Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Dünkel des Geldreichthums auf eine trostlose Weise versunken sei. Von Bremen
kann man, sowohl was den Senat als was die Bürgerschaft betrifft, beiden getrost
zugestehn, daß sie ihrerseits die Forderungen fortschreitender Tage im Allgemeinen
begriffen haben. Im Bremer Senat lebt zwar der allen Regierenden dieser Zeit
einwohnende Bevormundnngs-, Ausschließlichkeits- und Vettcrschaftsgcist, welcher
die zur Corporation Gehörigen mit ihrem sämmtlichen Anhängsel von vornherein
für etwas Besseres als die gesammte übrige Menschheit hält, eben so gut als in
der Bürgerschaft Gcldhochmuth, Philisterei und was den erwerbenden und besitzen¬
den Privatmcnschen für Gebrechen sonst noch heimzusuchen Pflegen, so gut wie
anderwärts. Wo jeder, aus herkömmlicher Bedachtsamkeit, bei jeglichem Thun und
Lassen des Andern eine "r, iizi-v pensee voraussetzt, haben bcgeisterungsvolle Naturen
einen schweren Stand. Sehen Sie sich in der nächsten besten Bremischen Gesell¬
schaft, dem vorzugsweise modischen oder sogenannten Honoratiorenkrcise, wie dem
mehr gewerkständischen, kleinbürgerlichen, um, ob Sie nicht da in der Männerwelt
ans einen gebornen Bremer in der Regel zwei, ja drei und mehr außerhalb des
Bremischen Gebiets Geborene und Erzogene treffen? Diese angebürgerten Bremer
sind durch die unvergleichlich vortheilhafte Handelslage des Ortes, durch das
blühende Gewerb, Handel und Schiffahrt, durch die vom Staate aus ehrenhaft
ansteche erhaltene republikanische Freiheit angezogen, am Orte hasten geblieben
und sind nun die wärmsten Anhänger des Bremerthnms, so gut eS nur immer
ein sogenanntes "tvgenboren", d. i. erzognes und gebornes Bremer "Kind" sein
kann. Der Niedersachse ist nicht ein Mensch lebhafter Gefühle: aber wenn der
Beiner anf seine, gleichviel ob durch Natur oder durch Adoption ihm heimisch
gewordene Stadt zu reden kommt, dann erglüht er und ich will keinem rathen,
ihm unvorsichtigen Widerspruch entgegenzusetzen.

Die republikanische Freiheit, die Befugniß, ganz nach Belieben zu eristiren,
das urgermanische Ungeschorcublciben von tausend Quengeleien und Armseligkeiten,
wenn sich einer nicht muthwillig in die herkömmliche Misere des Alltagsklatschcö
hiucinbegab, möchte weder in den übrigen freien Städten Deutschlands, noch in
den Schweizer Kantonen nach einem so echt grnndkräftigen Style zu haben sein,
als in Bremen; und man kauu kühnlich behaupten, daß man hier von den er-
bitternder Verkümmerungen, welche seit 18 l5 von Seiten der obersten Gewalten
M Niederhaltung des öffentlichen Geistes in jährlich steigendem Maße veranstaltet
wurden, das Mindeste verspürte.

Ich habe noch immer gefunden, daß überall die Werkzeuge der Gewalt all-
ein ^"^ Institutionen der Gewalt. Unser Senat als Korporation war
l rrs" aristokratisches Wesen; er hatte einen os,.ut ,!t- cui'j.s; er suchte zu
aebild t" ^'^ ^"'^ ^" Bremens Verhältnissen, als mir eine sehr
eiicntlick ""^ ^' Senatsrcgion sagte: "Der Senat, sehen Sie, stellt so
g ep den Adel Bremens vor" -- worauf sie uach einer Weile, da ihr


