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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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ja auch unsre Brüder. Das ist recht, Bürgerwehrmann! man muß sich eine ge¬
wisse B onhommie unter allen Verhältnissen zu bewahren wissen. Nun unterschreibe
du nur eine Adresse für das Ministerium, gib es von dir, daß der Vertreter
deines Bezirks dein Vertrauen nicht mehr besitzt! Ein Spartaner ist nicht jeder,
du machst auch keinen Anspruch daraus. Du bist und bleibst vielmehr eine feige
Hundeseele, die sich jeder herrschenden Gewalt dienstwillig unterwirft. Und nun
soll man dich mit deinen Spießbürgern blos klug reden hören, was du für die
Freiheit alles gethan und gelitten hast! 'S ist zum Erstaunen! Bei der Barri¬
kade an der Noßstraßenecke legte ein infamer wild aussehender Kerl, -- es wird
ein Pole gewesen sein -- schon die Büchse auf dich an, du hattest nur zur rech¬
ten Zeit, -- ja was hattest du doch gleich? nnn das ist einerlei! genug, du bist
unversehrt aus dem Gefecht herausgekommen, nur ein Stein flog dir dicht vor
dem Mützenschirm vorüber und deine Frau freute sich sehr, als du nach Hause
kamst. Nun, lebe wohl! gegen Abend sehen wir uns bei Walmüller wieder, da
sprechen wir noch ein Wort mit einander. Gott sei Dank, daß nun wieder Alles
gesetzlich zugeht!

Es ist heute Mittag ja recht belebt auf den Straßen. Man fühlt sich so
sicher, so ruhig wieder. Die Hände auf dem Rücken und der Bauch weit vor¬
gestreckt wandert der Banquier daher mit äußerst zufriedenen Gesicht. Er ist ein
Mann von Bildung, wer wollte daran zweifeln? Er ist auch gewiß liberal, er
gönnt dem Volke alle Freiheit, aber man muß doch anch, meint er, an sich selbst
denken. Der dänische Krieg hat mich schon bedeutend gekostet, das war eine fatale
klamme Zeit. Notabene! werfen Sie mich nicht mit den plumpen Geldmenschen
zusammen, da würden sie mir Unrecht thun, ich bin für die höheren Interessen
durchaus nicht verschlossen, das kaun ich beweisen. Kommen Sie in mein Zimmer
und betrachten Sie die Gemälde an den Wänden, die ich mit zum Theil nickt
unbedeutenden Opfern erstanden habe. Fragen Sie wo Sie wollen, mein Haus ist
für die Künstlerwelt stets gastlich geöffnet gewesen. Aber abgesehn davon, daß
ich Familie habe, -- ich bin an Comfort gewöhnt. Ohne diesen Comfort wäre
meine Lebenslust vorbei. Und mußte ich, wenn das Treiben so fortging, nicht
fürchten, daß man mir bei Gelegenheit einmal das Comptoir demolirte, mußte
ich nicht die gegründete Besorgniß hegen, daß die Wechsclgeschäfte zuletzt gänzlich
stocken, daß ich immer mehr und mehr von meinem Vermögen verlieren würde?
Ich will für das allgemeine Beste sorgen, aber dann müssen meine Verhältnisse
auch von den politischen Ereignissen unberührt bleiben. Am Ende ist -- sich doch
jeder selbst der Nächste. -- Ach! guten Abend Herr Baron! fuhr der Banquier
mit einer submissen Verbeugung fort, "gehorsamer Diener, haben Sie etwas zu
befehlen, Herr Baron?" ""Freue mich nur, Sie wohl zu sehn,"" erwidert der
Baron, ""man athmet ans, seit die Canaille zur Raison gebracht ist."" "Ja
wohl, ja wohl!" flüstert der Banquier, "perfide Abgeordnete! Hochverrätherische


ja auch unsre Brüder. Das ist recht, Bürgerwehrmann! man muß sich eine ge¬
wisse B onhommie unter allen Verhältnissen zu bewahren wissen. Nun unterschreibe
du nur eine Adresse für das Ministerium, gib es von dir, daß der Vertreter
deines Bezirks dein Vertrauen nicht mehr besitzt! Ein Spartaner ist nicht jeder,
du machst auch keinen Anspruch daraus. Du bist und bleibst vielmehr eine feige
Hundeseele, die sich jeder herrschenden Gewalt dienstwillig unterwirft. Und nun
soll man dich mit deinen Spießbürgern blos klug reden hören, was du für die
Freiheit alles gethan und gelitten hast! 'S ist zum Erstaunen! Bei der Barri¬
kade an der Noßstraßenecke legte ein infamer wild aussehender Kerl, — es wird
ein Pole gewesen sein — schon die Büchse auf dich an, du hattest nur zur rech¬
ten Zeit, — ja was hattest du doch gleich? nnn das ist einerlei! genug, du bist
unversehrt aus dem Gefecht herausgekommen, nur ein Stein flog dir dicht vor
dem Mützenschirm vorüber und deine Frau freute sich sehr, als du nach Hause
kamst. Nun, lebe wohl! gegen Abend sehen wir uns bei Walmüller wieder, da
sprechen wir noch ein Wort mit einander. Gott sei Dank, daß nun wieder Alles
gesetzlich zugeht!

Es ist heute Mittag ja recht belebt auf den Straßen. Man fühlt sich so
sicher, so ruhig wieder. Die Hände auf dem Rücken und der Bauch weit vor¬
gestreckt wandert der Banquier daher mit äußerst zufriedenen Gesicht. Er ist ein
Mann von Bildung, wer wollte daran zweifeln? Er ist auch gewiß liberal, er
gönnt dem Volke alle Freiheit, aber man muß doch anch, meint er, an sich selbst
denken. Der dänische Krieg hat mich schon bedeutend gekostet, das war eine fatale
klamme Zeit. Notabene! werfen Sie mich nicht mit den plumpen Geldmenschen
zusammen, da würden sie mir Unrecht thun, ich bin für die höheren Interessen
durchaus nicht verschlossen, das kaun ich beweisen. Kommen Sie in mein Zimmer
und betrachten Sie die Gemälde an den Wänden, die ich mit zum Theil nickt
unbedeutenden Opfern erstanden habe. Fragen Sie wo Sie wollen, mein Haus ist
für die Künstlerwelt stets gastlich geöffnet gewesen. Aber abgesehn davon, daß
ich Familie habe, — ich bin an Comfort gewöhnt. Ohne diesen Comfort wäre
meine Lebenslust vorbei. Und mußte ich, wenn das Treiben so fortging, nicht
fürchten, daß man mir bei Gelegenheit einmal das Comptoir demolirte, mußte
ich nicht die gegründete Besorgniß hegen, daß die Wechsclgeschäfte zuletzt gänzlich
stocken, daß ich immer mehr und mehr von meinem Vermögen verlieren würde?
Ich will für das allgemeine Beste sorgen, aber dann müssen meine Verhältnisse
auch von den politischen Ereignissen unberührt bleiben. Am Ende ist — sich doch
jeder selbst der Nächste. — Ach! guten Abend Herr Baron! fuhr der Banquier
mit einer submissen Verbeugung fort, „gehorsamer Diener, haben Sie etwas zu
befehlen, Herr Baron?" „„Freue mich nur, Sie wohl zu sehn,"" erwidert der
Baron, „„man athmet ans, seit die Canaille zur Raison gebracht ist."" „Ja
wohl, ja wohl!" flüstert der Banquier, „perfide Abgeordnete! Hochverrätherische


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/419>, abgerufen am 22.07.2024.