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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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in ihrer Mitte darauf gebracht worden, eS müsse mit der Nsxna clmrta des
Volks, mit den Grundrechten angefangen werden, durch die organisirenden Be¬
stimmungen werde die Souveränität des Volks verrathen. Das hieß, die Haupt¬
sache in der Lust schweben lassen und sich in ein schwieriges Detail concreter Ver¬
hältnisse verwickeln. Aber die Verhältnisse konnten nicht so lange in der Schwebe
bleiben, als das Parlament sie nimmermehr ordnete, sammelte sich die Kraft der
Nation wieder bei den Regierungen. Durch das bodenlose Treiben der Demo¬
kraten wurde dieser Umschwung nur beschleunigt.

Jetzt kann von einer rein parlamentarischen Regierung mit umfassender Kom¬
petenz nicht mehr die Rede sein, d. h. von einer Regierung, an deren Executive,
lediglich auf das Ansehen des Parlaments gestützt, ein Reichsverweser ohne Land
steht. Das VcrfassungSwcrk steht jetzt an folgender Alternative. Entweder eine
Centralgewalt mit umfassender Kompetenz -- diese ist nur zu halten, wenn Preu¬
ßen das ganze Gewicht seiner selbstständigen Kraft nach Außen und nach Innen
in die Wagschale des Reichs legt, und dann muß ihm die Reichsgewalt übertra¬
gen werden -- oder es bleibt bei der beschränkten Kompetenz der Bundesverfas¬
sung mit veränderter Form, indem dem Fürstenrath eine Volksvertretung zur
Seite steht und der Fürsteurath nicht durch Gesandte vertreten wird, sondern
durch einen von den Fürsten delegirten Reichsverweser, der sich mit Ministern
umgibt. Die Staaten haben von dieser Form bei beschränkten Befugnissen der
Centralgewalt nichts zu befürchten, so wird sie auch ohne starken Rückhalt gedul¬
det werden.

Der Einfall, Preußen die Hegemonie zum Schein ohne entscheidende Befug¬
nisse zu übertragen, würde beide Theile um das Ganze schwächen. Er reißt
Preußen aus seinem Schwerpunkt, ohne die Jsolirung der kleinen Staaten auf¬
zuheben , und treibt sie durch den vergeblichen Versuch immer mehr hinein. Da¬
hin gehört die unsinnige Construction des Staatenhauses, wo die compacte Hälfte
von Deutschland gegen die zerrissene durch eine Minorität von 40 gegen 100
Stimmen repräsentirt wird, wenn man die 36 Stimmen Oestreichs abrechnet.

Höchst verderblich sind die complicirten Dreier-, Fünfer- und Sechser-Vor¬
schläge. Sie verrücken den Schwerpunkt aller Einzelstaaten, ohne einen neuen
Mittelpunkt zu schaffen; sie schwächen Deutschland gleich sehr nach Innen und
Außen. Wir fordern die preußische Regierung ernstlich auf, jede Mitwirkung
dazu zu versagen.

Reine Tollheit ist es aber, jetzt noch die großen Staaten zerschlagen und in
--r. einen allgemeinen Schmutzbrei zusammenrühreu zu wollen.




in ihrer Mitte darauf gebracht worden, eS müsse mit der Nsxna clmrta des
Volks, mit den Grundrechten angefangen werden, durch die organisirenden Be¬
stimmungen werde die Souveränität des Volks verrathen. Das hieß, die Haupt¬
sache in der Lust schweben lassen und sich in ein schwieriges Detail concreter Ver¬
hältnisse verwickeln. Aber die Verhältnisse konnten nicht so lange in der Schwebe
bleiben, als das Parlament sie nimmermehr ordnete, sammelte sich die Kraft der
Nation wieder bei den Regierungen. Durch das bodenlose Treiben der Demo¬
kraten wurde dieser Umschwung nur beschleunigt.

Jetzt kann von einer rein parlamentarischen Regierung mit umfassender Kom¬
petenz nicht mehr die Rede sein, d. h. von einer Regierung, an deren Executive,
lediglich auf das Ansehen des Parlaments gestützt, ein Reichsverweser ohne Land
steht. Das VcrfassungSwcrk steht jetzt an folgender Alternative. Entweder eine
Centralgewalt mit umfassender Kompetenz — diese ist nur zu halten, wenn Preu¬
ßen das ganze Gewicht seiner selbstständigen Kraft nach Außen und nach Innen
in die Wagschale des Reichs legt, und dann muß ihm die Reichsgewalt übertra¬
gen werden — oder es bleibt bei der beschränkten Kompetenz der Bundesverfas¬
sung mit veränderter Form, indem dem Fürstenrath eine Volksvertretung zur
Seite steht und der Fürsteurath nicht durch Gesandte vertreten wird, sondern
durch einen von den Fürsten delegirten Reichsverweser, der sich mit Ministern
umgibt. Die Staaten haben von dieser Form bei beschränkten Befugnissen der
Centralgewalt nichts zu befürchten, so wird sie auch ohne starken Rückhalt gedul¬
det werden.

Der Einfall, Preußen die Hegemonie zum Schein ohne entscheidende Befug¬
nisse zu übertragen, würde beide Theile um das Ganze schwächen. Er reißt
Preußen aus seinem Schwerpunkt, ohne die Jsolirung der kleinen Staaten auf¬
zuheben , und treibt sie durch den vergeblichen Versuch immer mehr hinein. Da¬
hin gehört die unsinnige Construction des Staatenhauses, wo die compacte Hälfte
von Deutschland gegen die zerrissene durch eine Minorität von 40 gegen 100
Stimmen repräsentirt wird, wenn man die 36 Stimmen Oestreichs abrechnet.

Höchst verderblich sind die complicirten Dreier-, Fünfer- und Sechser-Vor¬
schläge. Sie verrücken den Schwerpunkt aller Einzelstaaten, ohne einen neuen
Mittelpunkt zu schaffen; sie schwächen Deutschland gleich sehr nach Innen und
Außen. Wir fordern die preußische Regierung ernstlich auf, jede Mitwirkung
dazu zu versagen.

Reine Tollheit ist es aber, jetzt noch die großen Staaten zerschlagen und in
—r. einen allgemeinen Schmutzbrei zusammenrühreu zu wollen.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/435>, abgerufen am 22.07.2024.