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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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seiner Rath sein und lässest dir keine Zurücksetzung gefallen. Du wirst nicht auf
die Arbeiter, deine "Mitbürger" schießen, sie könnten dir anch das Haus demo-
liren, oder du möchtest einen Stein an den Kopf kriegen und selbst wenn sie die
Nationalversammlung sprengen wollen, wo die Volksverräther von der Rechten
sitzen, laß' sie -- du rührst dich nicht. Du bist eine feige, selbstsüchtige Natur
und ich vergleiche dich nicht mit dem Studiosus, der hier säbclklirrend mit schwarz-
rothgoldner Kappe wohlgemut!) auf dem breiten Steine dahertrollt, nachdem er
hinter den Barrikaden in der Märznacht jugendlich tapfer gefochten. Er hat ein
Herz, das für das Große glüht, er verlangt unumwunden, daß die Armuth und
die Arbeit für die Zukunft abgeschafft werden. Ihn grüßt das souveräne Volk ver¬
traulich, und folgt seinem Rathe, denn er schlägt dem Philister ein Schnippchen,
und so ein Fürstenbund oder Minister ist ihm gerade so gemaust, wie eine Ratte.
Paßt auf! der wird euch die Fackel der politischen Weisheit anstecken! die Jahre
thun dabei nichts und die treuen warnenden Briefe seines alten Vaters daheim,
die ihn daran erinnern, daß es viel, viel zu lernen gebe auf der Welt, sind ihm
Philistern: "der alte Mann, -- wie kann man's anders erwarten -- steht nicht
auf dem Höhepunkte unserer Zeit."

"Der Junge hat Recht!" sagt der gelehrte Doctor der Philosophie, -- wie¬
wohl unbewußt. Das Volk ist seinem Begriffe nach Gott gleich. Welch ein ho¬
her Beruf, zu ihm zu reden, wie ich dies thue, mit Jubel empfangen, mit Ju¬
bel entlassen zu werden. Werft mir das Volk nicht mit den elenden Bourgeois
zusammen. Wie empört mich schon der bloße Name! Mein Cultus ist das Volk,
das Volk allein." -- So ziehe deinen feinen Rock aus, Thor! herunter mit dem
blanken Filzhut und nimm dir eine Axt und haue Holz, sei dem Armen wirklich
ein Bruder, ziehe ihn an deine Brust, verstttliche thu durch deinen Umgang, dei¬
nen Zuspruch, mache es an ihm gut, was man verbrochen an dem jüdischen Volke,
dem deine Voreltern angehörten, opfere einen Theil des von ihnen glücklich erspe-
kulirteu Reichthums, damit die Leiden des Volks gemindert werden. Doch nein !
das willst du nicht, du redest nur so, es ist eine erhabene Klopffechtern, die
du treibst, nicht ein Wort Wahrheit. Rebhühner schmecken besser, als eine harte
Brotrinde, Wein geht leichter die Kehle hinter, als bloßes Wasser. Fort mit
dir, du bist kein Mann, darum auch kein Demokrat.

Doch du hast noch Scham, -- das ist doch etwas. Wenigstens diesem Trupp,
zusammengesetzt aus Commis, banquerotteu Fabrikanten und herabgekommenen
Literaten, die hier das Bürgerwehrpiquet am Thore zu bestechen, dort den Sol¬
daten mit Schnaps seiner Pflicht abwendig zu machen suchen, -- diesem Trupp
wagst du denn doch dich nicht anzuschließen. Das ist auch ein so schlechtes Ge¬
sinde!, daß man ihm den edeln Namen der Demokraten von dem Schilde reißen
muß, das sie herausfordernd vor sich her tragen. Sie haben allesammt nichts
zu verlieren, aber gewinnen könnten sie durch die allgemeine Noth. Darum reizen


seiner Rath sein und lässest dir keine Zurücksetzung gefallen. Du wirst nicht auf
die Arbeiter, deine „Mitbürger" schießen, sie könnten dir anch das Haus demo-
liren, oder du möchtest einen Stein an den Kopf kriegen und selbst wenn sie die
Nationalversammlung sprengen wollen, wo die Volksverräther von der Rechten
sitzen, laß' sie — du rührst dich nicht. Du bist eine feige, selbstsüchtige Natur
und ich vergleiche dich nicht mit dem Studiosus, der hier säbclklirrend mit schwarz-
rothgoldner Kappe wohlgemut!) auf dem breiten Steine dahertrollt, nachdem er
hinter den Barrikaden in der Märznacht jugendlich tapfer gefochten. Er hat ein
Herz, das für das Große glüht, er verlangt unumwunden, daß die Armuth und
die Arbeit für die Zukunft abgeschafft werden. Ihn grüßt das souveräne Volk ver¬
traulich, und folgt seinem Rathe, denn er schlägt dem Philister ein Schnippchen,
und so ein Fürstenbund oder Minister ist ihm gerade so gemaust, wie eine Ratte.
Paßt auf! der wird euch die Fackel der politischen Weisheit anstecken! die Jahre
thun dabei nichts und die treuen warnenden Briefe seines alten Vaters daheim,
die ihn daran erinnern, daß es viel, viel zu lernen gebe auf der Welt, sind ihm
Philistern: „der alte Mann, — wie kann man's anders erwarten — steht nicht
auf dem Höhepunkte unserer Zeit."

„Der Junge hat Recht!" sagt der gelehrte Doctor der Philosophie, — wie¬
wohl unbewußt. Das Volk ist seinem Begriffe nach Gott gleich. Welch ein ho¬
her Beruf, zu ihm zu reden, wie ich dies thue, mit Jubel empfangen, mit Ju¬
bel entlassen zu werden. Werft mir das Volk nicht mit den elenden Bourgeois
zusammen. Wie empört mich schon der bloße Name! Mein Cultus ist das Volk,
das Volk allein." — So ziehe deinen feinen Rock aus, Thor! herunter mit dem
blanken Filzhut und nimm dir eine Axt und haue Holz, sei dem Armen wirklich
ein Bruder, ziehe ihn an deine Brust, verstttliche thu durch deinen Umgang, dei¬
nen Zuspruch, mache es an ihm gut, was man verbrochen an dem jüdischen Volke,
dem deine Voreltern angehörten, opfere einen Theil des von ihnen glücklich erspe-
kulirteu Reichthums, damit die Leiden des Volks gemindert werden. Doch nein !
das willst du nicht, du redest nur so, es ist eine erhabene Klopffechtern, die
du treibst, nicht ein Wort Wahrheit. Rebhühner schmecken besser, als eine harte
Brotrinde, Wein geht leichter die Kehle hinter, als bloßes Wasser. Fort mit
dir, du bist kein Mann, darum auch kein Demokrat.

Doch du hast noch Scham, -- das ist doch etwas. Wenigstens diesem Trupp,
zusammengesetzt aus Commis, banquerotteu Fabrikanten und herabgekommenen
Literaten, die hier das Bürgerwehrpiquet am Thore zu bestechen, dort den Sol¬
daten mit Schnaps seiner Pflicht abwendig zu machen suchen, — diesem Trupp
wagst du denn doch dich nicht anzuschließen. Das ist auch ein so schlechtes Ge¬
sinde!, daß man ihm den edeln Namen der Demokraten von dem Schilde reißen
muß, das sie herausfordernd vor sich her tragen. Sie haben allesammt nichts
zu verlieren, aber gewinnen könnten sie durch die allgemeine Noth. Darum reizen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/416>, abgerufen am 22.07.2024.