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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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wie ein Hinterwäldler aus der Lagunengegend des Missisippi, eine verkümmerte
Figur mit wildem Barte, versehen mit einem Knotenstock und einem verschwolle-
nen zerschlagnen Auge, Was er mir in schlechtem Deutsch von ökonomischer
Weisheit beibrachte, war sehr durstig, und das Schlimmste war, daß er mit Ver¬
achtung die Ansicht zurückwies, als führte mein Wirth selbst die Aufsicht über die
Wirthschaft, der Herr sei Offizier und ein vornehmer Mann, mit den KoinornickS
habe er, der Oeconom, allein zu thun. Diese Komvrnicks sind, nebenbei gesagt, die
Tagearbeiter, welche gegen freie Wohnung, ein Stück Garten und Wiese, freie
Hutung und ein kleines Deputat von etwa drei Scheffel Korn aufs Jahr, zwei
bis drei Wochentage unentgeltlich arbeiten müssen. Diese Burschen, welche in
langen Leinwandröcken und Hosen hier und da vor ärmlichen Lehmhütten standen,
schienen in demselben Zustand, wie die Felder des Gutes zu sein. Die Cultur
hatte wenig an ihnen gethan, aber kräftig aufgeschossen waren sie, wie die Aehren
des Feldes, deren üppiger Stand einen regulären deutschen Landwirth als ord¬
nungswidrig geärgert hätte. Trotzdem war die Ansicht, die ich von meinem Wirth
bekam, keine schmeichelhafte. Auch der amerikanische Blockhausmann treibt eine
wilde Wirthschaft, ist unbesorgt um den Regen, der durch sein Dach sickert und
nimmt es mit reiner Wäsche nicht allzu genau; aber dort ist mitten in der Unord¬
nung und dem Wust seiner Umgebung die herkulische Kraft eiues eisernen Wil¬
lens, eine riesenhafte Thätigkeit überall sichtbar, aus jeder Spur seiner Axt an
den behauenen Baumstämmen kann man die erkennen; hier sah man die Lässig¬
keit, den Schmutz der Trägheit und Lüderlichkeit an Haus und Hof und Flur.
Wieder aber vergaß ich das, als ich am Frühstücktisch mit meinem Wirth zusam¬
men kam. Er war Offiziers
als der Ungarwein ihn offner gemacht hatte und er mit der Begeisterung eines
Jünglings und der Erfahrung eines alten Soldaten von den Ereignissen des
Krieges und den kriegerischen Hilfsmitteln seines Volks sprach, imponirte er
mir als ein weiser und vielerfahrner Kriegsführer, und ich empfand Achtung
und Zuneigung zu seiner Person. Befremdlich war mir, daß er jeder Erwäh¬
nung unseres Geschäfts aus dem Wege ging und auf mein Drängen nur hin¬
warf, es stehe in 14 Tagen ein Termin zwischen ihm und seinen bisherigen Gläu¬
bigern bevor. Mit Wärme sprach er den Wunsch aus, ich möchte bis dahin sein
Gast bleiben und die Zwischenzeit benutzen, Geschäfte, die ich etwa in der Nähe
hätte, von seinem Gut aus abzumachen. Ich schlug in seine dargebotne Hand
er drückte sie mir herzlich und umarmte mich.

^ Von Stund an wurde ich wie ein Angehöriger des Hauses behandelt, seine
..°^sur liebte es, ihre Erinnerungen an Paris mit den meinen auszutauschen,
^ schöne Tochter klimperte auf dem Fortepiano, ich sang dazu und wir waren
"ide mit einander zufrieden. Die jungen Männer aber, von denen einige, wie
in>, Gäste des Hauses, andere aus der Nachbarschaft waren, nahmen mich "is


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wie ein Hinterwäldler aus der Lagunengegend des Missisippi, eine verkümmerte
Figur mit wildem Barte, versehen mit einem Knotenstock und einem verschwolle-
nen zerschlagnen Auge, Was er mir in schlechtem Deutsch von ökonomischer
Weisheit beibrachte, war sehr durstig, und das Schlimmste war, daß er mit Ver¬
achtung die Ansicht zurückwies, als führte mein Wirth selbst die Aufsicht über die
Wirthschaft, der Herr sei Offizier und ein vornehmer Mann, mit den KoinornickS
habe er, der Oeconom, allein zu thun. Diese Komvrnicks sind, nebenbei gesagt, die
Tagearbeiter, welche gegen freie Wohnung, ein Stück Garten und Wiese, freie
Hutung und ein kleines Deputat von etwa drei Scheffel Korn aufs Jahr, zwei
bis drei Wochentage unentgeltlich arbeiten müssen. Diese Burschen, welche in
langen Leinwandröcken und Hosen hier und da vor ärmlichen Lehmhütten standen,
schienen in demselben Zustand, wie die Felder des Gutes zu sein. Die Cultur
hatte wenig an ihnen gethan, aber kräftig aufgeschossen waren sie, wie die Aehren
des Feldes, deren üppiger Stand einen regulären deutschen Landwirth als ord¬
nungswidrig geärgert hätte. Trotzdem war die Ansicht, die ich von meinem Wirth
bekam, keine schmeichelhafte. Auch der amerikanische Blockhausmann treibt eine
wilde Wirthschaft, ist unbesorgt um den Regen, der durch sein Dach sickert und
nimmt es mit reiner Wäsche nicht allzu genau; aber dort ist mitten in der Unord¬
nung und dem Wust seiner Umgebung die herkulische Kraft eiues eisernen Wil¬
lens, eine riesenhafte Thätigkeit überall sichtbar, aus jeder Spur seiner Axt an
den behauenen Baumstämmen kann man die erkennen; hier sah man die Lässig¬
keit, den Schmutz der Trägheit und Lüderlichkeit an Haus und Hof und Flur.
Wieder aber vergaß ich das, als ich am Frühstücktisch mit meinem Wirth zusam¬
men kam. Er war Offiziers
als der Ungarwein ihn offner gemacht hatte und er mit der Begeisterung eines
Jünglings und der Erfahrung eines alten Soldaten von den Ereignissen des
Krieges und den kriegerischen Hilfsmitteln seines Volks sprach, imponirte er
mir als ein weiser und vielerfahrner Kriegsführer, und ich empfand Achtung
und Zuneigung zu seiner Person. Befremdlich war mir, daß er jeder Erwäh¬
nung unseres Geschäfts aus dem Wege ging und auf mein Drängen nur hin¬
warf, es stehe in 14 Tagen ein Termin zwischen ihm und seinen bisherigen Gläu¬
bigern bevor. Mit Wärme sprach er den Wunsch aus, ich möchte bis dahin sein
Gast bleiben und die Zwischenzeit benutzen, Geschäfte, die ich etwa in der Nähe
hätte, von seinem Gut aus abzumachen. Ich schlug in seine dargebotne Hand
er drückte sie mir herzlich und umarmte mich.

^ Von Stund an wurde ich wie ein Angehöriger des Hauses behandelt, seine
..°^sur liebte es, ihre Erinnerungen an Paris mit den meinen auszutauschen,
^ schöne Tochter klimperte auf dem Fortepiano, ich sang dazu und wir waren
"ide mit einander zufrieden. Die jungen Männer aber, von denen einige, wie
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/45>, abgerufen am 22.07.2024.