Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.Fanatikern, die offenen Krieg predigten, niemals zu einiger Geltung kommen Diese Versammlung war ein glänzendes Beispiel der heuchlerischen Speculation Fanatikern, die offenen Krieg predigten, niemals zu einiger Geltung kommen Diese Versammlung war ein glänzendes Beispiel der heuchlerischen Speculation <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0093" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/276849"/> <p xml:id="ID_267" prev="#ID_266"> Fanatikern, die offenen Krieg predigten, niemals zu einiger Geltung kommen<lb/> können. Jetzt waren die fanatischen Führer beseitigt, und das eingeschüchterte<lb/> und doch aufgebrachte Volk ganz in der Stimmung, sich auf den Boden des an¬<lb/> geblich verletzten Rechts zu stellen. Die Halben, Farblosen wie sie sich selbst nen¬<lb/> nen, die längst ans den zahlreiche,: Anhang Lafaurie's speculirten, beeilten sich,<lb/> seiue Erbschaft anzutreten. Am 5. October Abends wurde eine Volksversammlung im<lb/> Freien gehalten und eine Beschwerdeschrift an das Ministerium in Weimar vorgelegt.</p><lb/> <p xml:id="ID_268" next="#ID_269"> Diese Versammlung war ein glänzendes Beispiel der heuchlerischen Speculation<lb/> aus die Unvernunft der Masse, die sich bei solchen Gelegenheiten zeigt. Man be¬<lb/> gehrte zu wissen, warum und ans wessen Veranlassung Militär in das ruhige<lb/> Jena gesendet worden, das kein Wasser getrübt, wo nur geistige Aufregung, über¬<lb/> haupt immer nur der Geist geherrscht, nie die rohe Gewalt. Und doch hatte La-<lb/> faurie und sein Anhang bei einer frühern Gelegenheit, wo er aus der Stadt ge¬<lb/> wiesen werdeu sollte, erklärt, es auf die Gewalt ankommen lassen zu wollen. In<lb/> einem Athem beschwerte man sich über die Mitwirkung des Militärs und erklärte,<lb/> daß die Bürgerwehr keine Arretur unterstützen dürfe, in demselben Athem behaup¬<lb/> tete mau, daß die Beklagten sich einer Citation gestellt haben würden, wo mau<lb/> zugeben mußte, daß sie geflohen seien. Die Herren ließen nachher erklären, sie<lb/> seien geflohen, weil man sie mit Soldaten habe verhaften wollen. Ein sonderba¬<lb/> rer Geschmack, der sich auf Gensdarmen pikirt! die Herren konnten ja aus ihrem<lb/> Versteck bitten, man möge ihnen Gensdarmen senden, wenn sie blos das Militär,<lb/> nicht die Hast zu vermeiden wünschten. Der erste Punkt der Beschwerde war, das<lb/> Militär habe den Verhaftsbefehl nicht bei sich geführt. Das Factum ist aber nicht<lb/> einmal constatirt und wenn es so wäre, wir haben noch keine Habeascorpusakte<lb/> und man kann doch kaum verlangen, daß ein noch nicht bestehendes Gesetz aus<lb/> der Zukunft rückwirkende Kraft gerade zu Gunsten eines Hochverräthers haben soll.<lb/> Aber davon abgesehen, so würde es nach jedem solchen Gesetz genügen, wenn der<lb/> Verhaftsbefehl dem Betroffenen binnen 24 Stunden mit Angabe des Grundes zu¬<lb/> gestellt wird. Der zweite Punkt war, daß das Militär ohne Zuziehung öhrig/<lb/> leidlicher Personen Haussuchungen gethan habe. Es hatte aber keine Haussuchung<lb/> im rechtlichen Sinne stattgefunden. Denn mau hatte nicht die Effecten und Pa¬<lb/> piere, sondern blos die Räume nach einer Person durchsucht. Ein Hans aber bei der<lb/> Verfolgung eines flüchtigen Verbrechers zu durchsuchen, wird der executiven Gewalt<lb/> nie ein Gesetz verwehren. Der dritte Punkt war, daß der Oberst der Bürgerwehr das<lb/> Militär commandirt habe. So etwas dürfe nimmer geschehen. Die Leute denken sich<lb/> die Bürgerwehr als den natürlichen Feind des Militärs. Es ist aber eine ebenso<lb/> bekannte, als nothwendige Sache, daß, wenn Militär und Bürgerwehr zusammen¬<lb/> wirken, ein gemeinsames Obercommando eintreten muß. Der Regel nach gebührt<lb/> dies dem Führer des Militärs und es ist nur eine Achtungsbezeigung gegen die<lb/> Bürgerwehr, wenn er das Commando dem Chef der Bürgerwehr abgibt. Gründe</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0093]
Fanatikern, die offenen Krieg predigten, niemals zu einiger Geltung kommen
können. Jetzt waren die fanatischen Führer beseitigt, und das eingeschüchterte
und doch aufgebrachte Volk ganz in der Stimmung, sich auf den Boden des an¬
geblich verletzten Rechts zu stellen. Die Halben, Farblosen wie sie sich selbst nen¬
nen, die längst ans den zahlreiche,: Anhang Lafaurie's speculirten, beeilten sich,
seiue Erbschaft anzutreten. Am 5. October Abends wurde eine Volksversammlung im
Freien gehalten und eine Beschwerdeschrift an das Ministerium in Weimar vorgelegt.
