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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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gouvcrneur gewesen; auch dieser nicht durch Wahl, sondern durch Gunst der Kai¬
serin Maria Theresia, der Eine hat aber sür uns und das Land Preiswürdiges die
Fülle gethan. Der stürmische Landtag 1791 benahm uns die Curiatstimmen und brachte
uns durch die Mehrheit der ungarischen Stimmen eine gesetzliche Schlappe nach der
andern bei, denn Unger und Szekler sind nur zwei Stämme eines Volkes. Die öst¬
reichische Regierung hatte uns als Deutsche, deren Treue nie gewankt, wohl geschützt;
aber in den Vvrgcmächern, wo nur adlige Puter kollerten und römische Geistliche schli¬
chen, war ein Riegel sür blos Bürgerliche und Ketzer. Unser Hilferuf, bis er ins
heilige Ohr der Majestät gelangte, verschwächte sich in den Kanzleien bis zu einem ohn¬
mächtigen Laute und die reine Gerechtigkeit des Kaisers ward in der Auslegung und
Anwendung mit so vielen Zusätzen vermischt, daß der Kranke nur unreines Wasser
bekam.

Der Geldabschlag oder der Staatsbankerott vor 1811 hat in unsern Schul- und
Kirchcnsundationen jedes Tausend Gulden Silbergeld bis auf 8V herabgebracht. Noch
erhielt sich Kirche und Schule durch den Zehnten. Dieser ist nun, gegen den Willen
des zehntcngebendcn Volkes, abgeschafft. Auch bis jetzt hat uns der Staat sür Kirche
und Schule nie einen Kreuzer gegeben. Jetzt hat er uns auch den Zehnten entrissen
-- ohne Entschädigung. Mit Ungarn um verbunden find wir ausgesetzt allen Ein¬
flüssen der Magyarisirung. Die neue Regierung will Staatsschulen zwar errichten, aber
mit dem Vehikel der magyarischen Sprache. National- und Confessionsschulen dürfen
wir halten und bezahlen, aber zu den magyarischen Schulen die Aufschläge auch noch
tragen. So werden wir die unsern zu erhalten kaum im Stande sein. Nach Deutsch¬
land gingen bisher unsere Theologen immerfort zur letzten Ausbildung. Nun unser
geistliches Einkommen so sehr herabgesetzt ist, werden künstig nur Wenigere und im¬
mer Wenigere nach Deutschland die kostspielige Reise machen können.

So ist unsere äußere Lage traurig in jeder Beziehung.

Dagegen erhebt sich im Innern des Volkes eine um so größere Sehnsucht nach
Erhaltung unsers deutschen Wesens. Wenn man verlieren soll, da erst wächst die
Liebe. Turnanstalten und Liedertafeln tauchen hier und da und dort im Sachsenlande
auf. Wenn das Deutschthum durch moralische Kraft zu behaupten ist, wird dieser Ver¬
such gemacht und vollführt werden, doch ist die Gefahr sür unsere Nationalität sehr
groß, denn der Himmel ist hoch und Deutschland liegt weit.

Wie den Schwimmer nur Kraft und Kunst über den Wellen erhält, so kann auch
uns nur geistige Macht und Willensstärke vor dem Untergange retten. Auf unsere Menge
können wir nicht pochen; unsere Zahl ist geschmolzen, denn mehr als sechzig Dörfer
sind bereits ohne eine deutsche Seele -- fie sind Wallachen geworden. Unser Reich¬
thum ist dahin; die Landesverfassung, die uns schützte, ist vernichtet, die Privilegien,
die uns begünstigten, sind zerrissen, Verträge zertreten, unsere Nation ist sür erloschen
erklärt. Die neue Verfassung weiß mir von Staatsbürgern: ein schönes Wort in Län¬
dern, wo nur einerlei Volk ist! --

Um die übrigen Kräfte zu sammeln und durch die Sammlung zu verstärken, ha¬
ben wir in den Tagen des 13-, 14., 15. und 1". August l. I. einen deutschen Ju-
gcndbund in der rebenbekränzten Stadt Medwisch errichtet. Die deutsche Jugend all-
hier will in sich und durch sich dem Volke die Zukunft erhalten, durch Wissenschaft,
Kunst und Tapferkeit. Hierzu erschienen uns als die bewährtesten Mittel das Turnen
und der Gesang mit Allem, was daran und damit zusammenhängt. In einem gesun¬
den, abgehärteten und schwenkigen Leibe wohne eine erleuchtete und reine, keusche, manu-


