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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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mischen doch nicht? "Auch von diesem! denn die Behörden waren in eine zu schiefe
Lage gekommen. Wenn ein Jeder mitregieren will, dann muß die Maschine in
Stillstand oder Verwirrung gerathen. Es will Alles gelernt sein, mein Lieber,
und -- ich bin dem königlichen Hanse sehr ergeben. Abgesehn davon waren
aber die Bande der polizeilichen Disciplin in der That allzusehr gelockert. Glau¬
ben Sie mir, mit dem Rechtsstaat, das ist ein Phantom, wie ich aus vieljähri-
ger Erfahrung weiß. Ein einziger Geusdarm wiegt, was die Ordnung betrifft,
hundert sich sclbstregiercnd: Bürger auf. Ich stehe ganz in der neuen Zeit, aber
Anstand muß sein, ich werde mit aller mir zu Gebote stehenden Energie nunmehr
eine kräftige Negierung handhaben, wir werden demzufolge auch alle demokratisch
gesinnten Beamten absetzen und eine genaue polizeiliche Ueberwachung jedes uns
verdächtigen Individuums eintreten lassen. Sonst kann die constitutionelle Freiheit,
an der wir festhalten, nicht gedeihen. Sonst können wir keine freien Finster ha¬
ben, und: freie Fürsten, freie Völker! das ist mein Wahlspruch!"

Dieser Lump von Journalisten hier, der bis vorgestern ein leidlich liberales
Blatt redigirte -- lies jetzt nur seine Zeitung! Sie ist so zahm, so freundlich, so
schmeichlerisch, so hündisch wedelnd, so unterthänig! Bringt mir einen Loibeer-
kranz sür den Poeten, der die Siegeshymnen anstimme für die gesetzliche Macht,
für den ruhmgckiönten Commandeur der tapfern Truppen, für den Sieg der gu-
ten Sache. Die Macht hat einen eignen Zauber, wohlan! wir stärken sie durch
lügnerische Plakate, wir können auch das Volk aufwiegeln, wie es die Demokraten
gethan haben! Es gibt "och gottvergessene Pfiffen und pensionirte Offiziere genug,
die dem Zeitungsredactcur darin die beste Assistenz leisten.

Nicht wahr, Herr Prediger? O Sie mildes Herz, die Sie mit Ihrem Gott
sich allabendlich und alle Morgen abfinden zur Vergebung Ihrer Sünden. Wer
wollte Sie gottvergessen nennen? Bitte, bedenken Sie sich, vor mir ist eine De¬
votion nicht nöthig, ich kann Ihnen weder Absolution ertheilen, noch gar zu einer
besseren Pfarre verhelfen. Ja wohl ! Sie sind anch von Gottes Gnaden, ganz
gewiß! der Herr ist über Ihnen und lenket Ihre Schritte, er erleuchtet die Wege
Aller, die da lieb haben unsern Herrn und die da beten um das Kommen seines
Reichs. Die Demuth ist die schönste Zier des Christen und nebenbei dann so
in der Stille tüchtig das Volk aufgehetzt und fanatisirt gegen diejenigen, denen eS,
wie Sie sagen, allein um den Umsturz des Staats und der Kirche zu thun ist.
Ach es ist ja so schön in der evangelischen Landeskirche unter dem hohen Schirm-
Herrn, beseitigen wir daher unsre Feinde und jagen wir sie hinaus aus unserm
Tempel.

