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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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mein neuen Vorparlament in Berlin; Arnold Ruge spricht es offen aus, eine
hinter der Bewegung zurückgebliebenes Dorf" wie Frankfurt, könne nicht ferner"
der Mittelpunkt der Entwicklung bleiben, eine "Weltstadt" wie Berlin müsse eS
werden. Sie werden nicht glauben, daß ich mit dergleichen sympathisirc, ich
glaube vielmehr, wenn zum zweiten Mal eine solche Farce versucht wird, dürfte
sich die Negierung veranlaßt fühlen, ein Wörtchen mitzusprechen. Aber erwägen
Sie dies alles, nehmen Sie hinzu, daß es uach Abschluß des Waffenstillstandes
von Malmoe geschieht -- und Sie werden mir zugeben, wir werden mit unsern
Brüdern in Süddeutschland fertig werden, anch ohne östreichische Vermittelung.

Ich komme jetzt zur andern Frage. Gebietet Oestreichs Interesse einen An¬
schluß oder nicht? Die Frage könnte müßig scheinen, wo die "ur-l uecessit-is mit
ihren Balkennägeln und ähnlichem Apparat handgreiflich genug sich geltend macht;
doch muß sie beantwortet werden.

Die Großmacht Oestreich, im Besitz von Italien, Ungarn, Kroatien, Gali-
zien und Siebenbürgen, kann ihren diplomatischen Verkehr mit dem Auslande,
kann die freie Verfügung über ihre Heere und Flotten, kann die Autonomie der
Gesetzgebung in ihren ganz anomalen Verhältnissen, kann selbst ihre Handelspo¬
litik nicht aus der Hand geben. Dies vorausgesetzt, ergibt sich unmittelbar: jede
staatliche Verwickelung mit einem außerhalb ihres Organismus liegenden poli¬
tischen System kann die Concentration ihrer Kräfte nur hemmen, ihre Macht nur
lahmen. Es liegt daher in ihrem Interesse, daß eine solche Verwickelung nicht
stattfinde. Freilich verliert sie, wenn auch Deutschland sich staatlich abrundet, den
Metternichschen Einfluß auf den deutschen Bund, aber das östreichische Volk wird
diesen Einfluß einer verruchten Diplomatie nicht betrauern. Dafür eröffnet sich
Oestreich ein reicherer Schauplatz in der Donaulinie und am Po. Das adriatische
und das schwarze Meer sind die Punkte, wohin seine Bestimmung es führt, mit
Einem Wort, die Cultur des Ostens. Deutschland kann es in beiden Punkten
weder fördern noch hemmen, Deutschlands Gesichtspunkte sind der Rhein, die
Nordsee, die Ostsee und die polnische Grenze.

Oestreich hat die Bedingungen einer selbstständigen Existenz. Seine Länder sind
vollständig abgerundet, die Völker trotz aller nationalen Differenz können zu einem
patriotischen Gefühl geweckt werden; die geographische Nothwendigkeit führt sie
zusammen. Freilich ist vor der Hand nur die Armee das Medium der Einigung,
gebt aber den Völkern volle Freiheit, volle Autonomie, und ein klares Gesetz, und
sie werden zusammenhalten, wie die verschiedenen Nationen, welche der Eidgenos¬
senschaft angehören, wie die nordamerikanische Union. Nicht die Sprache allein
macht das Vaterland. Preußen hat diese Bedingungen nicht; es kann nicht für sich
bestehen; es muß daher, es mag wollen oder nicht, dem neuen deutschen Reich
das Opfer bringen, das Oestreich ihm versagen kann. Oestreich ist stärker für


mein neuen Vorparlament in Berlin; Arnold Ruge spricht es offen aus, eine
hinter der Bewegung zurückgebliebenes Dorf" wie Frankfurt, könne nicht ferner"
der Mittelpunkt der Entwicklung bleiben, eine „Weltstadt" wie Berlin müsse eS
werden. Sie werden nicht glauben, daß ich mit dergleichen sympathisirc, ich
glaube vielmehr, wenn zum zweiten Mal eine solche Farce versucht wird, dürfte
sich die Negierung veranlaßt fühlen, ein Wörtchen mitzusprechen. Aber erwägen
Sie dies alles, nehmen Sie hinzu, daß es uach Abschluß des Waffenstillstandes
von Malmoe geschieht — und Sie werden mir zugeben, wir werden mit unsern
Brüdern in Süddeutschland fertig werden, anch ohne östreichische Vermittelung.

Ich komme jetzt zur andern Frage. Gebietet Oestreichs Interesse einen An¬
schluß oder nicht? Die Frage könnte müßig scheinen, wo die «ur-l uecessit-is mit
ihren Balkennägeln und ähnlichem Apparat handgreiflich genug sich geltend macht;
doch muß sie beantwortet werden.

