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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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die festen Grundstriche. Es wäre aber doch gut, "renn er seine schöne, sinnige
Anschauung aus dem wüste,, Bereich sympathetischer Euren und verliebten Som-
nambulismus, aus der sogenannte" Nachtseite der Natur, in die sonnige, belebte
Welt des Tages übertragen wollte, oder auch in den bestimmt abgegrenzten Nah¬
men der Geschichte. Nicht außerhalb des Lebens liegt der Stoff der Dichtung;
in dem hüpfenden Herzchen einer einfachen Fischerdirne klopft mehr Poesie, als in
der steifen Grandezza sämmtlicher Gespenster, vom Propheten Samuel an bis auf
die Holzpantoffeln der Seherin von Prevvrst, die Hexen deö heiligen römischen
---t. Reichs mitverechnct.




Die preußisch-deutsche Situation.



Preußen ist gerettet, die unwürdigste Horde, die je das geheiligte Amt der
Volksvertretung entweiht, ist ans dem Tempel vertrieben, wie einen bösen Traum
reibt sich das gerettete Land die Eriuuenmg an diese schmachvolle Zeit aus den
Augen. Nur Bedlamscandtdam, deute" a" Widerstand, das Volk acceptirt mit
Freuden die Verfassung, die i" ihiem Inhalt keine octroyirte ist. "Es findet in
ihm seinen Willen, ja seine Launen wieder, es hat die Aussicht nachzutragen,
wo etwas fehlt, obgleich fast Alles wörtlich mit seinen kühnsten Wünschen stimmt."
So drückt sich ein reifer Beurtheiler ans. Damit anch die Form so viel als
möglich gewahrt werde, hat die nächste Legislatur die Rechte einer Constituante,
sie kann, frei von dem sonst nothwendigen erschwerenden Geschäftsgang der Ver-
sassuugsabänderung, dnrch einfache Majoritätsbeschlüsse über das Grundgesetz mit
der Krone sich vereinbaren. Aber dieser Zustand hat gegen den bisherigen, uner¬
träglichen, den unermeßlichen Vortheil, daß schon ein umfassender gesetzlicher Zu¬
stand nach den Forderungen der Zeit besteht.

Noch nie war das Theater der Weltgeschichte so groß. Die europäische Be¬
wegung dieses Jahres ist in ihrer weiten Ausdehnung keine gleichgiltig vielfache,
sondern eine wahrhaft solidarische. Paris, Rom, Mailand, Wien, Berlin, Frank¬
furt empfinden jeden elektrischen Schlag in diesem großen Umkreis und mit glei¬
cher Stärke. Darum ist die Rettung des theuern Vaterlandes ein Segen für
das cimlisirte Europa. Der mytheubildende Geist, der sich in der reflectirenden
Zeit so wenig verleugnet, wie in der naiven, hat dies in der Mythe von den
Briefen Cavaignac's an den König von Preußen und den Fürsten Windischgrätz
ganz richtig versinnlicht.

Preußen ist gerettet. Ist es auch Deutschland? Wenn Europa die wohl¬
thätige Wirkung dieses Ereignisses empfindet, so sollte sie vor Allem Deutschland


die festen Grundstriche. Es wäre aber doch gut, »renn er seine schöne, sinnige
Anschauung aus dem wüste,, Bereich sympathetischer Euren und verliebten Som-
nambulismus, aus der sogenannte» Nachtseite der Natur, in die sonnige, belebte
Welt des Tages übertragen wollte, oder auch in den bestimmt abgegrenzten Nah¬
men der Geschichte. Nicht außerhalb des Lebens liegt der Stoff der Dichtung;
in dem hüpfenden Herzchen einer einfachen Fischerdirne klopft mehr Poesie, als in
der steifen Grandezza sämmtlicher Gespenster, vom Propheten Samuel an bis auf
die Holzpantoffeln der Seherin von Prevvrst, die Hexen deö heiligen römischen
—-t. Reichs mitverechnct.




Die preußisch-deutsche Situation.



Preußen ist gerettet, die unwürdigste Horde, die je das geheiligte Amt der
Volksvertretung entweiht, ist ans dem Tempel vertrieben, wie einen bösen Traum
reibt sich das gerettete Land die Eriuuenmg an diese schmachvolle Zeit aus den
Augen. Nur Bedlamscandtdam, deute» a» Widerstand, das Volk acceptirt mit
Freuden die Verfassung, die i» ihiem Inhalt keine octroyirte ist. „Es findet in
ihm seinen Willen, ja seine Launen wieder, es hat die Aussicht nachzutragen,
wo etwas fehlt, obgleich fast Alles wörtlich mit seinen kühnsten Wünschen stimmt."
So drückt sich ein reifer Beurtheiler ans. Damit anch die Form so viel als
möglich gewahrt werde, hat die nächste Legislatur die Rechte einer Constituante,
sie kann, frei von dem sonst nothwendigen erschwerenden Geschäftsgang der Ver-
sassuugsabänderung, dnrch einfache Majoritätsbeschlüsse über das Grundgesetz mit
der Krone sich vereinbaren. Aber dieser Zustand hat gegen den bisherigen, uner¬
träglichen, den unermeßlichen Vortheil, daß schon ein umfassender gesetzlicher Zu¬
stand nach den Forderungen der Zeit besteht.

