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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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prächtiges, stolzes Mädchen, gewachsen wie Pallas, mit dem rabenschwarzen Haar
und den glänzenden dunkeln Augen der reizendsten Italienerin. Sie trägt Teller,
Flaschen und Gläser -- jeder der Herren ruft sie zu sich, aber Simon von
Trier ist der Glückliche, welcher zuerst bedient wird. Der kleine, behende Advo-
cat mit dem hübschen klugen Kopf küßt mit romantisch ritterlicher Ehrfurcht den
weißen Arm des Mädchens, aber eifersüchtig drängt sich der Reichskanarienvogel
zwischen die Beiden und drückt seinen fuchsrothen Bart der Schönen zur Huldi¬
gung auf die Hand. Eine merkwürdige Gestalt dieser Rösler von Oels. Lang
und hager verschwindet seine angeborne kaukasische Hautfarbe gänzlich unter Mil¬
liarden von buttergelben Sommersprossen; sein geschornes Haupthaar ist feuergelb
und seine hellblauen Augen treten hinter der Brille so stark hervor, als drücke
ihm eine nervige Hand fortwährend die Kehle zu. Minna lacht und macht sich
durch eine rasche Wendung los; dafür wird ihr ein billigender Blick von Titus
aus Bamberg, der, sein grimmiges Löwenhaupt, in welchem nur die Nase von
dem Haarwuchs verschont geblieben ist, auf die ungeheuren Fäuste stützend, mit
den Ellbogen aus dem Tisch ruht und gleich wieder melancholisch in sein Glas
starrt. Es ist ihm nicht wohl hier, er ärgert sich, daß seine Freunde ihn zwin¬
gen, im "grünen Baume" Wein zu trinken, während er mit wehmüthiger Sehn¬
sucht von den Seligkeiten einer bairischen Bierkneipe phantastrt. Fast trotzig wird
sein Auge, je mehr er sich in diese großen Gedanken vertieft und vergebens der
Ursache so schmerzlicher Entsagung nachgrübelt, aber die schmucke Frau Wirthin
streift zufällig im Vorübergehn an ihn und augenblicklich verwandelt sich der zor¬
nige Herkules in einen zärtlich brummenden Bären. Eine zweite Gruppe flüstert
leise mit einander und steckt oft die Köpfe zusammen, als sei eine Verschwörung
im Werke. Und so etwas ist es auch, denn es handelt sich darum, morgen in
der Paulskirche durch ein geschicktes Manoeuvre einen Theil der Abgeordneten, die
Unentschiedenen, zu verblüffen, gegen die Argumente der Rechten im Voraus ein¬
zunehmen und so den Sieg zu erringen. Ein schlanker, junger Mann mit sehr
hebräischen Gesichtszügen gcsticulirt am Lebhaftesten, und bewundernd hängen
die Zuhörer an seinen Lippen. Da ihm dies in der Paulskirche noch nie passtrt
ist, so verlängert er seine leise Rede so sehr als möglich. Es ist Wiesner,
der perpetuelle Besitzer des bekannten, fortlaufenden Beifalls, unter allen Schreck¬
lichen der Schrecklichste in der Kunst der Langeweile, unter allen östreichischen
Literaten der Verrückteste, und das will viel sagen. Dennoch verehren ihn seine
Landsleute und Glaubensgenossen als den Heiland der neuen Zeit. Die beiden
Nachbarn, welche seinen Plänen so bereitwilligen Beifall schenken, sind Berger
und Joseph Rank, ebenfalls Oestreicher und die jüngsten Mitglieder des
deutschen Parlaments. Blonde Knaben, voll stolzen Selbstgefühls, der väterlichen
Ruthe glücklich entronnen zu sein, Nestvögel, die die Eierschaale noch auf dem