Dünkel des Geldreichthums auf eine trostlose Weise versunken sei. Von Bremen
kann man, sowohl was den Senat als was die Bürgerschaft betrifft, beiden getrost
zugestehn, daß sie ihrerseits die Forderungen fortschreitender Tage im Allgemeinen
begriffen haben. Im Bremer Senat lebt zwar der allen Regierenden dieser Zeit
einwohnende Bevormundnngs-, Ausschließlichkeits- und Vettcrschaftsgcist, welcher
die zur Corporation Gehörigen mit ihrem sämmtlichen Anhängsel von vornherein
für etwas Besseres als die gesammte übrige Menschheit hält, eben so gut als in
der Bürgerschaft Gcldhochmuth, Philisterei und was den erwerbenden und besitzen¬
den Privatmcnschen für Gebrechen sonst noch heimzusuchen Pflegen, so gut wie
anderwärts. Wo jeder, aus herkömmlicher Bedachtsamkeit, bei jeglichem Thun und
Lassen des Andern eine «r, iizi-v pensee voraussetzt, haben bcgeisterungsvolle Naturen
einen schweren Stand. Sehen Sie sich in der nächsten besten Bremischen Gesell¬
schaft, dem vorzugsweise modischen oder sogenannten Honoratiorenkrcise, wie dem
mehr gewerkständischen, kleinbürgerlichen, um, ob Sie nicht da in der Männerwelt
ans einen gebornen Bremer in der Regel zwei, ja drei und mehr außerhalb des
Bremischen Gebiets Geborene und Erzogene treffen? Diese angebürgerten Bremer
sind durch die unvergleichlich vortheilhafte Handelslage des Ortes, durch das
blühende Gewerb, Handel und Schiffahrt, durch die vom Staate aus ehrenhaft
ansteche erhaltene republikanische Freiheit angezogen, am Orte hasten geblieben
und sind nun die wärmsten Anhänger des Bremerthnms, so gut eS nur immer
ein sogenanntes „tvgenboren", d. i. erzognes und gebornes Bremer „Kind" sein
kann. Der Niedersachse ist nicht ein Mensch lebhafter Gefühle: aber wenn der
Beiner anf seine, gleichviel ob durch Natur oder durch Adoption ihm heimisch
gewordene Stadt zu reden kommt, dann erglüht er und ich will keinem rathen,
ihm unvorsichtigen Widerspruch entgegenzusetzen.

Die republikanische Freiheit, die Befugniß, ganz nach Belieben zu eristiren,
das urgermanische Ungeschorcublciben von tausend Quengeleien und Armseligkeiten,
wenn sich einer nicht muthwillig in die herkömmliche Misere des Alltagsklatschcö
hiucinbegab, möchte weder in den übrigen freien Städten Deutschlands, noch in
den Schweizer Kantonen nach einem so echt grnndkräftigen Style zu haben sein,
als in Bremen; und man kauu kühnlich behaupten, daß man hier von den er-
bitternder Verkümmerungen, welche seit 18 l5 von Seiten der obersten Gewalten
M Niederhaltung des öffentlichen Geistes in jährlich steigendem Maße veranstaltet
wurden, das Mindeste verspürte.

Ich habe noch immer gefunden, daß überall die Werkzeuge der Gewalt all-
ein ^"^ Institutionen der Gewalt. Unser Senat als Korporation war
l rrs« aristokratisches Wesen; er hatte einen os,.ut ,!t- cui'j.s; er suchte zu
aebild t" ^'^ ^"'^ ^" Bremens Verhältnissen, als mir eine sehr
eiicntlick ""^ ^' Senatsrcgion sagte: „Der Senat, sehen Sie, stellt so
g ep den Adel Bremens vor" — worauf sie uach einer Weile, da ihr