Die kleinen Städte, wie die großen, das bleibt sich Alles gleich. Selbst!n
dem erbärmlichen Nest hier, wohin es mich verschlagen, dasselbe widerwärtige Froh¬
locken , dieselbe Dummheit, dieselbe Rohheit. "Ich lasse mich da gar nicht mehr
drunter," spricht der Gevatter Tischlermeister: "da unterschreiben sie was von


Grc"ji,oder. IV. Isis. 53

mischen doch nicht? „Auch von diesem! denn die Behörden waren in eine zu schiefe
Lage gekommen. Wenn ein Jeder mitregieren will, dann muß die Maschine in
Stillstand oder Verwirrung gerathen. Es will Alles gelernt sein, mein Lieber,
und — ich bin dem königlichen Hanse sehr ergeben. Abgesehn davon waren
aber die Bande der polizeilichen Disciplin in der That allzusehr gelockert. Glau¬
ben Sie mir, mit dem Rechtsstaat, das ist ein Phantom, wie ich aus vieljähri-
ger Erfahrung weiß. Ein einziger Geusdarm wiegt, was die Ordnung betrifft,
hundert sich sclbstregiercnd: Bürger auf. Ich stehe ganz in der neuen Zeit, aber
Anstand muß sein, ich werde mit aller mir zu Gebote stehenden Energie nunmehr
eine kräftige Negierung handhaben, wir werden demzufolge auch alle demokratisch
gesinnten Beamten absetzen und eine genaue polizeiliche Ueberwachung jedes uns
verdächtigen Individuums eintreten lassen. Sonst kann die constitutionelle Freiheit,
an der wir festhalten, nicht gedeihen. Sonst können wir keine freien Finster ha¬
ben, und: freie Fürsten, freie Völker! das ist mein Wahlspruch!"

Dieser Lump von Journalisten hier, der bis vorgestern ein leidlich liberales
Blatt redigirte — lies jetzt nur seine Zeitung! Sie ist so zahm, so freundlich, so
schmeichlerisch, so hündisch wedelnd, so unterthänig! Bringt mir einen Loibeer-
kranz sür den Poeten, der die Siegeshymnen anstimme für die gesetzliche Macht,
für den ruhmgckiönten Commandeur der tapfern Truppen, für den Sieg der gu-
ten Sache. Die Macht hat einen eignen Zauber, wohlan! wir stärken sie durch
lügnerische Plakate, wir können auch das Volk aufwiegeln, wie es die Demokraten
gethan haben! Es gibt »och gottvergessene Pfiffen und pensionirte Offiziere genug,
die dem Zeitungsredactcur darin die beste Assistenz leisten.

Nicht wahr, Herr Prediger? O Sie mildes Herz, die Sie mit Ihrem Gott
sich allabendlich und alle Morgen abfinden zur Vergebung Ihrer Sünden. Wer
wollte Sie gottvergessen nennen? Bitte, bedenken Sie sich, vor mir ist eine De¬
votion nicht nöthig, ich kann Ihnen weder Absolution ertheilen, noch gar zu einer
besseren Pfarre verhelfen. Ja wohl ! Sie sind anch von Gottes Gnaden, ganz
gewiß! der Herr ist über Ihnen und lenket Ihre Schritte, er erleuchtet die Wege
Aller, die da lieb haben unsern Herrn und die da beten um das Kommen seines
Reichs. Die Demuth ist die schönste Zier des Christen und nebenbei dann so
in der Stille tüchtig das Volk aufgehetzt und fanatisirt gegen diejenigen, denen eS,
wie Sie sagen, allein um den Umsturz des Staats und der Kirche zu thun ist.
Ach es ist ja so schön in der evangelischen Landeskirche unter dem hohen Schirm-
Herrn, beseitigen wir daher unsre Feinde und jagen wir sie hinaus aus unserm
Tempel.

Die kleinen Städte, wie die großen, das bleibt sich Alles gleich. Selbst!n
dem erbärmlichen Nest hier, wohin es mich verschlagen, dasselbe widerwärtige Froh¬
locken , dieselbe Dummheit, dieselbe Rohheit. „Ich lasse mich da gar nicht mehr
drunter," spricht der Gevatter Tischlermeister: „da unterschreiben sie was von


Grc»ji,oder. IV. Isis. 53
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/421>, abgerufen am 26.12.2024.