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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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Manches von sich sprechen machten und in Folge von Karrikaturen als die beiden
Münchner Volkstribunen bekannt sind. Der erste ist der Literat C. W. Vogt,
ein kleines Männlein mit feiner Stimme, aber gewandt in Wort und Schrift und
nicht verlegen mit beißendem Spott den Gegner niederzuwerfen, wenn die gewöhn¬
lichen Mittel der Beredsamkeit nicht ausreichen wollen. An der Spitze eines Clubs,
der sich das Ziel gesteckt hatte, in regelmäßig wiederkehrenden Volksversammlun¬
gen die niedern Stände über die Tagesfragen aufzuklären und als sein Hauptor¬
gan den Münchner Eilboten benutzend, war es ihm gelungen ein bedeutendes
Publikum zu gewinnen und er hätte vielleicht viel Gutes leisten können, wenn
nicht Machinationen von Oben und die brutale Gewalt eines Theiles der Bür¬
gerschaft sein Wirken paralysirt hätten. Leider findet er wegen seiner frühern so
loyal gehaltnen Gedichte über die Wittelsbacher und Hohenschwangau bei den ge¬
bildeten Liberalen wenig Anklang und imponirt dem ungebildeten Publikum zu we¬
nig durch seine persönliche Erscheinung.

Der andere Volkstribun ist ein gewisser Herr Sax, ebenfalls eine sehr win¬
zige Personage, ehemals selbst Arbeiter, später Poet, gegenwärtig Verkäufer von
Flugblättern und Vorsitzender eines Arbeitervereins. Nicht so begabt und nie so
bekannt wie Vogt, beschränkte sich sein Wirken mehr .ans die Verbesserung der
Lage der arbeitenden Klassen und war fast wieder verschollen, bis er erst kürzlich
am Grabe des im Schatzkammertumulte erschossenen Bäckergesellen eine Leichenrede
hielt, weil kein Pfaffe für die verzweifelnde alte Mutter, des Opfers eines rohen
Soldkuechts, ein Wort des Trostes finden konnte. Auch er imponirt zu wenig durch
sein Aeußeres, um als Münchner Demosthenes wirksame Philippiken zu donnern.

Daß die Kunst gegenwärtig in dem sonst so kunstreichen Athen an der Jsar
daniederliegt, ist wohl mehr eine Folge der unruhigen Zeiten als der Thronent¬
sagung des Königs Ludwig. Unsre Künstler, die noch immer ein eignes Freikorps
bilden, hatten seit März zu viel zu cxerziren und Patrouillen zu machen, als daß
die Musen vor dem beständigen Waffenlärm nicht hätten Reißaus nehmen sollen.
Die gegenwärtige Kunstausstellung zeigt dies deutlich genug. Das historische Fach
ist sehr wenig vertreten, besser das Genre und die Landschaft. Heiligenschindereieu,
die während Adels Periode so beliebt waren, haben fast ganz aufgehört. Fran¬
zösische und niederländische Künstler lieferten manches Gute, besonders im Genre
rend in Seestücken, ich will jedoch blos von den Bildern hiesiger Künstler einige
anführen, die von besonderer Bedeutung sind. Sakantala, umgeben von ihren
Gespielinnen, sinnt einem Gedichte auf ihren Geliebten nach, von Ludwig Thiersch;
ein Bild, das viel an Riedel erinnert, den der junge Künstler sich auch zur Mu¬
ster genommen zu haben scheint.

Von Professor Moritz Schwind ist ein großes allegorisches Bild da: der
Rhein, umgeben von Nixen, die den Nibelungcnschatz tragen, seinen Gesang ans
der Fidel des Volker begleitend. Die Nebenflüsse, an den Gebäuden und Cm-


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Manches von sich sprechen machten und in Folge von Karrikaturen als die beiden
Münchner Volkstribunen bekannt sind. Der erste ist der Literat C. W. Vogt,
ein kleines Männlein mit feiner Stimme, aber gewandt in Wort und Schrift und
nicht verlegen mit beißendem Spott den Gegner niederzuwerfen, wenn die gewöhn¬
lichen Mittel der Beredsamkeit nicht ausreichen wollen. An der Spitze eines Clubs,
der sich das Ziel gesteckt hatte, in regelmäßig wiederkehrenden Volksversammlun¬
gen die niedern Stände über die Tagesfragen aufzuklären und als sein Hauptor¬
gan den Münchner Eilboten benutzend, war es ihm gelungen ein bedeutendes
Publikum zu gewinnen und er hätte vielleicht viel Gutes leisten können, wenn
nicht Machinationen von Oben und die brutale Gewalt eines Theiles der Bür¬
gerschaft sein Wirken paralysirt hätten. Leider findet er wegen seiner frühern so
loyal gehaltnen Gedichte über die Wittelsbacher und Hohenschwangau bei den ge¬
bildeten Liberalen wenig Anklang und imponirt dem ungebildeten Publikum zu we¬
nig durch seine persönliche Erscheinung.

Der andere Volkstribun ist ein gewisser Herr Sax, ebenfalls eine sehr win¬
zige Personage, ehemals selbst Arbeiter, später Poet, gegenwärtig Verkäufer von
Flugblättern und Vorsitzender eines Arbeitervereins. Nicht so begabt und nie so
bekannt wie Vogt, beschränkte sich sein Wirken mehr .ans die Verbesserung der
Lage der arbeitenden Klassen und war fast wieder verschollen, bis er erst kürzlich
am Grabe des im Schatzkammertumulte erschossenen Bäckergesellen eine Leichenrede
hielt, weil kein Pfaffe für die verzweifelnde alte Mutter, des Opfers eines rohen
Soldkuechts, ein Wort des Trostes finden konnte. Auch er imponirt zu wenig durch
sein Aeußeres, um als Münchner Demosthenes wirksame Philippiken zu donnern.