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0081" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/277511"/>
          <p xml:id="ID_264" prev="#ID_263"> Dünkel des Geldreichthums auf eine trostlose Weise versunken sei.  Von Bremen<lb/>
kann man, sowohl was den Senat als was die Bürgerschaft betrifft, beiden getrost<lb/>
zugestehn, daß sie ihrerseits die Forderungen fortschreitender Tage im Allgemeinen<lb/>
begriffen haben. Im Bremer Senat lebt zwar der allen Regierenden dieser Zeit<lb/>
einwohnende Bevormundnngs-, Ausschließlichkeits- und Vettcrschaftsgcist, welcher<lb/>
die zur Corporation Gehörigen mit ihrem sämmtlichen Anhängsel von vornherein<lb/>
für etwas Besseres als die gesammte übrige Menschheit hält, eben so gut als in<lb/>
der Bürgerschaft Gcldhochmuth, Philisterei und was den erwerbenden und besitzen¬<lb/>
den Privatmcnschen für Gebrechen sonst noch heimzusuchen Pflegen, so gut wie<lb/>
anderwärts. Wo jeder, aus herkömmlicher Bedachtsamkeit, bei jeglichem Thun und<lb/>
Lassen des Andern eine «r, iizi-v pensee voraussetzt, haben bcgeisterungsvolle Naturen<lb/>
einen schweren Stand. Sehen Sie sich in der nächsten besten Bremischen Gesell¬<lb/>
schaft, dem vorzugsweise modischen oder sogenannten Honoratiorenkrcise, wie dem<lb/>
mehr gewerkständischen, kleinbürgerlichen, um, ob Sie nicht da in der Männerwelt<lb/>
ans einen gebornen Bremer in der Regel zwei, ja drei und mehr außerhalb des<lb/>
Bremischen Gebiets Geborene und Erzogene treffen? Diese angebürgerten Bremer<lb/>
sind durch die unvergleichlich vortheilhafte Handelslage des Ortes, durch das<lb/>
blühende Gewerb, Handel und Schiffahrt, durch die vom Staate aus ehrenhaft<lb/>
ansteche erhaltene republikanische Freiheit angezogen, am Orte hasten geblieben<lb/>
und sind nun die wärmsten Anhänger des Bremerthnms, so gut eS nur immer<lb/>
ein sogenanntes &#x201E;tvgenboren", d. i. erzognes und gebornes Bremer &#x201E;Kind" sein<lb/>
kann. Der Niedersachse ist nicht ein Mensch lebhafter Gefühle: aber wenn der<lb/>
Beiner anf seine, gleichviel ob durch Natur oder durch Adoption ihm heimisch<lb/>
gewordene Stadt zu reden kommt, dann erglüht er und ich will keinem rathen,<lb/>
ihm unvorsichtigen Widerspruch entgegenzusetzen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_265"> Die republikanische Freiheit, die Befugniß, ganz nach Belieben zu eristiren,<lb/>
das urgermanische Ungeschorcublciben von tausend Quengeleien und Armseligkeiten,<lb/>
wenn sich einer nicht muthwillig in die herkömmliche Misere des Alltagsklatschcö<lb/>
hiucinbegab, möchte weder in den übrigen freien Städten Deutschlands, noch in<lb/>
den Schweizer Kantonen nach einem so echt grnndkräftigen Style zu haben sein,<lb/>
als in Bremen; und man kauu kühnlich behaupten, daß man hier von den er-<lb/>
bitternder Verkümmerungen, welche seit 18 l5 von Seiten der obersten Gewalten<lb/>
M Niederhaltung des öffentlichen Geistes in jährlich steigendem Maße veranstaltet<lb/>
wurden, das Mindeste verspürte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_266" next="#ID_267"> Ich habe noch immer gefunden, daß überall die Werkzeuge der Gewalt all-<lb/>
ein ^"^ Institutionen der Gewalt. Unser Senat als Korporation war<lb/>
l rrs« aristokratisches Wesen; er hatte einen os,.ut ,!t- cui'j.s; er suchte zu<lb/>
aebild t" ^'^ ^"'^ ^" Bremens Verhältnissen, als mir eine sehr<lb/>
