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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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Ist dieser Proteus eigentlich Republikaner? oder Communist? oder Constitu-
tionell? ist er deutscher oder sächsischer Patriot? oder gar Kosmopolit! -- Er ist
Nichts von dem und Alles. Was sich ihm als gute oratorische Wendung dar¬
bietet, das ist sein Prinzip.

Blum ist kein Mann der Zukunft. Gäbe man ihm heute ein Porte¬
feuille, so würde ihn in 3 Wochen das Volk mit Koch bewerfen. Aber das Ex¬
periment wäre zu bedenklich.

Blum ist auch nicht eigentlich gefährlich. Er ist ein reines, unverfälschtes
Produkt seiner Zeit; wurde er das Volk nicht aufreizen, so thäten es andere ganz
wie er. Ein Freund sagt irgend wo von ihm: dieser Mann ist Michel in
eigner Person; was das Volk denkt, fühlt, thut, das wird auch Blum fühlen,
denken, thun. Das ist ziemlich richtig. Man kann sagen, wie von Alcibiades:
die Natur versuchte, die abstracte Gestalt des rodomontirenden
Radikalismus in Fleisch zu kleiden, und es wurde Blum.




Vom Re i es.



V.

Die lange angekündigten Interpellationen an das Reichskriegsministerium
haben einen andern Erfolg gehabt, als die Anarchisten wünschten; Herr
v. Pencker hat mit der Loyalität und der Umsicht eines Staatsmanns den Ver¬
hältnissen Rechnung getragen und dadurch deu Fehler gut gemacht, durch eine
zu brüske Form den Feinden der Monarchie, die zugleich auch Feinde der Ceiitral-
gewalt sind, Waffen in die Hände gegeben zu haben. Die Linke hat durch die
Gier, mit welcher sie sich auf vermeintliche Abweichungen von der vorschriftsmäßigen
Huldigung des ü. August warf, wieder recht dentlich gezeigt, daß es ihr nicht
darauf ankommt, die Einheit des Reichs herzustellen, sondern nur darauf, die ein¬
zelnen Regierungen mit der Centralgewalt in eine ernsthafte Collision zu bringen
und so ihren Freunden, den rothen Republikanern, Gelegenheit zu geben,
im Trüben zu fischen.

Wer die Bestrebungen dieser deutschen Louis Blanc's und Causstdiere's in
ihrer Presse wie in ihren Verhandlungen aufmerksam verfolgt, der muß sich über¬
zeugen, daß uus, vielleicht in der allernächsten Zeit, ein sehr ernstlicher Kampf
bevorsteht. Möge die constitutionelle Partei auf ihrer Hut sein! Eine rothe Re¬
publik würde zwar die Existenz eines Nachtfalters nicht überdauern, aber sie
würde eine Reaction hervorrufen, welche den neuen Erwerb der Cultur wieder in


Ist dieser Proteus eigentlich Republikaner? oder Communist? oder Constitu-
tionell? ist er deutscher oder sächsischer Patriot? oder gar Kosmopolit! — Er ist
Nichts von dem und Alles. Was sich ihm als gute oratorische Wendung dar¬
bietet, das ist sein Prinzip.

Blum ist kein Mann der Zukunft. Gäbe man ihm heute ein Porte¬
feuille, so würde ihn in 3 Wochen das Volk mit Koch bewerfen. Aber das Ex¬
periment wäre zu bedenklich.

Blum ist auch nicht eigentlich gefährlich. Er ist ein reines, unverfälschtes
Produkt seiner Zeit; wurde er das Volk nicht aufreizen, so thäten es andere ganz
wie er. Ein Freund sagt irgend wo von ihm: dieser Mann ist Michel in
eigner Person; was das Volk denkt, fühlt, thut, das wird auch Blum fühlen,
denken, thun. Das ist ziemlich richtig. Man kann sagen, wie von Alcibiades:
die Natur versuchte, die abstracte Gestalt des rodomontirenden
Radikalismus in Fleisch zu kleiden, und es wurde Blum.




Vom Re i es.



V.

