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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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abgaben fließen aus den Gemeinden in die Kreiökasse, die Soldaten des volks-
thümlich organisirten Heerwesens werden hier gebildet, sofern nicht besondere Trup¬
pengattungen eine fernere Combination nöthig machen, und treten zunächst in der
Kreisstadt zu jährlichen Uebungen zusammen. Ferner aber befördern sie eine Menge
von freien Associationen der gedeihlichsten Art, KrciSvereine der Volksschullehrer,
der Communalwehnuänner, der landwirtschaftlichen Interessen, der Gewerbe und
so fort. Schon ist dadurch viel Erfreuliches zu Tage gekommen. Die Kreisver¬
eine für Beförderung der Landwirtschaft haben z. B. auf Viehzucht und Ackerbau
mancher Gegenden höchst vortheilhaft gewirkt, ihre Versammlungstage wurden
fröhliche Volksfeste, Pferde, Rindvieh, Ackergeräthe wurden verlooft, Erfindungen
empfohlen, Aufzüge veranstaltet, Freude und geselliges Behagen blieben nicht aus.
Die Hauptthätigkeit der Kreise aber ist die freie Vereinigung der Gemeinden selbst
zur Besorgung ihrer gemeinsamen Interessen. Streitigkeiten der Communen oder
Einzelner mit der Gemeinde, Straßen- und Wasserbauten, Armenpflege, Gesund-
heits- und Sicherheitspolizei reichen vielfach über die Grenzen und Kräfte der ein¬
zelnen Gemeinden hinaus; in diesem Fall tritt der Kreis als Stütze und Combi¬
nation der Gemeindekraft ein. Und hier wiederholen sich die Formen des Ge¬
meindelebens in größerem Maaßstab. Vor allem gelte der Grundsatz: Wie die
Gemeinden, regiert sich der Kreis in seinen Angelegenheiten selbst. Die Verord¬
neten der einzelnen Gemeinden sind die Wähler der Kreisverwaltung, sie wählen
auf 2 --Seelen ihrer Commune einen KreiSdeputirtcn; kleine Gemeinden
stellen zu dieser Wahl ihre Abgeordneten zusammen. Die Kreisdeputirten haben
für den Kreis dieselben Rechte, welche die Gcmeindeverordneten für ihre Gemeinde
haben, das Recht der Gesetzgebung, der Finanzcontrolc, Erhebung von Kreis -
steuern, der Wahl von Ausschüssen, endlich die Wahl des Kreisdirigenten. Der
Dirigent des Kreises (Landrath, Direktor) hat die executive Gewalt, er wird aus
sechs Jahr oder länger gewählt und erhält vom Kreise Besoldung. Seine Thä¬
tigkeit ist eine große und für den Staat höchst wichtige, denn er ist nicht nur
gegenüber der Staatsregierung der Repräsentant des Kreises, sondern anch ihr
Bevollmächtigter und Vertreter in allen Polizei- und VerwaltnngSangelegenbeiten,
in denen sie in das Leben des Kreises eingreifen darf. Es muß ihr daran ge¬
legen sein, daß nicht nur sein Charakter und seine persönliche Autorität der wich
eigen Stellung entspreche, sondern vor Allem, daß er Kenntniß der Landesgesetze
und des größeren Staatslebens besitze. Und deshalb muß ihr bei seiner Wahl
das Bestätigungsrccht zustehen. Allerdings hat schon der Dirigent jeder Commune
ähnliche Pflichten, aber mit Ausnahme großer Städte, bei denen die Bestätigung
durch die Staatsregierung ebenfalls nöthig ist, bleibt seine Thätigkeit vielmehr
eine vermittelte, durch die erwählten Beamten der Commune unterstützte. Es ist
anzunehmen, daß seine Person, sein Charakter, seine Kenntnisse der Gemeinde,
welche ihn wählt, bis ins Detail bekannt sind und seine Amtsthätigkeit am besten


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abgaben fließen aus den Gemeinden in die Kreiökasse, die Soldaten des volks-
thümlich organisirten Heerwesens werden hier gebildet, sofern nicht besondere Trup¬
pengattungen eine fernere Combination nöthig machen, und treten zunächst in der
Kreisstadt zu jährlichen Uebungen zusammen. Ferner aber befördern sie eine Menge
von freien Associationen der gedeihlichsten Art, KrciSvereine der Volksschullehrer,
der Communalwehnuänner, der landwirtschaftlichen Interessen, der Gewerbe und
so fort. Schon ist dadurch viel Erfreuliches zu Tage gekommen. Die Kreisver¬
eine für Beförderung der Landwirtschaft haben z. B. auf Viehzucht und Ackerbau
mancher Gegenden höchst vortheilhaft gewirkt, ihre Versammlungstage wurden
fröhliche Volksfeste, Pferde, Rindvieh, Ackergeräthe wurden verlooft, Erfindungen
empfohlen, Aufzüge veranstaltet, Freude und geselliges Behagen blieben nicht aus.