gouvcrneur gewesen; auch dieser nicht durch Wahl, sondern durch Gunst der Kai¬
serin Maria Theresia, der Eine hat aber sür uns und das Land Preiswürdiges die
Fülle gethan. Der stürmische Landtag 1791 benahm uns die Curiatstimmen und brachte
uns durch die Mehrheit der ungarischen Stimmen eine gesetzliche Schlappe nach der
andern bei, denn Unger und Szekler sind nur zwei Stämme eines Volkes. Die öst¬
reichische Regierung hatte uns als Deutsche, deren Treue nie gewankt, wohl geschützt;
aber in den Vvrgcmächern, wo nur adlige Puter kollerten und römische Geistliche schli¬
chen, war ein Riegel sür blos Bürgerliche und Ketzer. Unser Hilferuf, bis er ins
heilige Ohr der Majestät gelangte, verschwächte sich in den Kanzleien bis zu einem ohn¬
mächtigen Laute und die reine Gerechtigkeit des Kaisers ward in der Auslegung und
Anwendung mit so vielen Zusätzen vermischt, daß der Kranke nur unreines Wasser
bekam.

Der Geldabschlag oder der Staatsbankerott vor 1811 hat in unsern Schul- und
Kirchcnsundationen jedes Tausend Gulden Silbergeld bis auf 8V herabgebracht. Noch
erhielt sich Kirche und Schule durch den Zehnten. Dieser ist nun, gegen den Willen
des zehntcngebendcn Volkes, abgeschafft. Auch bis jetzt hat uns der Staat sür Kirche
und Schule nie einen Kreuzer gegeben. Jetzt hat er uns auch den Zehnten entrissen
— ohne Entschädigung. Mit Ungarn um verbunden find wir ausgesetzt allen Ein¬
flüssen der Magyarisirung. Die neue Regierung will Staatsschulen zwar errichten, aber
mit dem Vehikel der magyarischen Sprache. National- und Confessionsschulen dürfen
wir halten und bezahlen, aber zu den magyarischen Schulen die Aufschläge auch noch
tragen. So werden wir die unsern zu erhalten kaum im Stande sein. Nach Deutsch¬
land gingen bisher unsere Theologen immerfort zur letzten Ausbildung. Nun unser
geistliches Einkommen so sehr herabgesetzt ist, werden künstig nur Wenigere und im¬
mer Wenigere nach Deutschland die kostspielige Reise machen können.

So ist unsere äußere Lage traurig in jeder Beziehung.

Dagegen erhebt sich im Innern des Volkes eine um so größere Sehnsucht nach
Erhaltung unsers deutschen Wesens. Wenn man verlieren soll, da erst wächst die
Liebe. Turnanstalten und Liedertafeln tauchen hier und da und dort im Sachsenlande
auf. Wenn das Deutschthum durch moralische Kraft zu behaupten ist, wird dieser Ver¬
such gemacht und vollführt werden, doch ist die Gefahr sür unsere Nationalität sehr
groß, denn der Himmel ist hoch und Deutschland liegt weit.

Wie den Schwimmer nur Kraft und Kunst über den Wellen erhält, so kann auch
uns nur geistige Macht und Willensstärke vor dem Untergange retten. Auf unsere Menge
können wir nicht pochen; unsere Zahl ist geschmolzen, denn mehr als sechzig Dörfer
sind bereits ohne eine deutsche Seele — fie sind Wallachen geworden. Unser Reich¬
thum ist dahin; die Landesverfassung, die uns schützte, ist vernichtet, die Privilegien,
die uns begünstigten, sind zerrissen, Verträge zertreten, unsere Nation ist sür erloschen
erklärt. Die neue Verfassung weiß mir von Staatsbürgern: ein schönes Wort in Län¬
dern, wo nur einerlei Volk ist! —

Um die übrigen Kräfte zu sammeln und durch die Sammlung zu verstärken, ha¬
ben wir in den Tagen des 13-, 14., 15. und 1«. August l. I. einen deutschen Ju-
gcndbund in der rebenbekränzten Stadt Medwisch errichtet. Die deutsche Jugend all-
hier will in sich und durch sich dem Volke die Zukunft erhalten, durch Wissenschaft,
Kunst und Tapferkeit. Hierzu erschienen uns als die bewährtesten Mittel das Turnen
und der Gesang mit Allem, was daran und damit zusammenhängt. In einem gesun¬
den, abgehärteten und schwenkigen Leibe wohne eine erleuchtete und reine, keusche, manu-


