatt ward ver¬ boten; warum? weil es einige Artikel von Pillersdorf bringt, die in der „milden und interessanten" Weise dieses Staatsmannes gegen die Ansichten der Negierung Opposition machen — aber das ist eigentlich schon zu viel gesagt, - die also Ansichten entwickeln, welche sich zwar nicht durch größere Bestimmtheit, aber durch Vrtnzbvtm. I. 1»«». Is

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/129>, abgerufen am 22.12.2024.