Die Hauptthätigkeit der Kreise aber ist die freie Vereinigung der Gemeinden selbst
zur Besorgung ihrer gemeinsamen Interessen. Streitigkeiten der Communen oder
Einzelner mit der Gemeinde, Straßen- und Wasserbauten, Armenpflege, Gesund-
heits- und Sicherheitspolizei reichen vielfach über die Grenzen und Kräfte der ein¬
zelnen Gemeinden hinaus; in diesem Fall tritt der Kreis als Stütze und Combi¬
nation der Gemeindekraft ein. Und hier wiederholen sich die Formen des Ge¬
meindelebens in größerem Maaßstab. Vor allem gelte der Grundsatz: Wie die
Gemeinden, regiert sich der Kreis in seinen Angelegenheiten selbst. Die Verord¬
neten der einzelnen Gemeinden sind die Wähler der Kreisverwaltung, sie wählen
auf 2 —Seelen ihrer Commune einen KreiSdeputirtcn; kleine Gemeinden
stellen zu dieser Wahl ihre Abgeordneten zusammen. Die Kreisdeputirten haben
für den Kreis dieselben Rechte, welche die Gcmeindeverordneten für ihre Gemeinde
haben, das Recht der Gesetzgebung, der Finanzcontrolc, Erhebung von Kreis -
steuern, der Wahl von Ausschüssen, endlich die Wahl des Kreisdirigenten. Der
Dirigent des Kreises (Landrath, Direktor) hat die executive Gewalt, er wird aus
sechs Jahr oder länger gewählt und erhält vom Kreise Besoldung. Seine Thä¬
tigkeit ist eine große und für den Staat höchst wichtige, denn er ist nicht nur
gegenüber der Staatsregierung der Repräsentant des Kreises, sondern anch ihr
Bevollmächtigter und Vertreter in allen Polizei- und VerwaltnngSangelegenbeiten,
in denen sie in das Leben des Kreises eingreifen darf. Es muß ihr daran ge¬
legen sein, daß nicht nur sein Charakter und seine persönliche Autorität der wich
eigen Stellung entspreche, sondern vor Allem, daß er Kenntniß der Landesgesetze
und des größeren Staatslebens besitze. Und deshalb muß ihr bei seiner Wahl
das Bestätigungsrccht zustehen. Allerdings hat schon der Dirigent jeder Commune
ähnliche Pflichten, aber mit Ausnahme großer Städte, bei denen die Bestätigung
durch die Staatsregierung ebenfalls nöthig ist, bleibt seine Thätigkeit vielmehr
eine vermittelte, durch die erwählten Beamten der Commune unterstützte. Es ist
anzunehmen, daß seine Person, sein Charakter, seine Kenntnisse der Gemeinde,
welche ihn wählt, bis ins Detail bekannt sind und seine Amtsthätigkeit am besten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/97>, abgerufen am 22.07.2024.