Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.im Stillen geben alle Parteien dies zu, sie ist ein nothwendiger Durchgangspunkt im Stillen geben alle Parteien dies zu, sie ist ein nothwendiger Durchgangspunkt <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0194" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/277624"/> <p xml:id="ID_601" prev="#ID_600" next="#ID_602"> im Stillen geben alle Parteien dies zu, sie ist ein nothwendiger Durchgangspunkt<lb/> in der Entwickelung unserer Verhältnisse. Selbst wenn die Voraussetzung dieser<lb/> Wahl, daß Oestreich durch sie unmittelbar mit Deutschland zu verbinden ist, sich<lb/> als irrig ausgewiesen haben wird, soll die Bedeutung und der Werth derselben<lb/> nicht verkannt werden. Es war nothwendig eine Person an die Spitze der Be¬<lb/> wegung zu stellen, welche Bürgschaften gebe für die Tüchtigkeit der Arbeiter und<lb/> Hoffnungen für die Zukunft. Daß diese Hoffnungen nicht alle erfüllt, ja daß die<lb/> Befriedigung, welche durch diese Wahl über Deutschland gekommen ist, sich als<lb/> eine sehr vorübergehende ausweisen und neue Abspannungen nach sich ziehen wird,<lb/> hebt die segensreichen Folgen nicht auf, welche dieser friedliche Ruhepunkt für die<lb/> athemlosen deutschen Völker gehabt hat. Heinrich von Gagern hat das Beste<lb/> gethan, was er unter den gegebenen Verhältnissen thun konnte und daß dadurch<lb/> die Person eines liebenswürdigen Fürsten, vielleicht Gagern selbst, zu Opfern<lb/> unserer Bewegung geworden sind, darf uns als ein tragisches Moment in unserem<lb/> großen Entwickelungskampse nicht irren; daß aber die Versammlung dnrch diese<lb/> Wahl sich selbst ein Verhängnis) bereitet hat, wird schon die nächste Zukunft leh¬<lb/> ren. Das neue Reichsininisterium hat keine andere Grundlage als die Frankfurter<lb/> Versammlung selbst, nichts für sich als die gute Meinung des deutschen Volkes.<lb/> Ans solchem Hintergründe kann man, vorausgesetzt, daß man an ihn glaubt, wohl<lb/> Gesetze machen, aber man kann sie nicht ausführen, sobald die Ausführung ir¬<lb/> gendwo bedeutende örtliche Interessen verletzt, und es ist vorauszusagen, daß dies<lb/> zuweilen der Fall sein wird. Die Uebernahme des Oberbefehls über sämmtliche<lb/> deutsche Truppen sichert z. B. die gesetzlichen Executionen ganz und gar nicht,<lb/> denn da es unthunlich ist, die Heere der einzelnen Staaten in der Weise an das<lb/> Reichsmiuisterium zu fesseln, daß sie die Befehle desselben directen Gegenbefehlen<lb/> ihrer Volksvertreter oder Regierungen vorziehen müssen, so ist jedes energische<lb/> Stützen der executiven Gewalt abhängig von dem guten Willen der einzelnen<lb/> Regierungen oder Völker, und die Nationalversammlung sowohl als ihr Ministe¬<lb/> rium sind trotz allem Schein des Gegentheils in diesem Augenblick bereits faktisch<lb/> der Begutachtung der einzelnen Regierungen und ihrer Vvlsvertreter unterworfen.<lb/> Und es wird von dem arten Willen der Regierungen abhängen, ob sie ihr Veto<lb/> dem Reichsverweser durch einen Gesandten privatim insinuiren, oder nach Publi¬<lb/> cation des Gesetzes an die Versammlung ihrer Volksvertreter appelliren wollen.<lb/> Was man mit Entrüstung gegen diese Behauptung anführen wird, daß ein ver¬<lb/> nünftiges Erkennen von der Nothwendigkeit einer starken Centralgewalt und eine<lb/> liebevolle Zuneigung zu derselben im deutschen Volk allgemein sei, und daß man<lb/> bei neuen großen Gestaltungen über unendlich Vieles deshalb wegkomme, weil sie<lb/> das Wesen und die Aeußerung einer frischen imponirenden Kraft seien, grade das<lb/> kommt auch der Opposition gegen die Centralgewalt mit demselben Rechte zu gut.<lb/> Auch das mögliche, ja wahrscheinliche Auflehnen einzelner Staaten gegen die Cen-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0194]
