Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.Um allen diesen Anstößer auszuweichen, war es nöthig, einen einfachen, für die Bekanntlich hat fast jeder Staat, jede Provinz, jeder größere Handelsplatz stille Die Form, welche von der östreichischen Internunciatur und von den östreichischen Nach geschehener Wahl wird in der Amtscanzlci eine ordentliche Kompromiß-Akte Ans solche Art ist es äußerst schwer, daß offenbare Ungerechtigkeiten vorfallen kön¬ Die Gesandten wachen in dieser Hinsicht über die Consulate und sie selbst stehen Dieser Darstellung müssen noch folgende, ans der Natur der Sache und den poli¬ 2) Daß jede Neuerung in dem einmal eingeführten Gebrauche bei dem richterlichen Um allen diesen Anstößer auszuweichen, war es nöthig, einen einfachen, für die Bekanntlich hat fast jeder Staat, jede Provinz, jeder größere Handelsplatz stille Die Form, welche von der östreichischen Internunciatur und von den östreichischen Nach geschehener Wahl wird in der Amtscanzlci eine ordentliche Kompromiß-Akte Ans solche Art ist es äußerst schwer, daß offenbare Ungerechtigkeiten vorfallen kön¬ Die Gesandten wachen in dieser Hinsicht über die Consulate und sie selbst stehen Dieser Darstellung müssen noch folgende, ans der Natur der Sache und den poli¬ 2) Daß jede Neuerung in dem einmal eingeführten Gebrauche bei dem richterlichen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0305" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/277735"/> <p xml:id="ID_1000"> Um allen diesen Anstößer auszuweichen, war es nöthig, einen einfachen, für die<lb/> Eingebornen sowohl als für die Ausländer, für türkische und fremde Unterthanen gleich<lb/> annehmbaren Anhaltspunkt aufzufinden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1001"> Bekanntlich hat fast jeder Staat, jede Provinz, jeder größere Handelsplatz stille<lb/> besondern, nach und nach entstandenen, durch langjährige Ausübung geheiligten Ge¬<lb/> bräuche, besonders aber einen sogenannten Landcshandelsgebrauch; dieser ist das allge¬<lb/> meine Gesetz, nach welchem in der Türkei die Konsulate von jeher in den meisten<lb/> Rechtsfällen zu sprechen pflegen und welchem sich alle Nationen dort gewissermaßen still¬<lb/> schweigend unterzogen haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1002"> Die Form, welche von der östreichischen Internunciatur und von den östreichischen<lb/> Konsuln hinsichtlich des Rechts gang es beobachtet wird, verdient näher gekannt zu<lb/> werden, da die meisten Schutzgenossen Oestreicher sind. Wird eine Streitsache anhängig<lb/> gemacht und ist keine Möglichkeit vorhanden, die Parteien gütlich zu vergleichen, so<lb/> sucht der Richter den Kläger sowohl als den Beklagten zur freien Auswahl von zwei<lb/> oder mehreren Schiedsrichtern zu vermögen, wozu jede Partei diejenigen unter den<lb/> angesehendstcn Handelsleuten des Ortes aussucht, in deren Kenntnisse und Rechtschaffen-<lb/> heit sie das größte Vertrauen setzt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1003"> Nach geschehener Wahl wird in der Amtscanzlci eine ordentliche Kompromiß-Akte<lb/> unter ausdrücklicher Vcrzichtuug auf alle weitere Appellation mit oder ohne Bestimmung<lb/> eines Superarbeiters ausgefertigt; sobald dieser Act von dem Konsul bestätigt ist, wird<lb/> den von den Parteien selbst dazu erwählten Schiedsrichtern im Sinne des Kompromisses<lb/> das Erkenntniß mittelst Decret übertragen, und der Konsul hat am Ende nichts zu<lb/> thun, als den schiedsrichterlichen Spruch in Vollziehung zu bringen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1004"> Ans solche Art ist es äußerst schwer, daß offenbare Ungerechtigkeiten vorfallen kön¬<lb/> nen, zumal es beiden Theilen unbenommen bleibt, wenn sie während der Verhandlung<lb/> bei ihren selbstgewählten Schiedsrichtern irgend eine Parteilichkeit für den Gegner ent¬<lb/> decken, andere an ihre Stelle vorzuschlagen und durch das Konsulat bestätigen zu lassen:<lb/> da das freilich oft vorkommt, erreichen solche Prozesse gewöhnlich kein Ende. Was<lb/> aber mehr als alles Uebrige sür obiges Verfahren spricht, ist die Zufriedenheit der mei¬<lb/> sten fremden Unterthanen mit dieser Einrichtung, da es sonst nnr von ihnen abgehangen<lb/> haben würde, dagegen Beschwerde zu führen, und die entfernten Kläger in Europa<lb/> müssen sich begnügen, wenn die Form beobachtet ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_1005"> Die Gesandten wachen in dieser Hinsicht über die Consulate und sie selbst stehen<lb/> unter der Oberaufsicht ihrer Höhe. Das Verfahren bei Polizei-Uebertretungen und<lb/> Kriminal-Verbrechen, auf welche die Pforte vermöge des Eingeführten gleichermaßen<lb/> keinen Einfluß üben kann, ist gewöhnlich dem Ermessen der Consulate überlassen;<lb/> man pflegt gegen die Schuldigen nach Verhältniß Gefängniß oder körperliche Züchti¬<lb/> gungen zu erkennen. Nur beim Halsverbrechen haben die Konsulate blos die That¬<lb/> sache gehörig zu erörtern und dann den Delinquenten zur endlichen Aburtheilung unter<lb/> sicherem Geleite in das nächste inländische Kriminal-Gericht abzugeben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1006"> Dieser Darstellung müssen noch folgende, ans der Natur der Sache und den poli¬<lb/> tischen sowohl als Handelsverhältnissen mit der Türkei geschöpften Bemerkungen beigefügt<lb/> werden: y Daß das Staatsinteresse dringend fordert, das dnrch feierliche Traktate und<lb/> durch ununterbrochenes Herkommen bestätigte Vorrecht der Unabhängigkeit der fremden<lb/> Nationen von den Landes-Gerichtshöfen und der Landes-Polizei aus das Sorgfältigste<lb/> aufrecht zu erhalten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1007" next="#ID_1008"> 2) Daß jede Neuerung in dem einmal eingeführten Gebrauche bei dem richterlichen</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0305]
Um allen diesen Anstößer auszuweichen, war es nöthig, einen einfachen, für die
Eingebornen sowohl als für die Ausländer, für türkische und fremde Unterthanen gleich
annehmbaren Anhaltspunkt aufzufinden.