Daß die Kunst gegenwärtig in dem sonst so kunstreichen Athen an der Jsar
daniederliegt, ist wohl mehr eine Folge der unruhigen Zeiten als der Thronent¬
sagung des Königs Ludwig. Unsre Künstler, die noch immer ein eignes Freikorps
bilden, hatten seit März zu viel zu cxerziren und Patrouillen zu machen, als daß
die Musen vor dem beständigen Waffenlärm nicht hätten Reißaus nehmen sollen.
Die gegenwärtige Kunstausstellung zeigt dies deutlich genug. Das historische Fach
ist sehr wenig vertreten, besser das Genre und die Landschaft. Heiligenschindereieu,
die während Adels Periode so beliebt waren, haben fast ganz aufgehört. Fran¬
zösische und niederländische Künstler lieferten manches Gute, besonders im Genre
rend in Seestücken, ich will jedoch blos von den Bildern hiesiger Künstler einige
anführen, die von besonderer Bedeutung sind. Sakantala, umgeben von ihren
Gespielinnen, sinnt einem Gedichte auf ihren Geliebten nach, von Ludwig Thiersch;
ein Bild, das viel an Riedel erinnert, den der junge Künstler sich auch zur Mu¬
ster genommen zu haben scheint.

Von Professor Moritz Schwind ist ein großes allegorisches Bild da: der
Rhein, umgeben von Nixen, die den Nibelungcnschatz tragen, seinen Gesang ans
der Fidel des Volker begleitend. Die Nebenflüsse, an den Gebäuden und Cm-


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[0493] Manches von sich sprechen machten und in Folge von Karrikaturen als die beiden Münchner Volkstribunen bekannt sind. Der erste ist der Literat C. W. Vogt, ein kleines Männlein mit feiner Stimme, aber gewandt in Wort und Schrift und nicht verlegen mit beißendem Spott den Gegner niederzuwerfen, wenn die gewöhn¬ lichen Mittel der Beredsamkeit nicht ausreichen wollen. An der Spitze eines Clubs, der sich das Ziel gesteckt hatte, in regelmäßig wiederkehrenden Volksversammlun¬ gen die niedern Stände über die Tagesfragen aufzuklären und als sein Hauptor¬ gan den Münchner Eilboten benutzend, war es ihm gelungen ein bedeutendes Publikum zu gewinnen und er hätte vielleicht viel Gutes leisten können, wenn nicht Machinationen von Oben und die brutale Gewalt eines Theiles der Bür¬ gerschaft sein Wirken paralysirt hätten. Leider findet er wegen seiner frühern so loyal gehaltnen Gedichte über die Wittelsbacher und Hohenschwangau bei den ge¬ bildeten Liberalen wenig Anklang und imponirt dem ungebildeten Publikum zu we¬ nig durch seine persönliche Erscheinung. Der andere Volkstribun ist ein gewisser Herr Sax, ebenfalls eine sehr win¬ zige Personage, ehemals selbst Arbeiter, später Poet, gegenwärtig Verkäufer von Flugblättern und Vorsitzender eines Arbeitervereins. Nicht so begabt und nie so bekannt wie Vogt, beschränkte sich sein Wirken mehr .ans die Verbesserung der Lage der arbeitenden Klassen und war fast wieder verschollen, bis er erst kürzlich am Grabe des im Schatzkammertumulte erschossenen Bäckergesellen eine Leichenrede hielt, weil kein Pfaffe für die verzweifelnde alte Mutter, des Opfers eines rohen Soldkuechts, ein Wort des Trostes finden konnte. Auch er imponirt zu wenig durch sein Aeußeres, um als Münchner Demosthenes wirksame Philippiken zu donnern. Daß die Kunst gegenwärtig in dem sonst so kunstreichen Athen an der Jsar daniederliegt, ist wohl mehr eine Folge der unruhigen Zeiten als der Thronent¬ sagung des Königs Ludwig. Unsre Künstler, die noch immer ein eignes Freikorps bilden, hatten seit März zu viel zu cxerziren und Patrouillen zu machen, als daß die Musen vor dem beständigen Waffenlärm nicht hätten Reißaus nehmen sollen. Die gegenwärtige Kunstausstellung zeigt dies deutlich genug. Das historische Fach ist sehr wenig vertreten, besser das Genre und die Landschaft. Heiligenschindereieu, die während Adels Periode so beliebt waren, haben fast ganz aufgehört. Fran¬ zösische und niederländische Künstler lieferten manches Gute, besonders im Genre rend in Seestücken, ich will jedoch blos von den Bildern hiesiger Künstler einige anführen, die von besonderer Bedeutung sind. Sakantala, umgeben von ihren Gespielinnen, sinnt einem Gedichte auf ihren Geliebten nach, von Ludwig Thiersch; ein Bild, das viel an Riedel erinnert, den der junge Künstler sich auch zur Mu¬ ster genommen zu haben scheint. Von Professor Moritz Schwind ist ein großes allegorisches Bild da: der Rhein, umgeben von Nixen, die den Nibelungcnschatz tragen, seinen Gesang ans der Fidel des Volker begleitend. Die Nebenflüsse, an den Gebäuden und Cm- Grmzboten. III. I»is. «2

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/493>, abgerufen am 28.09.2024.