Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

in der Nähe! -- Ja Verrath, Verrath, ruft die romantische Rittergestalt aus
dem Hintergrunde mitten hinein, 60,000 Ungarn -- Windischgrätz in die Flanke
nehmen -- Ausfall aus der Stadt macheu - Ausfall aus der Stadt machen --
Alles niederhauen -- Kinderspiel! -- "Hat denn Messenhauser bereits abgedankt,
fragt endlich Fröbel in ruhigem Tone. -- Noch nicht, wie ich glaube, entgegnet
der Legionsoffizier. -- Ja wir haben ihn die Abdankungsschrift ans dem Ste¬
phansthurm oben unterschreiben lassen, bemerkt ein anwesendes Mitglied des Stu-
dentencomitvs. Es entsteht nun ein Streit darüber, ob Messenhauser bereits ab¬
gedankt, ob Fenneberg bereits das Commando übernommen und welche Maßregeln
noch serner zur Vertheidigung der Stadt genommen werden konnten. Blum und
Fröbel sind beide der Ansicht, daß die Stadt nicht mehr zu halten sei, werden
aber von den übrigen Anwesenden mit großem Lärmen überschrieen: Wir brau¬
chen einen tüchtigen Anführer, Ausfall, 12,000 mobile Garden, polnische Legion!
u. f. f. Indessen tritt ein zartgebauter Mann mit einem feingeschnittenen Gesicht,
dessen größter Theil in einen großen braunen Backenbart gehüllt ist, ins Zimmer.
-- Hier ist Fenneberg -- also wie ist's, kann man Sie als Oberkommandant
begrüßen? so ruft's dem neuen Ankömmling entgegen.

Fenneberg tritt bis an den Rand des Tisches vor, seine Nationalgardemütze
in der Hand, und sagt mit hohler Stimme, die Augen bescheiden und schwer-
müthig zu Boden gesenkt: Ja, ich war vor einer halben Stunde Oberkommandant,
nachdem ich dem bisherigen Herrn Oberkommandantcn meinem Freunde Messen¬
hauser, schriftlich erklärt hatte, daß es sich nicht mehr mit meiner Ehre, vertrüge,
unter seinem Commando zu dienen. Der Herr Oberkommandant hat meine Ent¬
lassung angenommen. Wenige Minuten später mußte er selbst seine Abdankung einer
Deputation von der Universität ans dem Stephansthurm schriftlich übergeben und ich
wurde von dieser Deputation mit dem Oberkommando betraut. Herr Messenhauser
hat jedoch hierauf in der Kanzlei des Oberkommando im kaiserlichen Stallgebäude
nochmals die Offiziere der Garden zusammenberufen und wurde von diesen ein-
müthig zum Oberkommandanten der Nationalgarde erwählt. Hiermit bin ich mei¬
ner Pflichten als wahrer Patriot entledigt und zeige Ihnen, meine Herren, an,
daß ich Nichts mehr mit den militärischen Maßregeln zu thun habe."

"Nichts da, Sie müssen Oberkonimandant werden, ruft man dem tiefvcrletzten
Fenneberg nach dieser pathetischen Rede entgegen, Messenhanser muß fort, wir
müssen einen Ausfall machen!"

Indessen stürzt abermals ein Legionär ins Zimmer; den Stürmer auf dem
Kopf, die Arme auf sein Gewehr gestützt, stellt er sich erschöpft in die Mitte der
aufgeregten Gruppe und ruft mit jugendlichem Feuer: Wir sind verloren, wir
sind verrathen! Messenhanser will nicht mehr kämpfen lassen und wir haben noch
Munition in Massen und die Ungarn schlagen sich bereits bei Schwechat und unser


in der Nähe! — Ja Verrath, Verrath, ruft die romantische Rittergestalt aus
dem Hintergrunde mitten hinein, 60,000 Ungarn — Windischgrätz in die Flanke
nehmen — Ausfall aus der Stadt macheu - Ausfall aus der Stadt machen —
Alles niederhauen — Kinderspiel! — „Hat denn Messenhauser bereits abgedankt,
fragt endlich Fröbel in ruhigem Tone. — Noch nicht, wie ich glaube, entgegnet
der Legionsoffizier. — Ja wir haben ihn die Abdankungsschrift ans dem Ste¬
phansthurm oben unterschreiben lassen, bemerkt ein anwesendes Mitglied des Stu-
dentencomitvs. Es entsteht nun ein Streit darüber, ob Messenhauser bereits ab¬
gedankt, ob Fenneberg bereits das Commando übernommen und welche Maßregeln
noch serner zur Vertheidigung der Stadt genommen werden konnten. Blum und
Fröbel sind beide der Ansicht, daß die Stadt nicht mehr zu halten sei, werden
aber von den übrigen Anwesenden mit großem Lärmen überschrieen: Wir brau¬
chen einen tüchtigen Anführer, Ausfall, 12,000 mobile Garden, polnische Legion!
u. f. f. Indessen tritt ein zartgebauter Mann mit einem feingeschnittenen Gesicht,
dessen größter Theil in einen großen braunen Backenbart gehüllt ist, ins Zimmer.
— Hier ist Fenneberg — also wie ist's, kann man Sie als Oberkommandant
begrüßen? so ruft's dem neuen Ankömmling entgegen.

