Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.kümmerniß seines Herzens. Aehnlich plastischen Ausdrücken begegnet man überall, Manch ehrlicher Romantiker wird mir die Augen auskratzen, wenn ich die Man vergleiche damit den Gesang der Geister in Faust; darin hat man Gen-zbotlii. in. z
kümmerniß seines Herzens. Aehnlich plastischen Ausdrücken begegnet man überall, Manch ehrlicher Romantiker wird mir die Augen auskratzen, wenn ich die Man vergleiche damit den Gesang der Geister in Faust; darin hat man Gen-zbotlii. in. z
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0021" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/277451"/> <p xml:id="ID_48" prev="#ID_47"> kümmerniß seines Herzens. Aehnlich plastischen Ausdrücken begegnet man überall,<lb/> wo man sich im eigentlichen Volk bewegteste kommen vereinzelt und eben darum<lb/> natürlich; in ganzen Stücken, wie im Rande, zusammengedrängt, haben sie etwas<lb/> Geziertes und Frostiges. Darum hat es das sogenannte Volkstheater in der<lb/> Kvnigstadt auch zu nichts Rechtem bringen können und die zahlreichen wirklichen<lb/> Volksbühnen, die seit der Revolution von allen Seiten auftauchen, siechen schon bei<lb/> ihrer Geburt an der schlimmen Krankheit des Unglaubens und der inhaltlosen<lb/> Frivolität.</p><lb/> <p xml:id="ID_49"> Manch ehrlicher Romantiker wird mir die Augen auskratzen, wenn ich die<lb/> Tieck'sehen Komödien in eben diesen Kreis ziehe. Und doch ist es so. Es war<lb/> kein Zufall, daß Berlin der Mittelpunkt dieser überschwänglichen, gemüth- und<lb/> phantasieloser Schule wurde, die ihre innere Hohlheit durch den Flitterstaat mit¬<lb/> telalterlicher Reminiscenzen zu überdecken suchte. Sie war auch über Alles hin¬<lb/> aus, wie Rande und Herr Busse«, sie fertigte ihre Gegner ebenso dnrch den blos<lb/> äußerliche» Witz ab, dessen Kunststück in dem einfachen Satz besteht: Wenn dn<lb/> Recht hättest, müßte ich Unrecht haben, und das ist ja absurd! Diese gezierten,<lb/> inhaltlosen Witz-Kunststücke, wie Däumchen, Verkehrte Welt, Gestiefel¬<lb/> ter Kater, Zerbino und ähnliche, können zwar von dem Eckensteher nicht ge«<lb/> nosseu werden, theils weil sie sich auf einen ihm unbedingt fremden Gegenstand<lb/> beziehen, die abstracte Literatur, theils weil in dem Volk bei aller Ironie doch<lb/> immer noch ein Rest von gesundem Menschenverstand bleibt, der sich in diese ro¬<lb/> mantischen Düfte nicht verflüchtigen läßt, aber das Publikum, das in ihnen sein<lb/> Evangelium fand, war dem Geiste nach dasselbe mit den Bewunderern der Berliner<lb/> Witze. Die komischen Figuren sind leblose Abstractionen, ohne irgend eine Be-<lb/> rechtigung, als die, daß sie die Nichtswürdigkeit des gemeinen Menschenverstandes<lb/> repräsentiren sollen — diese Leander, Nestor, Skaramuz u. s. w., sie sind entsetzlich<lb/> langweilig, trocken und selbst ohne die Grazie der Unbehilflichkeit. Und was ist<lb/> nun das Positive, das ihnen entgegengestellt wird? Die ätherischen Seelen, die<lb/> über alles hinaus sind, die sich nur damit abgeben, Sonette oder Gedichte<lb/> in kurzen Versen zu machen, wie diese:</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_1" type="poem"> <l/> </lg><lb/> <p xml:id="ID_50"> Man vergleiche damit den Gesang der Geister in Faust; darin hat man<lb/> freilich idealistrt — den Inhalt der ganzen Tieck'schen Romantik.</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Gen-zbotlii. in. z</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0021]
kümmerniß seines Herzens. Aehnlich plastischen Ausdrücken begegnet man überall,
wo man sich im eigentlichen Volk bewegteste kommen vereinzelt und eben darum
natürlich; in ganzen Stücken, wie im Rande, zusammengedrängt, haben sie etwas
Geziertes und Frostiges. Darum hat es das sogenannte Volkstheater in der
Kvnigstadt auch zu nichts Rechtem bringen können und die zahlreichen wirklichen
Volksbühnen, die seit der Revolution von allen Seiten auftauchen, siechen schon bei
ihrer Geburt an der schlimmen Krankheit des Unglaubens und der inhaltlosen
Frivolität.
Manch ehrlicher Romantiker wird mir die Augen auskratzen, wenn ich die
Tieck'sehen Komödien in eben diesen Kreis ziehe. Und doch ist es so. Es war
kein Zufall, daß Berlin der Mittelpunkt dieser überschwänglichen, gemüth- und
phantasieloser Schule wurde, die ihre innere Hohlheit durch den Flitterstaat mit¬
telalterlicher Reminiscenzen zu überdecken suchte. Sie war auch über Alles hin¬
aus, wie Rande und Herr Busse«, sie fertigte ihre Gegner ebenso dnrch den blos
äußerliche» Witz ab, dessen Kunststück in dem einfachen Satz besteht: Wenn dn
Recht hättest, müßte ich Unrecht haben, und das ist ja absurd! Diese gezierten,
inhaltlosen Witz-Kunststücke, wie Däumchen, Verkehrte Welt, Gestiefel¬
ter Kater, Zerbino und ähnliche, können zwar von dem Eckensteher nicht ge«
nosseu werden, theils weil sie sich auf einen ihm unbedingt fremden Gegenstand
beziehen, die abstracte Literatur, theils weil in dem Volk bei aller Ironie doch
immer noch ein Rest von gesundem Menschenverstand bleibt, der sich in diese ro¬
mantischen Düfte nicht verflüchtigen läßt, aber das Publikum, das in ihnen sein
Evangelium fand, war dem Geiste nach dasselbe mit den Bewunderern der Berliner
Witze. Die komischen Figuren sind leblose Abstractionen, ohne irgend eine Be-
rechtigung, als die, daß sie die Nichtswürdigkeit des gemeinen Menschenverstandes
repräsentiren sollen — diese Leander, Nestor, Skaramuz u. s. w., sie sind entsetzlich
langweilig, trocken und selbst ohne die Grazie der Unbehilflichkeit. Und was ist
nun das Positive, das ihnen entgegengestellt wird? Die ätherischen Seelen, die
über alles hinaus sind, die sich nur damit abgeben, Sonette oder Gedichte
in kurzen Versen zu machen, wie diese:
Man vergleiche damit den Gesang der Geister in Faust; darin hat man
freilich idealistrt — den Inhalt der ganzen Tieck'schen Romantik.
Gen-zbotlii. in. z
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