eiicntlick ""^ ^' Senatsrcgion sagte: &#x201E;Der Senat, sehen Sie, stellt so<lb/>
g  ep den Adel Bremens vor" &#x2014; worauf sie uach einer Weile, da ihr</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0081] Dünkel des Geldreichthums auf eine trostlose Weise versunken sei. Von Bremen kann man, sowohl was den Senat als was die Bürgerschaft betrifft, beiden getrost zugestehn, daß sie ihrerseits die Forderungen fortschreitender Tage im Allgemeinen begriffen haben. Im Bremer Senat lebt zwar der allen Regierenden dieser Zeit einwohnende Bevormundnngs-, Ausschließlichkeits- und Vettcrschaftsgcist, welcher die zur Corporation Gehörigen mit ihrem sämmtlichen Anhängsel von vornherein für etwas Besseres als die gesammte übrige Menschheit hält, eben so gut als in der Bürgerschaft Gcldhochmuth, Philisterei und was den erwerbenden und besitzen¬ den Privatmcnschen für Gebrechen sonst noch heimzusuchen Pflegen, so gut wie anderwärts. Wo jeder, aus herkömmlicher Bedachtsamkeit, bei jeglichem Thun und Lassen des Andern eine «r, iizi-v pensee voraussetzt, haben bcgeisterungsvolle Naturen einen schweren Stand. Sehen Sie sich in der nächsten besten Bremischen Gesell¬ schaft, dem vorzugsweise modischen oder sogenannten Honoratiorenkrcise, wie dem mehr gewerkständischen, kleinbürgerlichen, um, ob Sie nicht da in der Männerwelt ans einen gebornen Bremer in der Regel zwei, ja drei und mehr außerhalb des Bremischen Gebiets Geborene und Erzogene treffen? Diese angebürgerten Bremer sind durch die unvergleichlich vortheilhafte Handelslage des Ortes, durch das blühende Gewerb, Handel und Schiffahrt, durch die vom Staate aus ehrenhaft ansteche erhaltene republikanische Freiheit angezogen, am Orte hasten geblieben und sind nun die wärmsten Anhänger des Bremerthnms, so gut eS nur immer ein sogenanntes „tvgenboren", d. i. erzognes und gebornes Bremer „Kind" sein kann. Der Niedersachse ist nicht ein Mensch lebhafter Gefühle: aber wenn der Beiner anf seine, gleichviel ob durch Natur oder durch Adoption ihm heimisch gewordene Stadt zu reden kommt, dann erglüht er und ich will keinem rathen, ihm unvorsichtigen Widerspruch entgegenzusetzen. Die republikanische Freiheit, die Befugniß, ganz nach Belieben zu eristiren, das urgermanische Ungeschorcublciben von tausend Quengeleien und Armseligkeiten, wenn sich einer nicht muthwillig in die herkömmliche Misere des Alltagsklatschcö hiucinbegab, möchte weder in den übrigen freien Städten Deutschlands, noch in den Schweizer Kantonen nach einem so echt grnndkräftigen Style zu haben sein, als in Bremen; und man kauu kühnlich behaupten, daß man hier von den er- bitternder Verkümmerungen, welche seit 18 l5 von Seiten der obersten Gewalten M Niederhaltung des öffentlichen Geistes in jährlich steigendem Maße veranstaltet wurden, das Mindeste verspürte. Ich habe noch immer gefunden, daß überall die Werkzeuge der Gewalt all- ein ^"^ Institutionen der Gewalt. Unser Senat als Korporation war l rrs« aristokratisches Wesen; er hatte einen os,.ut ,!t- cui'j.s; er suchte zu aebild t" ^'^ ^"'^ ^" Bremens Verhältnissen, als mir eine sehr eiicntlick ""^ ^' Senatsrcgion sagte: „Der Senat, sehen Sie, stellt so g ep den Adel Bremens vor" — worauf sie uach einer Weile, da ihr

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/81
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/81>, abgerufen am 28.09.2024.