Fenneberg tritt bis an den Rand des Tisches vor, seine Nationalgardemütze
in der Hand, und sagt mit hohler Stimme, die Augen bescheiden und schwer-
müthig zu Boden gesenkt: Ja, ich war vor einer halben Stunde Oberkommandant,
nachdem ich dem bisherigen Herrn Oberkommandantcn meinem Freunde Messen¬
hauser, schriftlich erklärt hatte, daß es sich nicht mehr mit meiner Ehre, vertrüge,
unter seinem Commando zu dienen. Der Herr Oberkommandant hat meine Ent¬
lassung angenommen. Wenige Minuten später mußte er selbst seine Abdankung einer
Deputation von der Universität ans dem Stephansthurm schriftlich übergeben und ich
wurde von dieser Deputation mit dem Oberkommando betraut. Herr Messenhauser
hat jedoch hierauf in der Kanzlei des Oberkommando im kaiserlichen Stallgebäude
nochmals die Offiziere der Garden zusammenberufen und wurde von diesen ein-
müthig zum Oberkommandanten der Nationalgarde erwählt. Hiermit bin ich mei¬
ner Pflichten als wahrer Patriot entledigt und zeige Ihnen, meine Herren, an,
daß ich Nichts mehr mit den militärischen Maßregeln zu thun habe."

„Nichts da, Sie müssen Oberkonimandant werden, ruft man dem tiefvcrletzten
Fenneberg nach dieser pathetischen Rede entgegen, Messenhanser muß fort, wir
müssen einen Ausfall machen!"

Indessen stürzt abermals ein Legionär ins Zimmer; den Stürmer auf dem
Kopf, die Arme auf sein Gewehr gestützt, stellt er sich erschöpft in die Mitte der
aufgeregten Gruppe und ruft mit jugendlichem Feuer: Wir sind verloren, wir
sind verrathen! Messenhanser will nicht mehr kämpfen lassen und wir haben noch
Munition in Massen und die Ungarn schlagen sich bereits bei Schwechat und unser


