Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

über die Persiflage des Strobach'schen PräsidcnturterrorismuS, wie sie der Präsident
selbst im Charivari eben vorliest, so herzlich lachen. Auch an den Worten des
Herrn Unterstaatssckretärs Mayer, welcher oft in Gesellschaft dieser Herrn hier
zu sehen ist, hatten die Herrn gezweifelt, als er ihnen sagte: Ihr Czechen schmäht
noch immer den Fürsten Windischgrätz als euren Unterdrücker, es dürfte bald
die Zeit kommen, wo ihr ihn als eueren gute" Freund begrüßen werdet!" --
Der Herr Unterstaatssckretär Mayer ist bekanntlich ein schlauer Fuchs "ud seiner
Prophezeiung mochten vielleicht bessere Quellen zu Grunde liegen als der leicht¬
fertigen Persiflage des Charivari. Wenige Tage später brach die Octoberrevolution
aus und Herr Strvbach schauderte zurück vor den Paragraphen der Geschäftsord¬
nung und flüchtete sich in die Wälder bei Vöslau, die Herren Rieger, Palacky
und Hawliczek begrüßten den Fürsten Windischgrätz auf dem Prager Schlosse als
den guten Freund der Czechen und forderten ihn auf, zum Heile der slavischen
Monarchie geu Wien zu ziehe". Die guten Herren hatten dabei wohl an die
Freiheit, Brüderlichkeit und Gleichheit vergesse", welche -- beim rothen Igel prok-
lamirt worden war.

Bevor wir vou unsern czechischcn Freunden hier scheiden, wollen wir doch
noch eines Mannes gedenken, welcher unter den Gäste" der Revolutionsküche, welche
hier geschildert wird, eine nicht unbedeutende Rolle spielte und dessen Ruhm mit jenem
des Reichstags zu Kremsier innig verwachsen ist. Wir meinen Herr" Jelen, einen
böhmischen Licderkompositeur, welcher wahrscheinlich in Anbetracht "seiner redlich
erfüllten Natcrpflichtcn gegen nenn erwachsene Kinder", (mit diesen Worten rühmt
wenigstens Herr Jelen stets seine großen Verdienste um's Vaterland) als Abgeord¬
neter mit 200 Fi. C.-M. monatliche Diäten in den Reichstag gewählt wurde.
Herr Jelen erwarb sich alsbald die herzlichste Anerkennung unter seinen parla¬
mentarischen Kollegen dnrch sein unverbrüchliches Schweigen und den tiefsten Groll
der Journalisten dnrch die indiscrete Art, mit welcher er sein ihm in Gnaden
verliehenes Amt als "Ordner des Hauses" gegenüber der gesammten Publicistik
Oestreich's ausübte. Auf seinen Antrag wurden die P. T. Journalisten vou jedem
Contakte mit deu P. T. Abgeordneten während der RcichStagssitznng ausgeschlossen
und denselben ein eigener Zugang zu ihren Logen hergerichtet, welcher dnrch sei¬
nen bedenklichen unterirdischen und anrüchigen Charakter die reinen patriotischen
Absichten der östreichischen Publicisten tief verletzte. Von diesem Augenblick an
sah sich Herr Jelen den ungemessenen Angriffen der Wiener Journalisten ausge¬
setzt und betrachtete sich als Märtyrer der parlamentarischen Würde und Ordnung.
