Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.martes aufhob. Der Wühler intriguirte nicht mehr gegen den Thron und Altar, Wenn der Heuler -- es gibt beiläufig rothe, weiße und scheckige Heuler; Die Wühler lebten einfacher; sie begnügten sich, rothe Federn auf ihre Und das Gewühl und Geheul ist seinen ruhigen Weg fort gegangen, man Blum ermordet! -- Sonst pflegten die Revolutionen in Leipzig durch Fen¬ martes aufhob. Der Wühler intriguirte nicht mehr gegen den Thron und Altar, Wenn der Heuler — es gibt beiläufig rothe, weiße und scheckige Heuler; Die Wühler lebten einfacher; sie begnügten sich, rothe Federn auf ihre Und das Gewühl und Geheul ist seinen ruhigen Weg fort gegangen, man Blum ermordet! — Sonst pflegten die Revolutionen in Leipzig durch Fen¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0507" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/277263"/> <p xml:id="ID_1543" prev="#ID_1542"> martes aufhob. Der Wühler intriguirte nicht mehr gegen den Thron und Altar,<lb/> sondern gegen die reactionären Röcke der Bourgeoisie und den beleidigenden Aus¬<lb/> druck der Sättigung in ihren feisten Gesichtern, der Heuler beschwor die Blitze<lb/> des Himmels aus diese Rotte herab, die den ehrbaren Bürgersmann aus dem<lb/> Bette zum Wachtdienst schleppte. Ein unharmonisches Concert, getragen von ei¬<lb/> nem leisen Wimmern, daß man nun ja ruhig sterben könne, da der Untergang<lb/> der Welt bevorstünde. Zuletzt scholl es von allen Seiten: Amerika ist nicht weit<lb/> von hier! und die Wälder von Wisconsin wurden zu denen Jenseits ausgedichtet, in<lb/> welchem es kein Banquerout und kein Wühler, kein Regen und keine Krankheit<lb/> mehr gebe. Dahin! dahin! geht unser Weg! ihr Brüder, laßt uns ziehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1544"> Wenn der Heuler — es gibt beiläufig rothe, weiße und scheckige Heuler;<lb/> die einen heulen gegen die Reaction, die andern gegen die Anarchie, die dritten<lb/> gegen Beides, und da ihr Leben ein Geheul ist, wie das des Christen ein Ge¬<lb/> bet, so kann man sagen, sie fristen ihr Leben von Reaction, von Anarchie und<lb/> von Beiden — wenn der Heuler des Morgens auffuhr, so war sein erstes Wort:<lb/> „Höre ich nicht die Lärmglocke?" — Du irrst lieber Mann. — Ist nicht eine<lb/> außergewöhnliche Bewegung auf der Straße? — Alles ist ruhig. — Also eine<lb/> unheimliche Stille? — Nicht doch! die Leute gehn wie gewöhnlich. — Wie ge¬<lb/> wöhnlich?! Herr des Himmels, das ist eine Verschwörung! wir sind verrathen!<lb/> - - Und auf fuhr er aus dem Bette, mit wildem Blick, ohne den Kaffe zu sehen,<lb/> den die liebende Gattin ihm vor das Bett gestellt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1545"> Die Wühler lebten einfacher; sie begnügten sich, rothe Federn auf ihre<lb/> Heckerlingshüte zu setzen, und um Darlehn anzusprechen, zum Behuf eines Frei-<lb/> schaarenzuges ins badener Oberland und gegen den Tyrannen Windischgrätz. Sie<lb/> hielten Unterredungen auf dem Kickerlingsberg über die beste Republik, und<lb/> drohten allen reactionären Konditoren und Weinreisenden mit der Guillotine. Am<lb/> gefährlichsten waren die Wählerinnen. Ich sah ein Paar vor dem Bild des Reichs-<lb/> verwesers bei del Vecchio. „Siehst du diesen Todtenkopf? fragte die Eine. So<lb/> sieht der lebendige Leichnam aus, der das Reich in Verwesung bringt. O diese<lb/> elenden Jnsectenseelenü"</p><lb/> <p xml:id="ID_1546"> Und das Gewühl und Geheul ist seinen ruhigen Weg fort gegangen, man<lb/> hat sich für die erste deutsche Frau begeistert, man hat den König von Hannover<lb/> vernichtet, Preußens Sondergelüste gestraft, der Nationalversammlung das Ver¬<lb/> trauen der Nation abgesprochen, man hat alles gethan, was man in Ermange¬<lb/> lung eines bessern thun konnte, bis das Echo jenen Schuß aus der Brigitten«»<lb/> nach Leipzig herübertrug.