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0120" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278108"/>
            <p xml:id="ID_375" prev="#ID_374"> in der Nähe! &#x2014; Ja Verrath, Verrath, ruft die romantische Rittergestalt aus<lb/>
dem Hintergrunde mitten hinein, 60,000 Ungarn &#x2014; Windischgrätz in die Flanke<lb/>
nehmen &#x2014; Ausfall aus der Stadt macheu - Ausfall aus der Stadt machen &#x2014;<lb/>
Alles niederhauen &#x2014; Kinderspiel! &#x2014; &#x201E;Hat denn Messenhauser bereits abgedankt,<lb/>
fragt endlich Fröbel in ruhigem Tone. &#x2014; Noch nicht, wie ich glaube, entgegnet<lb/>
der Legionsoffizier. &#x2014; Ja wir haben ihn die Abdankungsschrift ans dem Ste¬<lb/>
phansthurm oben unterschreiben lassen, bemerkt ein anwesendes Mitglied des Stu-<lb/>
dentencomitvs. Es entsteht nun ein Streit darüber, ob Messenhauser bereits ab¬<lb/>
gedankt, ob Fenneberg bereits das Commando übernommen und welche Maßregeln<lb/>
noch serner zur Vertheidigung der Stadt genommen werden konnten. Blum und<lb/>
Fröbel sind beide der Ansicht, daß die Stadt nicht mehr zu halten sei, werden<lb/>
aber von den übrigen Anwesenden mit großem Lärmen überschrieen: Wir brau¬<lb/>
chen einen tüchtigen Anführer, Ausfall, 12,000 mobile Garden, polnische Legion!<lb/>
u. f. f. Indessen tritt ein zartgebauter Mann mit einem feingeschnittenen Gesicht,<lb/>
dessen größter Theil in einen großen braunen Backenbart gehüllt ist, ins Zimmer.<lb/>
&#x2014; Hier ist Fenneberg &#x2014; also wie ist's, kann man Sie als Oberkommandant<lb/>
begrüßen? so ruft's dem neuen Ankömmling entgegen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_376"> Fenneberg tritt bis an den Rand des Tisches vor, seine Nationalgardemütze<lb/>
in der Hand, und sagt mit hohler Stimme, die Augen bescheiden und schwer-<lb/>
müthig zu Boden gesenkt: Ja, ich war vor einer halben Stunde Oberkommandant,<lb/>
nachdem ich dem bisherigen Herrn Oberkommandantcn meinem Freunde Messen¬<lb/>
hauser, schriftlich erklärt hatte, daß es sich nicht mehr mit meiner Ehre, vertrüge,<lb/>
unter seinem Commando zu dienen. Der Herr Oberkommandant hat meine Ent¬<lb/>
lassung angenommen. Wenige Minuten später mußte er selbst seine Abdankung einer<lb/>
Deputation von der Universität ans dem Stephansthurm schriftlich übergeben und ich<lb/>
wurde von dieser Deputation mit dem Oberkommando betraut. Herr Messenhauser<lb/>
hat jedoch hierauf in der Kanzlei des Oberkommando im kaiserlichen Stallgebäude<lb/>
nochmals die Offiziere der Garden zusammenberufen und wurde von diesen ein-<lb/>
müthig zum Oberkommandanten der Nationalgarde erwählt. Hiermit bin ich mei¬<lb/>
ner Pflichten als wahrer Patriot entledigt und zeige Ihnen, meine Herren, an,<lb/>
daß ich Nichts mehr mit den militärischen Maßregeln zu thun habe."</p><lb/>
            <p xml:id="ID_377"> &#x201E;Nichts da, Sie müssen Oberkonimandant werden, ruft man dem tiefvcrletzten<lb/>
Fenneberg nach dieser pathetischen Rede entgegen, Messenhanser muß fort, wir<lb/>
müssen einen Ausfall machen!"</p><lb/>
            <p xml:id="ID_378" next="#ID_379"> Indessen stürzt abermals ein Legionär ins Zimmer; den Stürmer auf dem<lb/>
Kopf, die Arme auf sein Gewehr gestützt, stellt er sich erschöpft in die Mitte der<lb/>
aufgeregten Gruppe und ruft mit jugendlichem Feuer: Wir sind verloren, wir<lb/>
sind verrathen! Messenhanser will nicht mehr kämpfen lassen und wir haben noch<lb/>
Munition in Massen und die Ungarn schlagen sich bereits bei Schwechat und unser</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0120] in der Nähe! — Ja Verrath, Verrath, ruft die romantische Rittergestalt aus dem Hintergrunde mitten hinein, 60,000 Ungarn — Windischgrätz in die Flanke nehmen — Ausfall aus der Stadt macheu - Ausfall aus der Stadt machen — Alles niederhauen — Kinderspiel! — „Hat denn Messenhauser bereits abgedankt, fragt endlich Fröbel in ruhigem Tone. — Noch nicht, wie ich glaube, entgegnet der Legionsoffizier. — Ja wir haben ihn die Abdankungsschrift ans dem Ste¬ phansthurm oben unterschreiben lassen, bemerkt ein anwesendes Mitglied des Stu- dentencomitvs. Es entsteht nun ein Streit darüber, ob Messenhauser bereits ab¬ gedankt, ob Fenneberg bereits das Commando übernommen und welche Maßregeln noch serner zur Vertheidigung der Stadt genommen werden konnten. Blum und Fröbel sind beide der Ansicht, daß die Stadt nicht mehr zu halten sei, werden aber von den übrigen Anwesenden mit großem Lärmen überschrieen: Wir brau¬ chen einen tüchtigen Anführer, Ausfall, 12,000 mobile Garden, polnische Legion! u. f. f. Indessen tritt ein zartgebauter Mann mit einem feingeschnittenen Gesicht, dessen größter Theil in einen großen braunen Backenbart gehüllt ist, ins Zimmer. — Hier ist Fenneberg — also wie ist's, kann man Sie als Oberkommandant begrüßen? so ruft's dem neuen Ankömmling entgegen. Fenneberg tritt bis an den Rand des Tisches vor, seine Nationalgardemütze in der Hand, und sagt mit hohler Stimme, die Augen bescheiden und schwer- müthig zu Boden gesenkt: Ja, ich war vor einer halben Stunde Oberkommandant, nachdem ich dem bisherigen Herrn Oberkommandantcn meinem Freunde Messen¬ hauser, schriftlich erklärt hatte, daß es sich nicht mehr mit meiner Ehre, vertrüge, unter seinem Commando zu dienen. Der Herr Oberkommandant hat meine Ent¬ lassung angenommen. Wenige Minuten später mußte er selbst seine Abdankung einer Deputation von der Universität ans dem Stephansthurm schriftlich übergeben und ich wurde von dieser Deputation mit dem Oberkommando betraut. Herr Messenhauser hat jedoch hierauf in der Kanzlei des Oberkommando im kaiserlichen Stallgebäude nochmals die Offiziere der Garden zusammenberufen und wurde von diesen ein- müthig zum Oberkommandanten der Nationalgarde erwählt. Hiermit bin ich mei¬ ner Pflichten als wahrer Patriot entledigt und zeige Ihnen, meine Herren, an, daß ich Nichts mehr mit den militärischen Maßregeln zu thun habe." „Nichts da, Sie müssen Oberkonimandant werden, ruft man dem tiefvcrletzten Fenneberg nach dieser pathetischen Rede entgegen, Messenhanser muß fort, wir müssen einen Ausfall machen!" Indessen stürzt abermals ein Legionär ins Zimmer; den Stürmer auf dem Kopf, die Arme auf sein Gewehr gestützt, stellt er sich erschöpft in die Mitte der aufgeregten Gruppe und ruft mit jugendlichem Feuer: Wir sind verloren, wir sind verrathen! Messenhanser will nicht mehr kämpfen lassen und wir haben noch Munition in Massen und die Ungarn schlagen sich bereits bei Schwechat und unser

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/120
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/120>, abgerufen am 23.12.2024.