Einige Tage nach dem welthistorischen 0. October verlor sich Herr Jelen unter den
kräftigsten Beteuerungen seines persönlichen Muthes nud seiner patriotischen Ge¬
sinnung aus dem Neichstagsaale und aus den Mauern Wiens, figurirte hierauf
in Ollmütz als Quartiermeister der slavischen Politiker, welche dort ab- und zu-
reisten und wurde hieraus in Anerkennung seiner bisherigen Verdienste mit der


über die Persiflage des Strobach'schen PräsidcnturterrorismuS, wie sie der Präsident
selbst im Charivari eben vorliest, so herzlich lachen. Auch an den Worten des
Herrn Unterstaatssckretärs Mayer, welcher oft in Gesellschaft dieser Herrn hier
zu sehen ist, hatten die Herrn gezweifelt, als er ihnen sagte: Ihr Czechen schmäht
noch immer den Fürsten Windischgrätz als euren Unterdrücker, es dürfte bald
die Zeit kommen, wo ihr ihn als eueren gute» Freund begrüßen werdet!" —
Der Herr Unterstaatssckretär Mayer ist bekanntlich ein schlauer Fuchs »ud seiner
Prophezeiung mochten vielleicht bessere Quellen zu Grunde liegen als der leicht¬
fertigen Persiflage des Charivari. Wenige Tage später brach die Octoberrevolution
aus und Herr Strvbach schauderte zurück vor den Paragraphen der Geschäftsord¬
nung und flüchtete sich in die Wälder bei Vöslau, die Herren Rieger, Palacky
und Hawliczek begrüßten den Fürsten Windischgrätz auf dem Prager Schlosse als
den guten Freund der Czechen und forderten ihn auf, zum Heile der slavischen
Monarchie geu Wien zu ziehe». Die guten Herren hatten dabei wohl an die
Freiheit, Brüderlichkeit und Gleichheit vergesse«, welche — beim rothen Igel prok-
lamirt worden war.

Bevor wir vou unsern czechischcn Freunden hier scheiden, wollen wir doch
noch eines Mannes gedenken, welcher unter den Gäste» der Revolutionsküche, welche
hier geschildert wird, eine nicht unbedeutende Rolle spielte und dessen Ruhm mit jenem
des Reichstags zu Kremsier innig verwachsen ist. Wir meinen Herr» Jelen, einen
böhmischen Licderkompositeur, welcher wahrscheinlich in Anbetracht „seiner redlich
erfüllten Natcrpflichtcn gegen nenn erwachsene Kinder", (mit diesen Worten rühmt
wenigstens Herr Jelen stets seine großen Verdienste um's Vaterland) als Abgeord¬
neter mit 200 Fi. C.-M. monatliche Diäten in den Reichstag gewählt wurde.
Herr Jelen erwarb sich alsbald die herzlichste Anerkennung unter seinen parla¬
mentarischen Kollegen dnrch sein unverbrüchliches Schweigen und den tiefsten Groll
der Journalisten dnrch die indiscrete Art, mit welcher er sein ihm in Gnaden
verliehenes Amt als „Ordner des Hauses" gegenüber der gesammten Publicistik
Oestreich's ausübte. Auf seinen Antrag wurden die P. T. Journalisten vou jedem
Contakte mit deu P. T. Abgeordneten während der RcichStagssitznng ausgeschlossen
und denselben ein eigener Zugang zu ihren Logen hergerichtet, welcher dnrch sei¬
nen bedenklichen unterirdischen und anrüchigen Charakter die reinen patriotischen
Absichten der östreichischen Publicisten tief verletzte. Von diesem Augenblick an
sah sich Herr Jelen den ungemessenen Angriffen der Wiener Journalisten ausge¬
setzt und betrachtete sich als Märtyrer der parlamentarischen Würde und Ordnung.