Kopfe tragen. Ihnen hat sich der Schlesier Levysohn, der "ungehängte Hoch-


prächtiges, stolzes Mädchen, gewachsen wie Pallas, mit dem rabenschwarzen Haar
und den glänzenden dunkeln Augen der reizendsten Italienerin. Sie trägt Teller,
Flaschen und Gläser — jeder der Herren ruft sie zu sich, aber Simon von
Trier ist der Glückliche, welcher zuerst bedient wird. Der kleine, behende Advo-
cat mit dem hübschen klugen Kopf küßt mit romantisch ritterlicher Ehrfurcht den
weißen Arm des Mädchens, aber eifersüchtig drängt sich der Reichskanarienvogel
zwischen die Beiden und drückt seinen fuchsrothen Bart der Schönen zur Huldi¬
gung auf die Hand. Eine merkwürdige Gestalt dieser Rösler von Oels. Lang
und hager verschwindet seine angeborne kaukasische Hautfarbe gänzlich unter Mil¬
liarden von buttergelben Sommersprossen; sein geschornes Haupthaar ist feuergelb
und seine hellblauen Augen treten hinter der Brille so stark hervor, als drücke
ihm eine nervige Hand fortwährend die Kehle zu. Minna lacht und macht sich
durch eine rasche Wendung los; dafür wird ihr ein billigender Blick von Titus
aus Bamberg, der, sein grimmiges Löwenhaupt, in welchem nur die Nase von
dem Haarwuchs verschont geblieben ist, auf die ungeheuren Fäuste stützend, mit
den Ellbogen aus dem Tisch ruht und gleich wieder melancholisch in sein Glas
starrt. Es ist ihm nicht wohl hier, er ärgert sich, daß seine Freunde ihn zwin¬
gen, im „grünen Baume" Wein zu trinken, während er mit wehmüthiger Sehn¬
sucht von den Seligkeiten einer bairischen Bierkneipe phantastrt. Fast trotzig wird
sein Auge, je mehr er sich in diese großen Gedanken vertieft und vergebens der
Ursache so schmerzlicher Entsagung nachgrübelt, aber die schmucke Frau Wirthin
streift zufällig im Vorübergehn an ihn und augenblicklich verwandelt sich der zor¬
nige Herkules in einen zärtlich brummenden Bären. Eine zweite Gruppe flüstert
leise mit einander und steckt oft die Köpfe zusammen, als sei eine Verschwörung
im Werke. Und so etwas ist es auch, denn es handelt sich darum, morgen in
der Paulskirche durch ein geschicktes Manoeuvre einen Theil der Abgeordneten, die
Unentschiedenen, zu verblüffen, gegen die Argumente der Rechten im Voraus ein¬
zunehmen und so den Sieg zu erringen. Ein schlanker, junger Mann mit sehr
hebräischen Gesichtszügen gcsticulirt am Lebhaftesten, und bewundernd hängen
die Zuhörer an seinen Lippen. Da ihm dies in der Paulskirche noch nie passtrt
ist, so verlängert er seine leise Rede so sehr als möglich. Es ist Wiesner,
der perpetuelle Besitzer des bekannten, fortlaufenden Beifalls, unter allen Schreck¬
lichen der Schrecklichste in der Kunst der Langeweile, unter allen östreichischen
Literaten der Verrückteste, und das will viel sagen. Dennoch verehren ihn seine
Landsleute und Glaubensgenossen als den Heiland der neuen Zeit. Die beiden
Nachbarn, welche seinen Plänen so bereitwilligen Beifall schenken, sind Berger
und Joseph Rank, ebenfalls Oestreicher und die jüngsten Mitglieder des
deutschen Parlaments. Blonde Knaben, voll stolzen Selbstgefühls, der väterlichen
Ruthe glücklich entronnen zu sein, Nestvögel, die die Eierschaale noch auf dem
Kopfe tragen. Ihnen hat sich der Schlesier Levysohn, der „ungehängte Hoch-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/491>, abgerufen am 26.12.2024.