Die Großmacht Oestreich, im Besitz von Italien, Ungarn, Kroatien, Gali-
zien und Siebenbürgen, kann ihren diplomatischen Verkehr mit dem Auslande,
kann die freie Verfügung über ihre Heere und Flotten, kann die Autonomie der
Gesetzgebung in ihren ganz anomalen Verhältnissen, kann selbst ihre Handelspo¬
litik nicht aus der Hand geben. Dies vorausgesetzt, ergibt sich unmittelbar: jede
staatliche Verwickelung mit einem außerhalb ihres Organismus liegenden poli¬
tischen System kann die Concentration ihrer Kräfte nur hemmen, ihre Macht nur
lahmen. Es liegt daher in ihrem Interesse, daß eine solche Verwickelung nicht
stattfinde. Freilich verliert sie, wenn auch Deutschland sich staatlich abrundet, den
Metternichschen Einfluß auf den deutschen Bund, aber das östreichische Volk wird
diesen Einfluß einer verruchten Diplomatie nicht betrauern. Dafür eröffnet sich
Oestreich ein reicherer Schauplatz in der Donaulinie und am Po. Das adriatische
und das schwarze Meer sind die Punkte, wohin seine Bestimmung es führt, mit
Einem Wort, die Cultur des Ostens. Deutschland kann es in beiden Punkten
weder fördern noch hemmen, Deutschlands Gesichtspunkte sind der Rhein, die
Nordsee, die Ostsee und die polnische Grenze.

Oestreich hat die Bedingungen einer selbstständigen Existenz. Seine Länder sind
vollständig abgerundet, die Völker trotz aller nationalen Differenz können zu einem
patriotischen Gefühl geweckt werden; die geographische Nothwendigkeit führt sie
zusammen. Freilich ist vor der Hand nur die Armee das Medium der Einigung,
gebt aber den Völkern volle Freiheit, volle Autonomie, und ein klares Gesetz, und
sie werden zusammenhalten, wie die verschiedenen Nationen, welche der Eidgenos¬
senschaft angehören, wie die nordamerikanische Union. Nicht die Sprache allein
macht das Vaterland. Preußen hat diese Bedingungen nicht; es kann nicht für sich
bestehen; es muß daher, es mag wollen oder nicht, dem neuen deutschen Reich
das Opfer bringen, das Oestreich ihm versagen kann. Oestreich ist stärker für


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[0063] mein neuen Vorparlament in Berlin; Arnold Ruge spricht es offen aus, eine hinter der Bewegung zurückgebliebenes Dorf" wie Frankfurt, könne nicht ferner" der Mittelpunkt der Entwicklung bleiben, eine „Weltstadt" wie Berlin müsse eS werden. Sie werden nicht glauben, daß ich mit dergleichen sympathisirc, ich glaube vielmehr, wenn zum zweiten Mal eine solche Farce versucht wird, dürfte sich die Negierung veranlaßt fühlen, ein Wörtchen mitzusprechen. Aber erwägen Sie dies alles, nehmen Sie hinzu, daß es uach Abschluß des Waffenstillstandes von Malmoe geschieht — und Sie werden mir zugeben, wir werden mit unsern Brüdern in Süddeutschland fertig werden, anch ohne östreichische Vermittelung. Ich komme jetzt zur andern Frage. Gebietet Oestreichs Interesse einen An¬ schluß oder nicht? Die Frage könnte müßig scheinen, wo die «ur-l uecessit-is mit ihren Balkennägeln und ähnlichem Apparat handgreiflich genug sich geltend macht; doch muß sie beantwortet werden. Die Großmacht Oestreich, im Besitz von Italien, Ungarn, Kroatien, Gali- zien und Siebenbürgen, kann ihren diplomatischen Verkehr mit dem Auslande, kann die freie Verfügung über ihre Heere und Flotten, kann die Autonomie der Gesetzgebung in ihren ganz anomalen Verhältnissen, kann selbst ihre Handelspo¬ litik nicht aus der Hand geben. Dies vorausgesetzt, ergibt sich unmittelbar: jede staatliche Verwickelung mit einem außerhalb ihres Organismus liegenden poli¬ tischen System kann die Concentration ihrer Kräfte nur hemmen, ihre Macht nur lahmen. Es liegt daher in ihrem Interesse, daß eine solche Verwickelung nicht stattfinde. Freilich verliert sie, wenn auch Deutschland sich staatlich abrundet, den Metternichschen Einfluß auf den deutschen Bund, aber das östreichische Volk wird diesen Einfluß einer verruchten Diplomatie nicht betrauern. Dafür eröffnet sich Oestreich ein reicherer Schauplatz in der Donaulinie und am Po. Das adriatische und das schwarze Meer sind die Punkte, wohin seine Bestimmung es führt, mit Einem Wort, die Cultur des Ostens. Deutschland kann es in beiden Punkten weder fördern noch hemmen, Deutschlands Gesichtspunkte sind der Rhein, die Nordsee, die Ostsee und die polnische Grenze. Oestreich hat die Bedingungen einer selbstständigen Existenz. Seine Länder sind vollständig abgerundet, die Völker trotz aller nationalen Differenz können zu einem patriotischen Gefühl geweckt werden; die geographische Nothwendigkeit führt sie zusammen. Freilich ist vor der Hand nur die Armee das Medium der Einigung, gebt aber den Völkern volle Freiheit, volle Autonomie, und ein klares Gesetz, und sie werden zusammenhalten, wie die verschiedenen Nationen, welche der Eidgenos¬ senschaft angehören, wie die nordamerikanische Union. Nicht die Sprache allein macht das Vaterland. Preußen hat diese Bedingungen nicht; es kann nicht für sich bestehen; es muß daher, es mag wollen oder nicht, dem neuen deutschen Reich das Opfer bringen, das Oestreich ihm versagen kann. Oestreich ist stärker für

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/63>, abgerufen am 26.12.2024.