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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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Die Unterbeamten der Stadt, Kassendiener, Konstabler, Wächter u. s. w.
werden dnrch den Gemeindevorstand ernannt, von den Abgeordneten bestätigt; auch
sie sind in die Bezirke vertheilt und stehen unter dem Beamten des Bezirks.

Auch die Wahl der Gemeindeabgeordneten erfolgt bei Gemeinden über 2000
Einwohner nach Bezirken, ihre geringste Zahl ist 12, ihre Anzahl nimmt zu mit
der Zahl der stimmberechtigten Einwohner. Die Anzahl der Schöffen, Vorstands¬
mitglieder wird am besten dem Beschluß der einzelnen Gemeinden überlassen und
wo man alle Geschäfte der Execntivgewalt in der einen Person des Dirigenten
vereinigen will, wie am Rhein geschieht, wird von Seiten des Staats nichts ge¬
gen den Wegfall der Schöffen zu bemerken sein. Doch ist zu bezweifeln, daß die
Gemeinden, welche sich an ihre Thätigkeit gewöhnt haben, sie gern aufgeben
werden.

Dies sind die Grundzüge eines Gemeindelebens, welches dem Staat Garan¬
tien, der Gemeinde Selbstgefühl, dem Individuum eine gesunde Nahrung bieten
soll. Diese kategorische Darstellung ist sehr unvollständig und dennoch fast zu
lang für die grünen Flügel dieses Blattes. Sie war in dieser Form nöthig und
doch zeigt sie so wenig das, was sie in der Wirklichkeit einführen möchte, das
Bild eines kräftigen, gesunden Volkslebens. Zweierlei ist noch zu bemerken. Die
Bestimmungen dieses Entwurfs sollen für die Städte, wie für das offene Land
gelten. Auf dem Lande wird sich natürlich Vieles vereinfachen, in kleinen Ge¬
meinden werden alle freien Mitglieder Abgeordnete fein und der Schultheiß oder
Bürgermeister wird selbst die Rolle des Kassirers, Konstablers und Armenvaters
übernehmen. Und zweitens soll man nochmals berücksichtigen, daß eine Gemeinde
nnr dann zu Kraft und Selbstgefühl kommen kann, wenn jedem Einzelnen seine
Rechte und Verpflichtungen abgewogen werden nach seiner Kraft. Wer den Be¬
sitzlosen, Abhängigen dadurch zu befreien gedenkt, daß er ihm ohne weiteres die
Disposition über fremdes Vermögen gibt, ihn die Obrigkeit seiner Ernährer,
Brot- und Lohnherren wählen läßt, der stellt die Welt auf den Kopf; er macht
den Abhängigen anch nicht um ein Haar selbstständiger, den Freien aber macht er
zum Sclaven. Dergleichen trieben die Römer in den Saturnalien als Posse, als
sie diese Verkehrtheit auf das Forum hiuüberspielten, wurde Augustus Kaiser
von Rom.

(Schluß folgt im nächsten Heft.)




Die Unterbeamten der Stadt, Kassendiener, Konstabler, Wächter u. s. w.
werden dnrch den Gemeindevorstand ernannt, von den Abgeordneten bestätigt; auch
sie sind in die Bezirke vertheilt und stehen unter dem Beamten des Bezirks.

Auch die Wahl der Gemeindeabgeordneten erfolgt bei Gemeinden über 2000
Einwohner nach Bezirken, ihre geringste Zahl ist 12, ihre Anzahl nimmt zu mit
der Zahl der stimmberechtigten Einwohner. Die Anzahl der Schöffen, Vorstands¬
mitglieder wird am besten dem Beschluß der einzelnen Gemeinden überlassen und
wo man alle Geschäfte der Execntivgewalt in der einen Person des Dirigenten
vereinigen will, wie am Rhein geschieht, wird von Seiten des Staats nichts ge¬
gen den Wegfall der Schöffen zu bemerken sein. Doch ist zu bezweifeln, daß die
Gemeinden, welche sich an ihre Thätigkeit gewöhnt haben, sie gern aufgeben
werden.