Noch nie war das Theater der Weltgeschichte so groß. Die europäische Be¬
wegung dieses Jahres ist in ihrer weiten Ausdehnung keine gleichgiltig vielfache,
sondern eine wahrhaft solidarische. Paris, Rom, Mailand, Wien, Berlin, Frank¬
furt empfinden jeden elektrischen Schlag in diesem großen Umkreis und mit glei¬
cher Stärke. Darum ist die Rettung des theuern Vaterlandes ein Segen für
das cimlisirte Europa. Der mytheubildende Geist, der sich in der reflectirenden
Zeit so wenig verleugnet, wie in der naiven, hat dies in der Mythe von den
Briefen Cavaignac's an den König von Preußen und den Fürsten Windischgrätz
ganz richtig versinnlicht.

Preußen ist gerettet. Ist es auch Deutschland? Wenn Europa die wohl¬
thätige Wirkung dieses Ereignisses empfindet, so sollte sie vor Allem Deutschland


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[0427] die festen Grundstriche. Es wäre aber doch gut, »renn er seine schöne, sinnige Anschauung aus dem wüste,, Bereich sympathetischer Euren und verliebten Som- nambulismus, aus der sogenannte» Nachtseite der Natur, in die sonnige, belebte Welt des Tages übertragen wollte, oder auch in den bestimmt abgegrenzten Nah¬ men der Geschichte. Nicht außerhalb des Lebens liegt der Stoff der Dichtung; in dem hüpfenden Herzchen einer einfachen Fischerdirne klopft mehr Poesie, als in der steifen Grandezza sämmtlicher Gespenster, vom Propheten Samuel an bis auf die Holzpantoffeln der Seherin von Prevvrst, die Hexen deö heiligen römischen —-t. Reichs mitverechnct. Die preußisch-deutsche Situation. Preußen ist gerettet, die unwürdigste Horde, die je das geheiligte Amt der Volksvertretung entweiht, ist ans dem Tempel vertrieben, wie einen bösen Traum reibt sich das gerettete Land die Eriuuenmg an diese schmachvolle Zeit aus den Augen. Nur Bedlamscandtdam, deute» a» Widerstand, das Volk acceptirt mit Freuden die Verfassung, die i» ihiem Inhalt keine octroyirte ist. „Es findet in ihm seinen Willen, ja seine Launen wieder, es hat die Aussicht nachzutragen, wo etwas fehlt, obgleich fast Alles wörtlich mit seinen kühnsten Wünschen stimmt." So drückt sich ein reifer Beurtheiler ans. Damit anch die Form so viel als möglich gewahrt werde, hat die nächste Legislatur die Rechte einer Constituante, sie kann, frei von dem sonst nothwendigen erschwerenden Geschäftsgang der Ver- sassuugsabänderung, dnrch einfache Majoritätsbeschlüsse über das Grundgesetz mit der Krone sich vereinbaren. Aber dieser Zustand hat gegen den bisherigen, uner¬ träglichen, den unermeßlichen Vortheil, daß schon ein umfassender gesetzlicher Zu¬ stand nach den Forderungen der Zeit besteht. Noch nie war das Theater der Weltgeschichte so groß. Die europäische Be¬ wegung dieses Jahres ist in ihrer weiten Ausdehnung keine gleichgiltig vielfache, sondern eine wahrhaft solidarische. Paris, Rom, Mailand, Wien, Berlin, Frank¬ furt empfinden jeden elektrischen Schlag in diesem großen Umkreis und mit glei¬ cher Stärke. Darum ist die Rettung des theuern Vaterlandes ein Segen für das cimlisirte Europa. Der mytheubildende Geist, der sich in der reflectirenden Zeit so wenig verleugnet, wie in der naiven, hat dies in der Mythe von den Briefen Cavaignac's an den König von Preußen und den Fürsten Windischgrätz ganz richtig versinnlicht. Preußen ist gerettet. Ist es auch Deutschland? Wenn Europa die wohl¬ thätige Wirkung dieses Ereignisses empfindet, so sollte sie vor Allem Deutschland

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/427>, abgerufen am 25.12.2024.