Einige Tage nach dem welthistorischen 0. October verlor sich Herr Jelen unter den
kräftigsten Beteuerungen seines persönlichen Muthes nud seiner patriotischen Ge¬
sinnung aus dem Neichstagsaale und aus den Mauern Wiens, figurirte hierauf
in Ollmütz als Quartiermeister der slavischen Politiker, welche dort ab- und zu-
reisten und wurde hieraus in Anerkennung seiner bisherigen Verdienste mit der


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0111" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278099"/>
            <p xml:id="ID_350" prev="#ID_349"> über die Persiflage des Strobach'schen PräsidcnturterrorismuS, wie sie der Präsident<lb/>
selbst im Charivari eben vorliest, so herzlich lachen. Auch an den Worten des<lb/>
Herrn Unterstaatssckretärs Mayer, welcher oft in Gesellschaft dieser Herrn hier<lb/>
zu sehen ist, hatten die Herrn gezweifelt, als er ihnen sagte: Ihr Czechen schmäht<lb/>
noch immer den Fürsten Windischgrätz als euren Unterdrücker, es dürfte bald<lb/>
die Zeit kommen, wo ihr ihn als eueren gute» Freund begrüßen werdet!" &#x2014;<lb/>
Der Herr Unterstaatssckretär Mayer ist bekanntlich ein schlauer Fuchs »ud seiner<lb/>
Prophezeiung mochten vielleicht bessere Quellen zu Grunde liegen als der leicht¬<lb/>
fertigen Persiflage des Charivari. Wenige Tage später brach die Octoberrevolution<lb/>
aus und Herr Strvbach schauderte zurück vor den Paragraphen der Geschäftsord¬<lb/>
nung und flüchtete sich in die Wälder bei Vöslau, die Herren Rieger, Palacky<lb/>
und Hawliczek begrüßten den Fürsten Windischgrätz auf dem Prager Schlosse als<lb/>
den guten Freund der Czechen und forderten ihn auf, zum Heile der slavischen<lb/>
Monarchie geu Wien zu ziehe». Die guten Herren hatten dabei wohl an die<lb/>
Freiheit, Brüderlichkeit und Gleichheit vergesse«, welche &#x2014; beim rothen Igel prok-<lb/>
lamirt worden war.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_351" next="#ID_352"> Bevor wir vou unsern czechischcn Freunden hier scheiden, wollen wir doch<lb/>
noch eines Mannes gedenken, welcher unter den Gäste» der Revolutionsküche, welche<lb/>
hier geschildert wird, eine nicht unbedeutende Rolle spielte und dessen Ruhm mit jenem<lb/>
des Reichstags zu Kremsier innig verwachsen ist. Wir meinen Herr» Jelen, einen<lb/>
böhmischen Licderkompositeur, welcher wahrscheinlich in Anbetracht &#x201E;seiner redlich<lb/>
erfüllten Natcrpflichtcn gegen nenn erwachsene Kinder", (mit diesen Worten rühmt<lb/>
wenigstens Herr Jelen stets seine großen Verdienste um's Vaterland) als Abgeord¬<lb/>
neter mit 200 Fi. C.-M. monatliche Diäten in den Reichstag gewählt wurde.<lb/>
Herr Jelen erwarb sich alsbald die herzlichste Anerkennung unter seinen parla¬<lb/>
mentarischen Kollegen dnrch sein unverbrüchliches Schweigen und den tiefsten Groll<lb/>
der Journalisten dnrch die indiscrete Art, mit welcher er sein ihm in Gnaden<lb/>
verliehenes Amt als &#x201E;Ordner des Hauses" gegenüber der gesammten Publicistik<lb/>
Oestreich's ausübte. Auf seinen Antrag wurden die P. T. Journalisten vou jedem<lb/>
Contakte mit deu P. T. Abgeordneten während der RcichStagssitznng ausgeschlossen<lb/>
und denselben ein eigener Zugang zu ihren Logen hergerichtet, welcher dnrch sei¬<lb/>
nen bedenklichen unterirdischen und anrüchigen Charakter die reinen patriotischen<lb/>
Absichten der östreichischen Publicisten tief verletzte. Von diesem Augenblick an<lb/>
sah sich Herr Jelen den ungemessenen Angriffen der Wiener Journalisten ausge¬<lb/>
setzt und betrachtete sich als Märtyrer der parlamentarischen Würde und Ordnung.<lb/>
Einige Tage nach dem welthistorischen 0. October verlor sich Herr Jelen unter den<lb/>
