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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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mischen an, weil es die Natur desselben mit sich bringt, seinen Gegenstand zu ver¬
nichten.

In dem Hamlet hat der Dichter die Hauptperson selbst zum Träger des Humors
gemacht. Der Gegensatz aus dem er hervorgeht, ist der größte und tiefste, derselbe,
welcher Hamlets Seele zerrüttet und ihn unfähig macht zu der That, welche der Geist
von ihm fordert: zwischen dem Schein und dem Wesen der äußern Schönheit der Welt,
der Heiierkeit und Wohlanständigkeit des Lebens -und seiner innern Nichtigkeit, dem
Abgrund von Greuel und Sünde, den sie bedecken. Sein Humor zeigt uns die ganze
Fülle von Geist, die ganze Tiefe des Gefühles, womit der Dichter diesen seinen Lieb¬
ling aus den Schätzen seines eigenen Innern ausgestattet hat, und er darf überall bis
zum Aeußersten gehen, alles auf die schärfste Spitze treiben, weil das Individuum,
was ihn hervorbringt, auf der Grenze zwischen Vernunft und Wahnsinn schwankt.

Wie nun aber in der Natur nichts stille stehen kann, weder Gesundheit noch
Krankheit, alles zum Guten oder zum Schlimmen sich organisch entwickeln muß, so
werden wir auch ein Fortschreiten in Hamlets Zustand gewahr. In dem Kampf zwi¬
schen der angebornen Güte und Milde, und der Bitterkeit und Härte, welche ein Schick¬
sal ihm aufdrängt, das stärker ist als sein Charakter, gewinnt die letztere immer mehr
Raum. Es ist als sähen wir, wie ein Tropfen des gesunden Herzblutes nach dem
andern sich in Gift verkehrt, wie Gleichgiltigkeit und Unmuth sich seiner immer mehr
bemächtigen, wie er sich immer absichtsloser dem Zufall hingibt, bis die Katastrophe
ihn endlich von der Last erlöst, welche freiwillig von sich zu werfen, die Furcht vor
den Träumen des finstern Jenseits ihn verhindert."

Diese Auslegung ist eben so geistvoll als wahr. Es ließe sich noch einiges hin¬
zusetzen über das Verhältniß, in dem das Problem dieses merkwürdigen Gedichtes zu
dem wesentlichen Problem des damaligen Zeitgeistes steht, den man nach seiner am mei¬
sten hervorragenden Erscheinung mit dem Namen des Protestantismus bezeichnen kann.
Ich habe das in der Episode einer Schrift, die in den nächsten Tagen bei F. L. Her¬
big erscheint (Geschichte der Romantik im Zeitalter der. Reformation
und Revolution) nachzuweisen versucht.

20) Shakespeare's Sommernachtstraum, von A. Böttger. Leipzig,
Klemm.

Der Uebersetzer hat das Menschenmögliche geleistet, neben der Schlegel'schen, die
bei einer neuen Bearbeitung eher hinderlich als förderlich ist, da man die in ihr ent¬
haltene Wendung trotz ihrer Vortrefflichkeit verändern muß, noch eine getreue und
charakteristische llebcrsctzung zu liefern. Man vergleiche z. B. den Abgang Thisbe's
mit der bekannten Uebertragung in Schlegel:


schläfst du, mein Schah?
Todt auf dem Platz?
O Pyramus steh auf!
Sprich, sprich! -- ganz stumm?
Todt um und um,
Ein bloßer Aschenhauf!
Dein Lilienmund,
Stirn, gelb und rund,
Die Kirschennase rauch,
Die Wangen bleich,
Zwei Primeln gleich,

mischen an, weil es die Natur desselben mit sich bringt, seinen Gegenstand zu ver¬
nichten.

In dem Hamlet hat der Dichter die Hauptperson selbst zum Träger des Humors
gemacht. Der Gegensatz aus dem er hervorgeht, ist der größte und tiefste, derselbe,
welcher Hamlets Seele zerrüttet und ihn unfähig macht zu der That, welche der Geist
von ihm fordert: zwischen dem Schein und dem Wesen der äußern Schönheit der Welt,
der Heiierkeit und Wohlanständigkeit des Lebens -und seiner innern Nichtigkeit, dem
Abgrund von Greuel und Sünde, den sie bedecken. Sein Humor zeigt uns die ganze
Fülle von Geist, die ganze Tiefe des Gefühles, womit der Dichter diesen seinen Lieb¬
ling aus den Schätzen seines eigenen Innern ausgestattet hat, und er darf überall bis
zum Aeußersten gehen, alles auf die schärfste Spitze treiben, weil das Individuum,
was ihn hervorbringt, auf der Grenze zwischen Vernunft und Wahnsinn schwankt.

Wie nun aber in der Natur nichts stille stehen kann, weder Gesundheit noch
Krankheit, alles zum Guten oder zum Schlimmen sich organisch entwickeln muß, so
werden wir auch ein Fortschreiten in Hamlets Zustand gewahr. In dem Kampf zwi¬
schen der angebornen Güte und Milde, und der Bitterkeit und Härte, welche ein Schick¬
sal ihm aufdrängt, das stärker ist als sein Charakter, gewinnt die letztere immer mehr
Raum. Es ist als sähen wir, wie ein Tropfen des gesunden Herzblutes nach dem
andern sich in Gift verkehrt, wie Gleichgiltigkeit und Unmuth sich seiner immer mehr
bemächtigen, wie er sich immer absichtsloser dem Zufall hingibt, bis die Katastrophe
ihn endlich von der Last erlöst, welche freiwillig von sich zu werfen, die Furcht vor
den Träumen des finstern Jenseits ihn verhindert."