Dies sind die Grundzüge eines Gemeindelebens, welches dem Staat Garan¬
tien, der Gemeinde Selbstgefühl, dem Individuum eine gesunde Nahrung bieten
soll. Diese kategorische Darstellung ist sehr unvollständig und dennoch fast zu
lang für die grünen Flügel dieses Blattes. Sie war in dieser Form nöthig und
doch zeigt sie so wenig das, was sie in der Wirklichkeit einführen möchte, das
Bild eines kräftigen, gesunden Volkslebens. Zweierlei ist noch zu bemerken. Die
Bestimmungen dieses Entwurfs sollen für die Städte, wie für das offene Land
gelten. Auf dem Lande wird sich natürlich Vieles vereinfachen, in kleinen Ge¬
meinden werden alle freien Mitglieder Abgeordnete fein und der Schultheiß oder
Bürgermeister wird selbst die Rolle des Kassirers, Konstablers und Armenvaters
übernehmen. Und zweitens soll man nochmals berücksichtigen, daß eine Gemeinde
nnr dann zu Kraft und Selbstgefühl kommen kann, wenn jedem Einzelnen seine
Rechte und Verpflichtungen abgewogen werden nach seiner Kraft. Wer den Be¬
sitzlosen, Abhängigen dadurch zu befreien gedenkt, daß er ihm ohne weiteres die
Disposition über fremdes Vermögen gibt, ihn die Obrigkeit seiner Ernährer,
Brot- und Lohnherren wählen läßt, der stellt die Welt auf den Kopf; er macht
den Abhängigen anch nicht um ein Haar selbstständiger, den Freien aber macht er
zum Sclaven. Dergleichen trieben die Römer in den Saturnalien als Posse, als
sie diese Verkehrtheit auf das Forum hiuüberspielten, wurde Augustus Kaiser
von Rom.

(Schluß folgt im nächsten Heft.)




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[0080] Die Unterbeamten der Stadt, Kassendiener, Konstabler, Wächter u. s. w. werden dnrch den Gemeindevorstand ernannt, von den Abgeordneten bestätigt; auch sie sind in die Bezirke vertheilt und stehen unter dem Beamten des Bezirks. Auch die Wahl der Gemeindeabgeordneten erfolgt bei Gemeinden über 2000 Einwohner nach Bezirken, ihre geringste Zahl ist 12, ihre Anzahl nimmt zu mit der Zahl der stimmberechtigten Einwohner. Die Anzahl der Schöffen, Vorstands¬ mitglieder wird am besten dem Beschluß der einzelnen Gemeinden überlassen und wo man alle Geschäfte der Execntivgewalt in der einen Person des Dirigenten vereinigen will, wie am Rhein geschieht, wird von Seiten des Staats nichts ge¬ gen den Wegfall der Schöffen zu bemerken sein. Doch ist zu bezweifeln, daß die Gemeinden, welche sich an ihre Thätigkeit gewöhnt haben, sie gern aufgeben werden. Dies sind die Grundzüge eines Gemeindelebens, welches dem Staat Garan¬ tien, der Gemeinde Selbstgefühl, dem Individuum eine gesunde Nahrung bieten soll. Diese kategorische Darstellung ist sehr unvollständig und dennoch fast zu lang für die grünen Flügel dieses Blattes. Sie war in dieser Form nöthig und doch zeigt sie so wenig das, was sie in der Wirklichkeit einführen möchte, das Bild eines kräftigen, gesunden Volkslebens. Zweierlei ist noch zu bemerken. Die Bestimmungen dieses Entwurfs sollen für die Städte, wie für das offene Land gelten. Auf dem Lande wird sich natürlich Vieles vereinfachen, in kleinen Ge¬ meinden werden alle freien Mitglieder Abgeordnete fein und der Schultheiß oder Bürgermeister wird selbst die Rolle des Kassirers, Konstablers und Armenvaters übernehmen. Und zweitens soll man nochmals berücksichtigen, daß eine Gemeinde nnr dann zu Kraft und Selbstgefühl kommen kann, wenn jedem Einzelnen seine Rechte und Verpflichtungen abgewogen werden nach seiner Kraft. Wer den Be¬ sitzlosen, Abhängigen dadurch zu befreien gedenkt, daß er ihm ohne weiteres die Disposition über fremdes Vermögen gibt, ihn die Obrigkeit seiner Ernährer, Brot- und Lohnherren wählen läßt, der stellt die Welt auf den Kopf; er macht den Abhängigen anch nicht um ein Haar selbstständiger, den Freien aber macht er zum Sclaven. Dergleichen trieben die Römer in den Saturnalien als Posse, als sie diese Verkehrtheit auf das Forum hiuüberspielten, wurde Augustus Kaiser von Rom. (Schluß folgt im nächsten Heft.)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/80>, abgerufen am 25.12.2024.