kräftigsten Beteuerungen seines persönlichen Muthes nud seiner patriotischen Ge¬<lb/>
sinnung aus dem Neichstagsaale und aus den Mauern Wiens, figurirte hierauf<lb/>
in Ollmütz als Quartiermeister der slavischen Politiker, welche dort ab- und zu-<lb/>
reisten und wurde hieraus in Anerkennung seiner bisherigen Verdienste mit der</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0111] über die Persiflage des Strobach'schen PräsidcnturterrorismuS, wie sie der Präsident selbst im Charivari eben vorliest, so herzlich lachen. Auch an den Worten des Herrn Unterstaatssckretärs Mayer, welcher oft in Gesellschaft dieser Herrn hier zu sehen ist, hatten die Herrn gezweifelt, als er ihnen sagte: Ihr Czechen schmäht noch immer den Fürsten Windischgrätz als euren Unterdrücker, es dürfte bald die Zeit kommen, wo ihr ihn als eueren gute» Freund begrüßen werdet!" — Der Herr Unterstaatssckretär Mayer ist bekanntlich ein schlauer Fuchs »ud seiner Prophezeiung mochten vielleicht bessere Quellen zu Grunde liegen als der leicht¬ fertigen Persiflage des Charivari. Wenige Tage später brach die Octoberrevolution aus und Herr Strvbach schauderte zurück vor den Paragraphen der Geschäftsord¬ nung und flüchtete sich in die Wälder bei Vöslau, die Herren Rieger, Palacky und Hawliczek begrüßten den Fürsten Windischgrätz auf dem Prager Schlosse als den guten Freund der Czechen und forderten ihn auf, zum Heile der slavischen Monarchie geu Wien zu ziehe». Die guten Herren hatten dabei wohl an die Freiheit, Brüderlichkeit und Gleichheit vergesse«, welche — beim rothen Igel prok- lamirt worden war. Bevor wir vou unsern czechischcn Freunden hier scheiden, wollen wir doch noch eines Mannes gedenken, welcher unter den Gäste» der Revolutionsküche, welche hier geschildert wird, eine nicht unbedeutende Rolle spielte und dessen Ruhm mit jenem des Reichstags zu Kremsier innig verwachsen ist. Wir meinen Herr» Jelen, einen böhmischen Licderkompositeur, welcher wahrscheinlich in Anbetracht „seiner redlich erfüllten Natcrpflichtcn gegen nenn erwachsene Kinder", (mit diesen Worten rühmt wenigstens Herr Jelen stets seine großen Verdienste um's Vaterland) als Abgeord¬ neter mit 200 Fi. C.-M. monatliche Diäten in den Reichstag gewählt wurde. Herr Jelen erwarb sich alsbald die herzlichste Anerkennung unter seinen parla¬ mentarischen Kollegen dnrch sein unverbrüchliches Schweigen und den tiefsten Groll der Journalisten dnrch die indiscrete Art, mit welcher er sein ihm in Gnaden verliehenes Amt als „Ordner des Hauses" gegenüber der gesammten Publicistik Oestreich's ausübte. Auf seinen Antrag wurden die P. T. Journalisten vou jedem Contakte mit deu P. T. Abgeordneten während der RcichStagssitznng ausgeschlossen und denselben ein eigener Zugang zu ihren Logen hergerichtet, welcher dnrch sei¬ nen bedenklichen unterirdischen und anrüchigen Charakter die reinen patriotischen Absichten der östreichischen Publicisten tief verletzte. Von diesem Augenblick an sah sich Herr Jelen den ungemessenen Angriffen der Wiener Journalisten ausge¬ setzt und betrachtete sich als Märtyrer der parlamentarischen Würde und Ordnung. Einige Tage nach dem welthistorischen 0. October verlor sich Herr Jelen unter den kräftigsten Beteuerungen seines persönlichen Muthes nud seiner patriotischen Ge¬ sinnung aus dem Neichstagsaale und aus den Mauern Wiens, figurirte hierauf in Ollmütz als Quartiermeister der slavischen Politiker, welche dort ab- und zu- reisten und wurde hieraus in Anerkennung seiner bisherigen Verdienste mit der

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/111
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/111>, abgerufen am 23.07.2024.