Bekanntlich hat fast jeder Staat, jede Provinz, jeder größere Handelsplatz stille
besondern, nach und nach entstandenen, durch langjährige Ausübung geheiligten Ge¬
bräuche, besonders aber einen sogenannten Landcshandelsgebrauch; dieser ist das allge¬
meine Gesetz, nach welchem in der Türkei die Konsulate von jeher in den meisten
Rechtsfällen zu sprechen pflegen und welchem sich alle Nationen dort gewissermaßen still¬
schweigend unterzogen haben.
Die Form, welche von der östreichischen Internunciatur und von den östreichischen
Konsuln hinsichtlich des Rechts gang es beobachtet wird, verdient näher gekannt zu
werden, da die meisten Schutzgenossen Oestreicher sind. Wird eine Streitsache anhängig
gemacht und ist keine Möglichkeit vorhanden, die Parteien gütlich zu vergleichen, so
sucht der Richter den Kläger sowohl als den Beklagten zur freien Auswahl von zwei
oder mehreren Schiedsrichtern zu vermögen, wozu jede Partei diejenigen unter den
angesehendstcn Handelsleuten des Ortes aussucht, in deren Kenntnisse und Rechtschaffen-
heit sie das größte Vertrauen setzt.
Nach geschehener Wahl wird in der Amtscanzlci eine ordentliche Kompromiß-Akte
unter ausdrücklicher Vcrzichtuug auf alle weitere Appellation mit oder ohne Bestimmung
eines Superarbeiters ausgefertigt; sobald dieser Act von dem Konsul bestätigt ist, wird
den von den Parteien selbst dazu erwählten Schiedsrichtern im Sinne des Kompromisses
das Erkenntniß mittelst Decret übertragen, und der Konsul hat am Ende nichts zu
thun, als den schiedsrichterlichen Spruch in Vollziehung zu bringen.
Ans solche Art ist es äußerst schwer, daß offenbare Ungerechtigkeiten vorfallen kön¬
nen, zumal es beiden Theilen unbenommen bleibt, wenn sie während der Verhandlung
bei ihren selbstgewählten Schiedsrichtern irgend eine Parteilichkeit für den Gegner ent¬
decken, andere an ihre Stelle vorzuschlagen und durch das Konsulat bestätigen zu lassen:
da das freilich oft vorkommt, erreichen solche Prozesse gewöhnlich kein Ende. Was
aber mehr als alles Uebrige sür obiges Verfahren spricht, ist die Zufriedenheit der mei¬
sten fremden Unterthanen mit dieser Einrichtung, da es sonst nnr von ihnen abgehangen
haben würde, dagegen Beschwerde zu führen, und die entfernten Kläger in Europa
müssen sich begnügen, wenn die Form beobachtet ist.
Die Gesandten wachen in dieser Hinsicht über die Consulate und sie selbst stehen
unter der Oberaufsicht ihrer Höhe. Das Verfahren bei Polizei-Uebertretungen und
Kriminal-Verbrechen, auf welche die Pforte vermöge des Eingeführten gleichermaßen
keinen Einfluß üben kann, ist gewöhnlich dem Ermessen der Consulate überlassen;
man pflegt gegen die Schuldigen nach Verhältniß Gefängniß oder körperliche Züchti¬
gungen zu erkennen. Nur beim Halsverbrechen haben die Konsulate blos die That¬
sache gehörig zu erörtern und dann den Delinquenten zur endlichen Aburtheilung unter
sicherem Geleite in das nächste inländische Kriminal-Gericht abzugeben.
Dieser Darstellung müssen noch folgende, ans der Natur der Sache und den poli¬
tischen sowohl als Handelsverhältnissen mit der Türkei geschöpften Bemerkungen beigefügt
werden: y Daß das Staatsinteresse dringend fordert, das dnrch feierliche Traktate und
durch ununterbrochenes Herkommen bestätigte Vorrecht der Unabhängigkeit der fremden
Nationen von den Landes-Gerichtshöfen und der Landes-Polizei aus das Sorgfältigste
aufrecht zu erhalten.
2) Daß jede Neuerung in dem einmal eingeführten Gebrauche bei dem richterlichen
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |