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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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traten, Blum und Fröbel in der Mitte, versammelt sitzen, wie weiland Christus
mit seinen Jüngern beim heiligen Abendmahl. Hier wurden nun im vertrau¬
lichern Kreise die Haltung und der Operationsplan der Radicalen gegenüber dem
Reichstage, dem Gemeinderäthe, dem Oberkommando und den feindlichen Heerla¬
gern besprochen, die Möglichkeiten des Erfolges für den Sieg der Volkssache
und dessen Einfluß ans die ganze deutsche Bewegung und auf die Fortschritte der
der demvcratischcn Ideen nach allen Seiten hin erwogen. Hier liefen von Zeit
zu Zeit Berichte vom Stndentencomite, vom Oberkommando, vom Stephans-
thurme oder dem Lager im Belvedere ein, die Ohnmacht des Reichstages wurde
bespöttelt und zuweilen laute Drohungen von "Sprengung desselben" oder "Ans"
einanderjagen des Gemeinderaths" hingeworfen. Zwischen diesen vier Wänden
äußerte zuweilen auch der allezeit bedächtige Robert Blum sein Mißtrauen in die
Begeisterung der Wiener und in ihre Ausdauer. Fröbel suchte Versöhnung zwi¬
schen einigen Gliedern der "Partei" zu stiften, welche sich um eine Kommando-
stelle bei den Mobilen herumzankten, Simon Deutsch, der schwarzbärtige De¬
mokrat per excellence et i^inn-nec, perorirte von der Tapferkeit der Legion,
indem er den Hahn einer kleinen Taschcnterzcrvlc anspannte, Herr ChaiscS
rühmte sich seiner intimen Verbindungen mit den ungarischen Heerführern, 0>.
Becher entwickelte seine militairischen Kenntnisse und der schmächtige Jellinek zeigte
mit seiner gewohnten dialectischer Schärfe, welchen Weg "nothwendiger und ver¬
nünftiger Weise" die innere Entwickelung der Revolution sür die Zukunft nehmen
müsse. Zuweilen fuhr dann anch die Bärenstimme des ergrauten Schriftstellers
Hängt, nnn Hauptmann des ce"^ d'eine, mit einer Reihe von Schimpftedeu
über die Nachlässigkeit des Obcrkommandv's dazwischen, während er von einem
Platze zum andern springend, von der Masse von Arbeite", Mühen und Lasten
erzählte, welchen er sich für die nächsten Stunden unterzogen habe. Kühne Hand¬
streiche und Heldenstücke zur Vernichtung der Kroaten und des ganzen Windisch-
grätz'sehen Armeecorps waren seine Sache. Wir können ans Discrcüvn noch nicht
der Pflicht eines getreuen Historikers nachkommen und müssen uns für die Zukunft
noch andere Persönlichkeiten vorbehalten, welche während dieser Tage im Lager
der Demokraten in dem rothen Igel eine wichtige Rolle spielten. Sehen wir uns
daher einstweilen die Gesellschaft in den andern Zimmern an. An einem größern
Tische, welcher sonst von den Matadoren der Czechen besetzt war, finden wir nun
mehrere Mitglieder der gemäßigten radicalen Partei, bestehend aus einigen deutsch-
böhmischen und polnischen Reichstagsabgeordneten, aus Juristen nud einigen Le¬
gionären, welche sich ans i>c"int (l'Iwinionr dem Kampfe angeschlossen hatten, und
aus den Mitarbeitern des "Gerad'aus" und der "ostdeutschen Post." Unter die¬
sen Männern herrscht eine besonnene Diskussion über die schwierige Lage der Ver¬
hältnisse, man spricht mit Erbitterung über den Verrath der Ungarn, welche die
braven Wiener zum größten Theile in unselige Wirren hereingezogen und nun


traten, Blum und Fröbel in der Mitte, versammelt sitzen, wie weiland Christus
mit seinen Jüngern beim heiligen Abendmahl. Hier wurden nun im vertrau¬
lichern Kreise die Haltung und der Operationsplan der Radicalen gegenüber dem
Reichstage, dem Gemeinderäthe, dem Oberkommando und den feindlichen Heerla¬
gern besprochen, die Möglichkeiten des Erfolges für den Sieg der Volkssache
und dessen Einfluß ans die ganze deutsche Bewegung und auf die Fortschritte der
der demvcratischcn Ideen nach allen Seiten hin erwogen. Hier liefen von Zeit
zu Zeit Berichte vom Stndentencomite, vom Oberkommando, vom Stephans-
thurme oder dem Lager im Belvedere ein, die Ohnmacht des Reichstages wurde
bespöttelt und zuweilen laute Drohungen von „Sprengung desselben" oder „Ans»
einanderjagen des Gemeinderaths" hingeworfen. Zwischen diesen vier Wänden
äußerte zuweilen auch der allezeit bedächtige Robert Blum sein Mißtrauen in die
Begeisterung der Wiener und in ihre Ausdauer. Fröbel suchte Versöhnung zwi¬
schen einigen Gliedern der „Partei" zu stiften, welche sich um eine Kommando-
stelle bei den Mobilen herumzankten, Simon Deutsch, der schwarzbärtige De¬
mokrat per excellence et i^inn-nec, perorirte von der Tapferkeit der Legion,
indem er den Hahn einer kleinen Taschcnterzcrvlc anspannte, Herr ChaiscS
rühmte sich seiner intimen Verbindungen mit den ungarischen Heerführern, 0>.
Becher entwickelte seine militairischen Kenntnisse und der schmächtige Jellinek zeigte
mit seiner gewohnten dialectischer Schärfe, welchen Weg „nothwendiger und ver¬
nünftiger Weise" die innere Entwickelung der Revolution sür die Zukunft nehmen
müsse. Zuweilen fuhr dann anch die Bärenstimme des ergrauten Schriftstellers
Hängt, nnn Hauptmann des ce»^ d'eine, mit einer Reihe von Schimpftedeu
über die Nachlässigkeit des Obcrkommandv's dazwischen, während er von einem
Platze zum andern springend, von der Masse von Arbeite», Mühen und Lasten
erzählte, welchen er sich für die nächsten Stunden unterzogen habe. Kühne Hand¬
streiche und Heldenstücke zur Vernichtung der Kroaten und des ganzen Windisch-
grätz'sehen Armeecorps waren seine Sache. Wir können ans Discrcüvn noch nicht
der Pflicht eines getreuen Historikers nachkommen und müssen uns für die Zukunft
noch andere Persönlichkeiten vorbehalten, welche während dieser Tage im Lager
der Demokraten in dem rothen Igel eine wichtige Rolle spielten. Sehen wir uns
daher einstweilen die Gesellschaft in den andern Zimmern an. An einem größern
Tische, welcher sonst von den Matadoren der Czechen besetzt war, finden wir nun
mehrere Mitglieder der gemäßigten radicalen Partei, bestehend aus einigen deutsch-
böhmischen und polnischen Reichstagsabgeordneten, aus Juristen nud einigen Le¬
gionären, welche sich ans i>c»int (l'Iwinionr dem Kampfe angeschlossen hatten, und
aus den Mitarbeitern des „Gerad'aus" und der „ostdeutschen Post." Unter die¬
sen Männern herrscht eine besonnene Diskussion über die schwierige Lage der Ver¬
hältnisse, man spricht mit Erbitterung über den Verrath der Ungarn, welche die
braven Wiener zum größten Theile in unselige Wirren hereingezogen und nun


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/117>, abgerufen am 23.07.2024.