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[0082] gouvcrneur gewesen; auch dieser nicht durch Wahl, sondern durch Gunst der Kai¬ serin Maria Theresia, der Eine hat aber sür uns und das Land Preiswürdiges die Fülle gethan. Der stürmische Landtag 1791 benahm uns die Curiatstimmen und brachte uns durch die Mehrheit der ungarischen Stimmen eine gesetzliche Schlappe nach der andern bei, denn Unger und Szekler sind nur zwei Stämme eines Volkes. Die öst¬ reichische Regierung hatte uns als Deutsche, deren Treue nie gewankt, wohl geschützt; aber in den Vvrgcmächern, wo nur adlige Puter kollerten und römische Geistliche schli¬ chen, war ein Riegel sür blos Bürgerliche und Ketzer. Unser Hilferuf, bis er ins heilige Ohr der Majestät gelangte, verschwächte sich in den Kanzleien bis zu einem ohn¬ mächtigen Laute und die reine Gerechtigkeit des Kaisers ward in der Auslegung und Anwendung mit so vielen Zusätzen vermischt, daß der Kranke nur unreines Wasser bekam. Der Geldabschlag oder der Staatsbankerott vor 1811 hat in unsern Schul- und Kirchcnsundationen jedes Tausend Gulden Silbergeld bis auf 8V herabgebracht. Noch erhielt sich Kirche und Schule durch den Zehnten. Dieser ist nun, gegen den Willen des zehntcngebendcn Volkes, abgeschafft. Auch bis jetzt hat uns der Staat sür Kirche und Schule nie einen Kreuzer gegeben. Jetzt hat er uns auch den Zehnten entrissen — ohne Entschädigung. Mit Ungarn um verbunden find wir ausgesetzt allen Ein¬ flüssen der Magyarisirung. Die neue Regierung will Staatsschulen zwar errichten, aber mit dem Vehikel der magyarischen Sprache. National- und Confessionsschulen dürfen wir halten und bezahlen, aber zu den magyarischen Schulen die Aufschläge auch noch tragen. So werden wir die unsern zu erhalten kaum im Stande sein. Nach Deutsch¬ land gingen bisher unsere Theologen immerfort zur letzten Ausbildung. Nun unser geistliches Einkommen so sehr herabgesetzt ist, werden künstig nur Wenigere und im¬ mer Wenigere nach Deutschland die kostspielige Reise machen können. So ist unsere äußere Lage traurig in jeder Beziehung. Dagegen erhebt sich im Innern des Volkes eine um so größere Sehnsucht nach Erhaltung unsers deutschen Wesens. Wenn man verlieren soll, da erst wächst die Liebe. Turnanstalten und Liedertafeln tauchen hier und da und dort im Sachsenlande auf. Wenn das Deutschthum durch moralische Kraft zu behaupten ist, wird dieser Ver¬ such gemacht und vollführt werden, doch ist die Gefahr sür unsere Nationalität sehr groß, denn der Himmel ist hoch und Deutschland liegt weit. Wie den Schwimmer nur Kraft und Kunst über den Wellen erhält, so kann auch uns nur geistige Macht und Willensstärke vor dem Untergange retten. Auf unsere Menge können wir nicht pochen; unsere Zahl ist geschmolzen, denn mehr als sechzig Dörfer sind bereits ohne eine deutsche Seele — fie sind Wallachen geworden. Unser Reich¬ thum ist dahin; die Landesverfassung, die uns schützte, ist vernichtet, die Privilegien, die uns begünstigten, sind zerrissen, Verträge zertreten, unsere Nation ist sür erloschen erklärt. Die neue Verfassung weiß mir von Staatsbürgern: ein schönes Wort in Län¬ dern, wo nur einerlei Volk ist! — Um die übrigen Kräfte zu sammeln und durch die Sammlung zu verstärken, ha¬ ben wir in den Tagen des 13-, 14., 15. und 1«. August l. I. einen deutschen Ju- gcndbund in der rebenbekränzten Stadt Medwisch errichtet. Die deutsche Jugend all- hier will in sich und durch sich dem Volke die Zukunft erhalten, durch Wissenschaft, Kunst und Tapferkeit. Hierzu erschienen uns als die bewährtesten Mittel das Turnen und der Gesang mit Allem, was daran und damit zusammenhängt. In einem gesun¬ den, abgehärteten und schwenkigen Leibe wohne eine erleuchtete und reine, keusche, manu-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/82>, abgerufen am 25.12.2024.