Die lange angekündigten Interpellationen an das Reichskriegsministerium
haben einen andern Erfolg gehabt, als die Anarchisten wünschten; Herr
v. Pencker hat mit der Loyalität und der Umsicht eines Staatsmanns den Ver¬
hältnissen Rechnung getragen und dadurch deu Fehler gut gemacht, durch eine
zu brüske Form den Feinden der Monarchie, die zugleich auch Feinde der Ceiitral-
gewalt sind, Waffen in die Hände gegeben zu haben. Die Linke hat durch die
Gier, mit welcher sie sich auf vermeintliche Abweichungen von der vorschriftsmäßigen
Huldigung des ü. August warf, wieder recht dentlich gezeigt, daß es ihr nicht
darauf ankommt, die Einheit des Reichs herzustellen, sondern nur darauf, die ein¬
zelnen Regierungen mit der Centralgewalt in eine ernsthafte Collision zu bringen
und so ihren Freunden, den rothen Republikanern, Gelegenheit zu geben,
im Trüben zu fischen.

Wer die Bestrebungen dieser deutschen Louis Blanc's und Causstdiere's in
ihrer Presse wie in ihren Verhandlungen aufmerksam verfolgt, der muß sich über¬
zeugen, daß uus, vielleicht in der allernächsten Zeit, ein sehr ernstlicher Kampf
bevorsteht. Möge die constitutionelle Partei auf ihrer Hut sein! Eine rothe Re¬
publik würde zwar die Existenz eines Nachtfalters nicht überdauern, aber sie
würde eine Reaction hervorrufen, welche den neuen Erwerb der Cultur wieder in


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[0394] Ist dieser Proteus eigentlich Republikaner? oder Communist? oder Constitu- tionell? ist er deutscher oder sächsischer Patriot? oder gar Kosmopolit! — Er ist Nichts von dem und Alles. Was sich ihm als gute oratorische Wendung dar¬ bietet, das ist sein Prinzip. Blum ist kein Mann der Zukunft. Gäbe man ihm heute ein Porte¬ feuille, so würde ihn in 3 Wochen das Volk mit Koch bewerfen. Aber das Ex¬ periment wäre zu bedenklich. Blum ist auch nicht eigentlich gefährlich. Er ist ein reines, unverfälschtes Produkt seiner Zeit; wurde er das Volk nicht aufreizen, so thäten es andere ganz wie er. Ein Freund sagt irgend wo von ihm: dieser Mann ist Michel in eigner Person; was das Volk denkt, fühlt, thut, das wird auch Blum fühlen, denken, thun. Das ist ziemlich richtig. Man kann sagen, wie von Alcibiades: die Natur versuchte, die abstracte Gestalt des rodomontirenden Radikalismus in Fleisch zu kleiden, und es wurde Blum. Vom Re i es. V. Die lange angekündigten Interpellationen an das Reichskriegsministerium haben einen andern Erfolg gehabt, als die Anarchisten wünschten; Herr v. Pencker hat mit der Loyalität und der Umsicht eines Staatsmanns den Ver¬ hältnissen Rechnung getragen und dadurch deu Fehler gut gemacht, durch eine zu brüske Form den Feinden der Monarchie, die zugleich auch Feinde der Ceiitral- gewalt sind, Waffen in die Hände gegeben zu haben. Die Linke hat durch die Gier, mit welcher sie sich auf vermeintliche Abweichungen von der vorschriftsmäßigen Huldigung des ü. August warf, wieder recht dentlich gezeigt, daß es ihr nicht darauf ankommt, die Einheit des Reichs herzustellen, sondern nur darauf, die ein¬ zelnen Regierungen mit der Centralgewalt in eine ernsthafte Collision zu bringen und so ihren Freunden, den rothen Republikanern, Gelegenheit zu geben, im Trüben zu fischen. Wer die Bestrebungen dieser deutschen Louis Blanc's und Causstdiere's in ihrer Presse wie in ihren Verhandlungen aufmerksam verfolgt, der muß sich über¬ zeugen, daß uus, vielleicht in der allernächsten Zeit, ein sehr ernstlicher Kampf bevorsteht. Möge die constitutionelle Partei auf ihrer Hut sein! Eine rothe Re¬ publik würde zwar die Existenz eines Nachtfalters nicht überdauern, aber sie würde eine Reaction hervorrufen, welche den neuen Erwerb der Cultur wieder in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/394>, abgerufen am 22.07.2024.