</p><lb/> <p xml:id="ID_1547" next="#ID_1548"> Blum ermordet! — Sonst pflegten die Revolutionen in Leipzig durch Fen¬<lb/> stereinwerfen in einer gewissen Gasse eingeleitet zu werden; diesmal sammelte man<lb/> sich in der Kirche und sang: Eine feste Burg ist unser Gott! — Es war nur<lb/> ein Nachspiel, wenige Explosionen abgerechnet, milde und elegisch. Als der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0507]
martes aufhob. Der Wühler intriguirte nicht mehr gegen den Thron und Altar,
sondern gegen die reactionären Röcke der Bourgeoisie und den beleidigenden Aus¬
druck der Sättigung in ihren feisten Gesichtern, der Heuler beschwor die Blitze
des Himmels aus diese Rotte herab, die den ehrbaren Bürgersmann aus dem
Bette zum Wachtdienst schleppte. Ein unharmonisches Concert, getragen von ei¬
nem leisen Wimmern, daß man nun ja ruhig sterben könne, da der Untergang
der Welt bevorstünde. Zuletzt scholl es von allen Seiten: Amerika ist nicht weit
von hier! und die Wälder von Wisconsin wurden zu denen Jenseits ausgedichtet, in
welchem es kein Banquerout und kein Wühler, kein Regen und keine Krankheit
mehr gebe. Dahin! dahin! geht unser Weg! ihr Brüder, laßt uns ziehen.
Wenn der Heuler — es gibt beiläufig rothe, weiße und scheckige Heuler;
die einen heulen gegen die Reaction, die andern gegen die Anarchie, die dritten
gegen Beides, und da ihr Leben ein Geheul ist, wie das des Christen ein Ge¬
bet, so kann man sagen, sie fristen ihr Leben von Reaction, von Anarchie und
von Beiden — wenn der Heuler des Morgens auffuhr, so war sein erstes Wort:
„Höre ich nicht die Lärmglocke?" — Du irrst lieber Mann. — Ist nicht eine
außergewöhnliche Bewegung auf der Straße? — Alles ist ruhig. — Also eine
unheimliche Stille? — Nicht doch! die Leute gehn wie gewöhnlich. — Wie ge¬
wöhnlich?! Herr des Himmels, das ist eine Verschwörung! wir sind verrathen!
- - Und auf fuhr er aus dem Bette, mit wildem Blick, ohne den Kaffe zu sehen,
den die liebende Gattin ihm vor das Bett gestellt.
Die Wühler lebten einfacher; sie begnügten sich, rothe Federn auf ihre
Heckerlingshüte zu setzen, und um Darlehn anzusprechen, zum Behuf eines Frei-
schaarenzuges ins badener Oberland und gegen den Tyrannen Windischgrätz. Sie
hielten Unterredungen auf dem Kickerlingsberg über die beste Republik, und
drohten allen reactionären Konditoren und Weinreisenden mit der Guillotine. Am
gefährlichsten waren die Wählerinnen. Ich sah ein Paar vor dem Bild des Reichs-
verwesers bei del Vecchio. „Siehst du diesen Todtenkopf? fragte die Eine. So
sieht der lebendige Leichnam aus, der das Reich in Verwesung bringt. O diese
elenden Jnsectenseelenü"
Und das Gewühl und Geheul ist seinen ruhigen Weg fort gegangen, man
hat sich für die erste deutsche Frau begeistert, man hat den König von Hannover
vernichtet, Preußens Sondergelüste gestraft, der Nationalversammlung das Ver¬
trauen der Nation abgesprochen, man hat alles gethan, was man in Ermange¬
lung eines bessern thun konnte, bis das Echo jenen Schuß aus der Brigitten«»
nach Leipzig herübertrug.
Blum ermordet! — Sonst pflegten die Revolutionen in Leipzig durch Fen¬
stereinwerfen in einer gewissen Gasse eingeleitet zu werden; diesmal sammelte man
sich in der Kirche und sang: Eine feste Burg ist unser Gott! — Es war nur
ein Nachspiel, wenige Explosionen abgerechnet, milde und elegisch. Als der
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