Diese Versammlung war ein glänzendes Beispiel der heuchlerischen Speculation
aus die Unvernunft der Masse, die sich bei solchen Gelegenheiten zeigt. Man be¬
gehrte zu wissen, warum und ans wessen Veranlassung Militär in das ruhige
Jena gesendet worden, das kein Wasser getrübt, wo nur geistige Aufregung, über¬
haupt immer nur der Geist geherrscht, nie die rohe Gewalt. Und doch hatte La-
faurie und sein Anhang bei einer frühern Gelegenheit, wo er aus der Stadt ge¬
wiesen werdeu sollte, erklärt, es auf die Gewalt ankommen lassen zu wollen. In
einem Athem beschwerte man sich über die Mitwirkung des Militärs und erklärte,
daß die Bürgerwehr keine Arretur unterstützen dürfe, in demselben Athem behaup¬
tete mau, daß die Beklagten sich einer Citation gestellt haben würden, wo mau
zugeben mußte, daß sie geflohen seien. Die Herren ließen nachher erklären, sie
seien geflohen, weil man sie mit Soldaten habe verhaften wollen. Ein sonderba¬
rer Geschmack, der sich auf Gensdarmen pikirt! die Herren konnten ja aus ihrem
Versteck bitten, man möge ihnen Gensdarmen senden, wenn sie blos das Militär,
nicht die Hast zu vermeiden wünschten. Der erste Punkt der Beschwerde war, das
Militär habe den Verhaftsbefehl nicht bei sich geführt. Das Factum ist aber nicht
einmal constatirt und wenn es so wäre, wir haben noch keine Habeascorpusakte
und man kann doch kaum verlangen, daß ein noch nicht bestehendes Gesetz aus
der Zukunft rückwirkende Kraft gerade zu Gunsten eines Hochverräthers haben soll.
Aber davon abgesehen, so würde es nach jedem solchen Gesetz genügen, wenn der
Verhaftsbefehl dem Betroffenen binnen 24 Stunden mit Angabe des Grundes zu¬
gestellt wird. Der zweite Punkt war, daß das Militär ohne Zuziehung öhrig/
leidlicher Personen Haussuchungen gethan habe. Es hatte aber keine Haussuchung
im rechtlichen Sinne stattgefunden. Denn mau hatte nicht die Effecten und Pa¬
piere, sondern blos die Räume nach einer Person durchsucht. Ein Hans aber bei der
Verfolgung eines flüchtigen Verbrechers zu durchsuchen, wird der executiven Gewalt
nie ein Gesetz verwehren. Der dritte Punkt war, daß der Oberst der Bürgerwehr das
Militär commandirt habe. So etwas dürfe nimmer geschehen. Die Leute denken sich
die Bürgerwehr als den natürlichen Feind des Militärs. Es ist aber eine ebenso
bekannte, als nothwendige Sache, daß, wenn Militär und Bürgerwehr zusammen¬
wirken, ein gemeinsames Obercommando eintreten muß. Der Regel nach gebührt
dies dem Führer des Militärs und es ist nur eine Achtungsbezeigung gegen die
Bürgerwehr, wenn er das Commando dem Chef der Bürgerwehr abgibt. Gründe
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