Diese Auslegung ist eben so geistvoll als wahr. Es ließe sich noch einiges hin¬
zusetzen über das Verhältniß, in dem das Problem dieses merkwürdigen Gedichtes zu
dem wesentlichen Problem des damaligen Zeitgeistes steht, den man nach seiner am mei¬
sten hervorragenden Erscheinung mit dem Namen des Protestantismus bezeichnen kann.
Ich habe das in der Episode einer Schrift, die in den nächsten Tagen bei F. L. Her¬
big erscheint (Geschichte der Romantik im Zeitalter der. Reformation
und Revolution) nachzuweisen versucht.

20) Shakespeare's Sommernachtstraum, von A. Böttger. Leipzig,
Klemm.

Der Uebersetzer hat das Menschenmögliche geleistet, neben der Schlegel'schen, die
bei einer neuen Bearbeitung eher hinderlich als förderlich ist, da man die in ihr ent¬
haltene Wendung trotz ihrer Vortrefflichkeit verändern muß, noch eine getreue und
charakteristische llebcrsctzung zu liefern. Man vergleiche z. B. den Abgang Thisbe's
mit der bekannten Uebertragung in Schlegel:


schläfst du, mein Schah?
Todt auf dem Platz?
O Pyramus steh auf!
Sprich, sprich! — ganz stumm?
Todt um und um,
Ein bloßer Aschenhauf!
Dein Lilienmund,
Stirn, gelb und rund,
Die Kirschennase rauch,
Die Wangen bleich,
Zwei Primeln gleich,

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[0087] mischen an, weil es die Natur desselben mit sich bringt, seinen Gegenstand zu ver¬ nichten. In dem Hamlet hat der Dichter die Hauptperson selbst zum Träger des Humors gemacht. Der Gegensatz aus dem er hervorgeht, ist der größte und tiefste, derselbe, welcher Hamlets Seele zerrüttet und ihn unfähig macht zu der That, welche der Geist von ihm fordert: zwischen dem Schein und dem Wesen der äußern Schönheit der Welt, der Heiierkeit und Wohlanständigkeit des Lebens -und seiner innern Nichtigkeit, dem Abgrund von Greuel und Sünde, den sie bedecken. Sein Humor zeigt uns die ganze Fülle von Geist, die ganze Tiefe des Gefühles, womit der Dichter diesen seinen Lieb¬ ling aus den Schätzen seines eigenen Innern ausgestattet hat, und er darf überall bis zum Aeußersten gehen, alles auf die schärfste Spitze treiben, weil das Individuum, was ihn hervorbringt, auf der Grenze zwischen Vernunft und Wahnsinn schwankt. Wie nun aber in der Natur nichts stille stehen kann, weder Gesundheit noch Krankheit, alles zum Guten oder zum Schlimmen sich organisch entwickeln muß, so werden wir auch ein Fortschreiten in Hamlets Zustand gewahr. In dem Kampf zwi¬ schen der angebornen Güte und Milde, und der Bitterkeit und Härte, welche ein Schick¬ sal ihm aufdrängt, das stärker ist als sein Charakter, gewinnt die letztere immer mehr Raum. Es ist als sähen wir, wie ein Tropfen des gesunden Herzblutes nach dem andern sich in Gift verkehrt, wie Gleichgiltigkeit und Unmuth sich seiner immer mehr bemächtigen, wie er sich immer absichtsloser dem Zufall hingibt, bis die Katastrophe ihn endlich von der Last erlöst, welche freiwillig von sich zu werfen, die Furcht vor den Träumen des finstern Jenseits ihn verhindert." Diese Auslegung ist eben so geistvoll als wahr. Es ließe sich noch einiges hin¬ zusetzen über das Verhältniß, in dem das Problem dieses merkwürdigen Gedichtes zu dem wesentlichen Problem des damaligen Zeitgeistes steht, den man nach seiner am mei¬ sten hervorragenden Erscheinung mit dem Namen des Protestantismus bezeichnen kann. Ich habe das in der Episode einer Schrift, die in den nächsten Tagen bei F. L. Her¬ big erscheint (Geschichte der Romantik im Zeitalter der. Reformation und Revolution) nachzuweisen versucht. 20) Shakespeare's Sommernachtstraum, von A. Böttger. Leipzig, Klemm. Der Uebersetzer hat das Menschenmögliche geleistet, neben der Schlegel'schen, die bei einer neuen Bearbeitung eher hinderlich als förderlich ist, da man die in ihr ent¬ haltene Wendung trotz ihrer Vortrefflichkeit verändern muß, noch eine getreue und charakteristische llebcrsctzung zu liefern. Man vergleiche z. B. den Abgang Thisbe's mit der bekannten Uebertragung in Schlegel: schläfst du, mein Schah? Todt auf dem Platz? O Pyramus steh auf! Sprich, sprich! — ganz stumm? Todt um und um, Ein bloßer Aschenhauf! Dein Lilienmund, Stirn, gelb und rund, Die Kirschennase rauch, Die Wangen bleich, Zwei Primeln gleich,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/87>, abgerufen am 26.12.2024.