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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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wollen, wie ging das zu? "Wie das zuging? das will ich Ihnen sagen, Herr!
Die Berliner haben uns im März die Augen aufgemacht, wir werden uns von
-- dem Bauer jetzund auch nicht mehr so schinden lassen. Warum soll ich nicht
eben so viel Land haben, wie der Bauer? Und das ist ja gar keine Sache nicht,
wenn man sich auch einmal einen Baum aus dem Forst holt. Jetzt ist das Volk
frei, und außerdem wollen wir nicht mehr Soldaten werden und nachher noch so
und so lange bei der Landwehr, daß man seine Wirthschaft versäumt!" -- Ich
verstehe dich: du willst für das Soldatenspiclcn lieber eine Abgabe bezahlen, denn
Soldaten müssen wir doch einmal haben, sonst schluckt uns der Russe nächster
Tage hinunter! Und was die Gleichheit angeht, so wirst du dafür, daß du dem
Bauer gleichkommst, nun anch mit dem Tagelöhner Brüderschaft machen? -- "El
was, Herr! Abgaben? Abgaben bezahl' ich nicht mehr, und der Tagelöhner? Herr,
wo können Sie uns mit dem Tagelöhner zusammenbringen? der hat ja nichts!" --
Laßt sehen, ob der Tagelöhner, der ländliche Proletarier, ein Demokrat ist.
Er meint: "nachdem die Berliner den Soldaten aus der Stadt geschlagen haben,
soll zwar dem König keiner was thun, aber es muß die Vorschrift gegeben wer¬
den, daß ein jeder Mann seine sechs bis acht Morgen Ackerland kriegt, --- so viel
braucht er zu Kartoffeln, Roggen und Lein für seine Familie, der Bauer hat ja
noch weit mehr, warum also wir nicht? Außerdem kann der arme Mann keine
Steuern nicht zahlen, es muß Gesetz sein, daß die Reichen die Steuern allein
aufbringen. Und dann zuletzt sollen dem armen Mann die alten Gerechtigkeiten
auf freies Holz und freie Weide wieder zuerkannt werden." -- Und du? du willst
dann still sitzen, und wie der Hirtenjunge, der das große Loos gewann, daS
Schmalz mit Löffeln fressen? Nichts da, braver Pommer! mache dich fertig, rüste
dich! umsonst ist nichts, auch die Demokratie nicht, wir müssen in den Krieg und
uns die Freiheit blutig erkämpfen. Dazu hast du keine Lust: du meinst, du hättest
schon Frau und Kind und du bliebest lieber daheim, wenn du nur gut zu leben
hättest.

Auf dem Lande ist's nichts: ich will in die Nachbarstadt gehen. Glücklicher
Spießbürger, du sonst so braver Preuße! wer hat dich aufgewühlt aus deiner
zufriedenen Ruhe? Du trinkst auch heute noch dein Glas Bier und rauchst deine
Pfeife, aber du schaust gewichtiger drein als sonst und redest vou Republik und
daß der Bürgermeister abgeschafft werden müsse. Wo hast du, Guter! deine po¬
litischen Studien gemacht? etwa bei der Separation, wo du, friedlicher Maury
gegen deinen Nachbar zwanzig Jahre lang mit unerschöpflicher Hartnäckigkeit um
eine Spanne Landes prozessirt hast? Dn superkluger Dummkopf, der du meinst,
in dem engen Kreise, den dein Blick niemals überschritten hat, alle Weisheit der
Welt dir angeeignet zu haben! der dn dein Weib und deine Kinder behandelst
wie ein Tyrann, der du den Darbenden hartherzig von deiner Thür stießest, der
du es stets unter deiner Würde hieltest, mit dem//gemeinen Mann" irgendwie


wollen, wie ging das zu? „Wie das zuging? das will ich Ihnen sagen, Herr!
Die Berliner haben uns im März die Augen aufgemacht, wir werden uns von
— dem Bauer jetzund auch nicht mehr so schinden lassen. Warum soll ich nicht
eben so viel Land haben, wie der Bauer? Und das ist ja gar keine Sache nicht,
wenn man sich auch einmal einen Baum aus dem Forst holt. Jetzt ist das Volk
frei, und außerdem wollen wir nicht mehr Soldaten werden und nachher noch so
und so lange bei der Landwehr, daß man seine Wirthschaft versäumt!" — Ich
verstehe dich: du willst für das Soldatenspiclcn lieber eine Abgabe bezahlen, denn
Soldaten müssen wir doch einmal haben, sonst schluckt uns der Russe nächster
Tage hinunter! Und was die Gleichheit angeht, so wirst du dafür, daß du dem
Bauer gleichkommst, nun anch mit dem Tagelöhner Brüderschaft machen? — „El
was, Herr! Abgaben? Abgaben bezahl' ich nicht mehr, und der Tagelöhner? Herr,
wo können Sie uns mit dem Tagelöhner zusammenbringen? der hat ja nichts!" —
Laßt sehen, ob der Tagelöhner, der ländliche Proletarier, ein Demokrat ist.
Er meint: „nachdem die Berliner den Soldaten aus der Stadt geschlagen haben,
soll zwar dem König keiner was thun, aber es muß die Vorschrift gegeben wer¬
den, daß ein jeder Mann seine sechs bis acht Morgen Ackerland kriegt, -— so viel
braucht er zu Kartoffeln, Roggen und Lein für seine Familie, der Bauer hat ja
noch weit mehr, warum also wir nicht? Außerdem kann der arme Mann keine
Steuern nicht zahlen, es muß Gesetz sein, daß die Reichen die Steuern allein
aufbringen. Und dann zuletzt sollen dem armen Mann die alten Gerechtigkeiten
auf freies Holz und freie Weide wieder zuerkannt werden." — Und du? du willst
dann still sitzen, und wie der Hirtenjunge, der das große Loos gewann, daS
Schmalz mit Löffeln fressen? Nichts da, braver Pommer! mache dich fertig, rüste
dich! umsonst ist nichts, auch die Demokratie nicht, wir müssen in den Krieg und
uns die Freiheit blutig erkämpfen. Dazu hast du keine Lust: du meinst, du hättest
schon Frau und Kind und du bliebest lieber daheim, wenn du nur gut zu leben
hättest.

Auf dem Lande ist's nichts: ich will in die Nachbarstadt gehen. Glücklicher
Spießbürger, du sonst so braver Preuße! wer hat dich aufgewühlt aus deiner
zufriedenen Ruhe? Du trinkst auch heute noch dein Glas Bier und rauchst deine
Pfeife, aber du schaust gewichtiger drein als sonst und redest vou Republik und
daß der Bürgermeister abgeschafft werden müsse. Wo hast du, Guter! deine po¬
litischen Studien gemacht? etwa bei der Separation, wo du, friedlicher Maury
gegen deinen Nachbar zwanzig Jahre lang mit unerschöpflicher Hartnäckigkeit um
eine Spanne Landes prozessirt hast? Dn superkluger Dummkopf, der du meinst,
in dem engen Kreise, den dein Blick niemals überschritten hat, alle Weisheit der
Welt dir angeeignet zu haben! der dn dein Weib und deine Kinder behandelst
wie ein Tyrann, der du den Darbenden hartherzig von deiner Thür stießest, der
du es stets unter deiner Würde hieltest, mit dem//gemeinen Mann" irgendwie


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/414>, abgerufen am 22.07.2024.