im Stillen geben alle Parteien dies zu, sie ist ein nothwendiger Durchgangspunkt
in der Entwickelung unserer Verhältnisse. Selbst wenn die Voraussetzung dieser
Wahl, daß Oestreich durch sie unmittelbar mit Deutschland zu verbinden ist, sich
als irrig ausgewiesen haben wird, soll die Bedeutung und der Werth derselben
nicht verkannt werden. Es war nothwendig eine Person an die Spitze der Be¬
wegung zu stellen, welche Bürgschaften gebe für die Tüchtigkeit der Arbeiter und
Hoffnungen für die Zukunft. Daß diese Hoffnungen nicht alle erfüllt, ja daß die
Befriedigung, welche durch diese Wahl über Deutschland gekommen ist, sich als
eine sehr vorübergehende ausweisen und neue Abspannungen nach sich ziehen wird,
hebt die segensreichen Folgen nicht auf, welche dieser friedliche Ruhepunkt für die
athemlosen deutschen Völker gehabt hat. Heinrich von Gagern hat das Beste
gethan, was er unter den gegebenen Verhältnissen thun konnte und daß dadurch
die Person eines liebenswürdigen Fürsten, vielleicht Gagern selbst, zu Opfern
unserer Bewegung geworden sind, darf uns als ein tragisches Moment in unserem
großen Entwickelungskampse nicht irren; daß aber die Versammlung dnrch diese
Wahl sich selbst ein Verhängnis) bereitet hat, wird schon die nächste Zukunft leh¬
ren. Das neue Reichsininisterium hat keine andere Grundlage als die Frankfurter
Versammlung selbst, nichts für sich als die gute Meinung des deutschen Volkes.
Ans solchem Hintergründe kann man, vorausgesetzt, daß man an ihn glaubt, wohl
Gesetze machen, aber man kann sie nicht ausführen, sobald die Ausführung ir¬
gendwo bedeutende örtliche Interessen verletzt, und es ist vorauszusagen, daß dies
zuweilen der Fall sein wird. Die Uebernahme des Oberbefehls über sämmtliche
deutsche Truppen sichert z. B. die gesetzlichen Executionen ganz und gar nicht,
denn da es unthunlich ist, die Heere der einzelnen Staaten in der Weise an das
Reichsmiuisterium zu fesseln, daß sie die Befehle desselben directen Gegenbefehlen
ihrer Volksvertreter oder Regierungen vorziehen müssen, so ist jedes energische
Stützen der executiven Gewalt abhängig von dem guten Willen der einzelnen
Regierungen oder Völker, und die Nationalversammlung sowohl als ihr Ministe¬
rium sind trotz allem Schein des Gegentheils in diesem Augenblick bereits faktisch
der Begutachtung der einzelnen Regierungen und ihrer Vvlsvertreter unterworfen.
Und es wird von dem arten Willen der Regierungen abhängen, ob sie ihr Veto
dem Reichsverweser durch einen Gesandten privatim insinuiren, oder nach Publi¬
cation des Gesetzes an die Versammlung ihrer Volksvertreter appelliren wollen.
Was man mit Entrüstung gegen diese Behauptung anführen wird, daß ein ver¬
nünftiges Erkennen von der Nothwendigkeit einer starken Centralgewalt und eine
liebevolle Zuneigung zu derselben im deutschen Volk allgemein sei, und daß man
bei neuen großen Gestaltungen über unendlich Vieles deshalb wegkomme, weil sie
das Wesen und die Aeußerung einer frischen imponirenden Kraft seien, grade das
kommt auch der Opposition gegen die Centralgewalt mit demselben Rechte zu gut.
Auch das mögliche, ja wahrscheinliche Auflehnen einzelner Staaten gegen die Cen-
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