Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.tern Fall nimmt er seinen Jungen, einen rosenblutwangigen Max Piccolomini Schon als Kind war Herr Buffey Bummler; er schlenderte mit mäßigem Aber Bummler bleibt er. Er geht in die Kneipe, um sich der Last seiner Herr Buffey fährt fort zu beobachten, aber er thut es mit einer leidenden Als Hausbesitzer beginnt Herr Buffey seinen Morgen mit Lesung der Vossischen Herr Buffey ist nicht nur witzig, sondern auch geistreich. Wenn er die Dinge 2*
tern Fall nimmt er seinen Jungen, einen rosenblutwangigen Max Piccolomini Schon als Kind war Herr Buffey Bummler; er schlenderte mit mäßigem Aber Bummler bleibt er. Er geht in die Kneipe, um sich der Last seiner Herr Buffey fährt fort zu beobachten, aber er thut es mit einer leidenden Als Hausbesitzer beginnt Herr Buffey seinen Morgen mit Lesung der Vossischen Herr Buffey ist nicht nur witzig, sondern auch geistreich. Wenn er die Dinge 2*
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tern Fall nimmt er seinen Jungen, einen rosenblutwangigen Max Piccolomini
mit melancholisch gescheitelten Haaren und ein wenig, klein wenig Weltschmerz,
Abends mit in die Polkakneipe, um in dem schönen Spiegelbilde seine Jugend
noch einmal zu erleben.
Schon als Kind war Herr Buffey Bummler; er schlenderte mit mäßigem
Schritt zur Schule und trug sein Ränzel auf eine Weise, daß man ihm ansah,
er, mache zwar diese alte Sitte mit, sei aber eigentlich zu wichtigern Dingen
berufen. Er hat ein aufmerksames Auge für alle Bilderlädcn und bleibt regel¬
mäßig stehen, wo drei Menschen sich mit einander unterhalten; auf diese Weise
weiß er bereits als Tertianer von allen Dingen mit Anstand zu reden und hat
dann das Recht, Staatsgespräche von seiner Lippe schallen zu lassen und sich aus
ein Sonderlingsbetragen zu legen.
Aber Bummler bleibt er. Er geht in die Kneipe, um sich der Last seiner
aufgespeicherten Kenntnisse zu entledigen, er will nicht genießen, sondern aus ge¬
bildete Weise conversiren. Die Dirnen, mit denen er sich dreht, bleiben ihm nichts
schuldig; eher würde der märkische Flugsand aufhören die Friedrichsstadt zu durch¬
streifen, ehe einem echten Berliner Kind die passende Antwort fehlt.
Herr Buffey fährt fort zu beobachten, aber er thut es mit einer leidenden
Miene; er ist resignirt, er macht das Auge nnr halb auf, er weiß ja doch, er
kann nichts neues lernen, es ist Alles gar nichts. Nur ein Berliner konnte die
unsterbliche Tragödie von Uriel Acosta dichten, deren Refrain und Inhalt der
kurze Satz ist: „Alles schon dagewesen!"
Als Hausbesitzer beginnt Herr Buffey seinen Morgen mit Lesung der Vossischen
Zeitung zum Kaffee; er pflegt Inserate hineinsetzen zu lassen. Sein Weltschmerz
und sein Geist hat sich jetzt consolidirt; er ist witzig. Im Witz erhebt er sich über
die Nothwendigkeiten des Lebens. Die Sättigung liebt, zu scherzen, aber sie bricht
nie in ein Gelächter aus, sie lächelt uur, denn der Berliner Hausbesitzer ist nicht
nur ein respectabler, sondern auch ein gebildeter Mann, und er weiß, daß ein
lautes Gelächter der Freiheit des Gemüths Abbruch thut. Er scherzt, nicht um
die Dinge herabzusetzen — was wären sie ihm, der in sich selbst vollkommen ist!
er macht keinen Unterschied zwischen ihnen; von seinem erhabenen Standpunkt aus
ist alles gleich nichtig, und daher auch wieder gleich gut. Seine Ironie schwebt
wie „der Geyer auf Morgenwolken," und sieht den Dom in gleicher Höhe mit
den Maulwurfshügeln.
Herr Buffey ist nicht nur witzig, sondern auch geistreich. Wenn er die Dinge
auch nicht immer von einem andern Gesichtspunkt betrachtet, als die andern ordi¬
nären Adamssöhne, so hat er doch das Bewußtsein, er könnte es thun, wenn er
sich die Mühe gäbe; und dieses Bewußtsein adelt seine trivialsten Phrasen. Herr
Buffey ist daher stets in einem gelinden Jncognito, bei jeder Aeußerung macht
er eine Handbewegung, als wollte er sagen: ihr braucht euch nicht zu sehr vor
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